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Menschenhandel und Prostitution: Bereits 40 Jahre Haft für Bande

Bulgarische Bande in Wien vor Gericht
Bulgarische Bande in Wien vor Gericht ©VIENNA.AT
Wegen Menschenhandel steht eine bulgarische Bande in Wien vor Gericht und wurde bereits zu 40 Jahren Haft verurteilt. Seit 2009 soll die Bande junge Frauen nach Österreich gebracht und sie zur Prostitution gezwungen haben.
Bulgare vor Gericht
Menschenhandel - Prozess

Im Wiener Landesgericht ist am Dienstag ein weiteres Mitglied jener bulgarischen Menschenhändlerbande verurteilt worden, die seit 2009 junge Frauen nach Österreich gebracht und in der Bundeshauptstadt der Prostitution zugeführt hatte. Die Gruppierung hatte bis zu ihrer Zerschlagung im Sommer 2013 vor allem den Straßenstrich im Prater dominiert. Über Evgeni A. (33) wurden sechs Jahre Haft verhängt.

Bulgarische Bande in Wien vor Gericht

Mit diesem rechtskräftigen Schuldspruch wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, grenzüberschreitenden Prostitutionshandels, Menschenhandels, Zuhälterei und Freiheitsentziehung sind mittlerweile neun Bandenmitglieder – die meisten davon bereits rechtskräftig – abgeurteilt. Insgesamt wurden von der Justiz 40 Jahre Haft ausgesprochen, wobei es für die einzelnen Täter bei einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Sanktionen zwischen drei und acht Jahren setzte.

“Diese Verhandlungsergebnisse sind herausragend und haben gemessen an früheren Urteilssprüchen Präventionscharakter. Das zeigt, dass die Aussagen der Opfer ernst genommen werden. Auch für uns als Gesellschaft ist das ein Signal mit Symbolkraft. Die Dimension des Verbrechens wird damit sichtbarer”, stellte die Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels (LEFÖ-IBF) am Dienstag in einer Presseaussendung fest. Der Verein unterstützt 21 Frauen, die nach der Festnahme von insgesamt 20 Beschuldigten befreit werden konnten, mittels Beratung, Betreuung und Prozessbegleitung.

Frauen zur Prostitution gezwungen

Die zur Sexarbeit gezwungenen Frauen waren in der Regel in Bulgarien angeworben worden, wobei man einigen vormachte, sie würden in Deutschland oder Österreich “reguläre” Jobs – etwa als Abwäscherin – bekommen. In Wien angelangt, waren sie teilweise massiver Gewalt ausgesetzt und wurden ausgebeutet.

Im gegenständlichen Fall wurden vom zuständigen Staatsanwalt erstmals sowohl die sexuelle Ausbeutung von Frauen als auch die Arbeitsausbeutung in der Prostitution angeklagt. Evelyn Probst, die Leiterin von LEFÖ-IBF, hob in diesem Zusammenhang die “ausgezeichnete Zusammenarbeit” mit den Justizbehörden hervor. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Gericht seien auf die Traumatisierung und die schwierige Situation der Opfer vorbereitet gewesen. Das habe wesentlich zu den guten Ermittlungsergebnissen beigetragen und den Betroffenen eine Retraumatisierung durch das Verfahren erspart, resümierte die Wiener Rechtsanwältin Barbara Steiner, die als juristische Prozessbegleiterin die betroffenen Frauen in den Hauptverhandlungen vertritt und für diese bisher Schadenersatz- und Schmerzengeld-Zusprüche von über 40.000 Euro erwirkt hat.

Bande kaufte “Nachschub”

Evgeni A., dem vom Gericht ebenfalls eine finanzielle Wiedergutmachung aufgetragen wurde, soll laut Anklage als Zuhälter zumindest sechs Frauen überwacht und diesen den Großteil ihrer Einnahmen abgenommen haben, wobei er nicht zimperlich vorging. Wenn die Frauen nicht spurten, soll er ihnen mit Schlägen oder dem Ab- bzw. Durchschneiden der Beine bzw. des Magens gedroht haben. Wurde seiner Ansicht nach “zu wenig” gearbeitet, gab er den teilweise in seiner Wohnung in Wien-Ottakring untergebrachten Frauen nichts zu essen und zu trinken.

Als einige Prostituierte Probleme mit der Fremdenpolizei bekamen, kaufte er “Nachschub”, wobei für die betreffenden zwei Frauen 1.000 und 1.500 Euro bezahlt wurden. Besonders erschreckend war dabei das Schicksal einer 22-Jährigen, die ihrer Aussage zufolge in Bulgarien von einem Mann mit einem präparierten Getränk bewusstlos gemacht und außer Landes geschafft worden war. Als sie schließlich bei Evgeni A. landete, soll dieser die bis dahin mit der Prostitution nicht vertraute junge Frau tagelang in seine Wohnung gesperrt haben. Dann soll er sie zunächst jenen Dealern “überlassen” haben, von denen er sein Kokain bezog.

Menschenhandel: Bande verurteilt

Der 22-Jährigen gelang schließlich auf spektakuläre Weise die Flucht aus den Fängen des Angeklagten. Am 4. Juli 2013 riss sie gegen 0.30 Uhr an einer Kreuzung mit Anzeichen äußerster Verzweiflung die Fahrzeugtür eines vor einer Ampel zum Stehen gekommenen Autos auf und sprang in den Wagen eines wildfremden Mannes, wobei sie “Mafia! Mafia!” schrie. Der Unbekannte chauffierte sie in seine Wohnung, hörte sich die Geschichte der Frau an und überredete sie, Anzeige zu erstatten. Er gab ihr auch Gelegenheit zu telefonieren, weshalb die 22-Jährige erstmals seit ihrem Verschwinden – ihre Eltern hatten in Bulgarien mittlerweile eine Vermisstenanzeige aufgegeben – mit ihrer Familie Kontakt aufnehmen konnte.

Evgeni A. wurde am 19. Juli festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch zwei junge Frauen in seiner Wohnung, die er ebenfalls zur Prostitution gezwungen haben soll. “Das geht einfach so nicht, was sich da abspielt. Das ist fernab jeder Vorstellung von einem zivilisierten Zusammenleben”, bemerkte Richter Ulrich Nachtlberger in der Urteilsbegründung. Evgeni A. erklärte sich nach Rücksprache mit Verteidiger Herbert Eichenseder mit der über ihn verhängten Freiheitsstrafe einverstanden.

(APA)

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