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Mammografie-Screening: Bewertung mit kritischem Ergebnis

Erster offizieller Evaluationsbericht zum Österreichischen Brustkrebs-Früherkennungsprogramm
Erster offizieller Evaluationsbericht zum Österreichischen Brustkrebs-Früherkennungsprogramm ©APA
Anfang 2014 wurde das österreichische Brustkrebs-Früherkennungsprogramm ("Mammografie-Screening") gestartet. Nun liegt der erste offizielle Evaluationsbericht der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) für 2014/2015 vor.

Nur 37 Prozent bis höchstens 54 Prozent der Kernzielgruppe der Frauen zwischen 45 und 69 Jahren haben in den beiden Jahren an dem Früherkennungsprogramm teilgenommen.

“In Österreich erkrankten im Jahr 2012 5.521 Frauen und 73 Männer neu an Brustkrebs. (…) Im selben Zeitraum verstarben 1.529 Frauen und 20 Männer an Brustkrebs. (…) Brustkrebs ist damit die häufigste Krebserkrankung und die häufigste Krebstodesursache bei Frauen”, schreiben die Autoren der GÖG-Untersuchung im Auftrag des Gesundheitsministeriums.

2003 erließ der Rat der Europäischen Union eine Empfehlung, organisierte Mammakarzinom-Früherkennungsprogramme in allen Mitgliedsländern zu etablieren. Diese von vielen Fachleuten vehement geforderte Maßnahme wurde in Österreich erst mit Start 2014 umgesetzt: Einladung bzw. Freischaltung der E-Card für diese Untersuchungen für alle Frauen zwischen 45 und 69 Jahren im zweijährigen Abstand, Frauen von 40 bis 44 und ab 70 Jahren können im Rahmen eines Opt-in teilnehmen. Es gibt Erinnerungen alle zwei Jahre. Die Mammografieuntersuchungen werden in eigens zertifizierten knapp 190 Radiologenordinationen durchgeführt. Überweisungen durch Hausarzt oder Gynäkologen gibt es nur noch für “kurative” Mammografien bei entsprechender medizinischer Indikation (Verdachtsfall etc.). Alle Untersuchungen durchlaufen zwei Befundungen durch zwei Radiologen. Wenn notwendig, erfolgt auch eine Ultraschalluntersuchung der Brust gleich beim ersten Mammografie-Termin (zu 64 Prozent bisher). Parallel dazu gibt es eine umfangreiche Dokumentation bei den Radiologen

Programm zum Teil in heftiger Kritik

Das Programm stand zu Beginn in zum Teil heftiger Kritik: vor allem, weil die Zuweisungen von Gynäkologen und Hausärzten für die Brustkrebs-Früherkennungsuntersuchung wegfielen. Die Freischaltung der E-Cards für die Frauen in der Kernzielgruppe (und für jene außerhalb, die sich dafür interessierten) brachte hier eine deutliche Besserung. Der Vorstand der Wiener Universitäts-Frauenklinik, Peter Husslein, kritisierte zusätzlich beispielsweise das Prozedere, wie er als Gynäkologe eventuell zu dem entsprechenden Befund seiner Patientinnen kommen könne. In der internationalen Literatur gehen die Wissenschafter davon aus, dass bei einer Beteiligung von 70 Prozent der infrage kommenden Frauen die Brustkrebs-Mortalität längerfristig um rund 30 Prozent gesenkt werden könnte.

Bei diesen Beteiligungswerten ist das österreichische Programm offenbar noch lange nicht angekommen. “36,8 Prozent von Frauen aus der Kernzielgruppe gemäß Bevölkerungsstatistik 2015 nahmen innerhalb der ersten Screening-Runde (2014 und 2015) am Programm teil. Dieser Wert entspricht nur etwas mehr als der Hälfte jener von den europäischen Leitlinien geforderten Teilnahmerate (70 Prozent) und erscheint daher wenig zufriedenstellend”, schreiben die Experten. International hätten aber in den ersten Programmjahren auch vergleichbare Initiativen mit den Frequenzen zu kämpfen. Pro Jahr dürften nunmehr allerdings jeweils um zehn Prozent mehr Frauen in Österreich zu ihrer ersten Mammografie gehen als vor dem Programm.

Insgesamt wurden in den beiden Jahren in Österreich 1,185.115 Millionen Brustuntersuchungen durchgeführt. 642.314 entfielen auf echte Früherkennungstests im Rahmen des Programm. Hinzu kamen 635.080 “kurative”, also von Ärzten direkt wegen Verdachtsmomenten etc. angeordnete Brustuntersuchungen bei Radiologen. Nimmt man diese Untersuchungen hinzu, könnte die Rate der Beteiligten in der Kernzielgruppe maximal bis zu knapp 54 Prozent betragen, liegt aber mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwo dazwischen.

Keine Ergebnis-Analyse

Die Beteiligungsraten an den Brustkrebs-Früherkennungsuntersuchungen schwankten in der Hauptzielgruppe zwischen 46,6 Prozent in Salzburg und 30,9 in Vorarlberg (Wien z.B.: 42,9 Prozent). Insgesamt gab es in Österreich bei 1.05 Prozent der teilnehmenden Frauen einen ersten Verdachtsbefund, der weiter abgeklärt werden musste. Hinzu kommen 0,81 Prozent Wiederholungen wegen Nicht-Beurteilbarkeit.

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Doch danach findet sich in dem Bericht deutliche Kritik an der Durchführung. So sei es derzeit kaum möglich, die Ergebnisses des Programms zu analysieren. Nichts sagen könne man darüber, ob nunmehr in Österreich mehr Mammakarzinome im Frühstadium (höhere Heilungschancen, weniger invasive und belastende Therapien) als zuvor entdeckt wurden.

So schreiben die Experten der Gesundheit Österreich GmbH: “Keinesfalls zufriedenstellend sind der Dokumentationsstand von Abklärungsuntersuchungen (bildgebend in Form von weiteren Mammografie-, Ultraschall- oder MR-Untersuchungen, invasiv in Form von Biopsien) bzw. die Tumordokumentation. Für 74,6 Prozent der aus den Ergebnissen der Früherkennungsuntersuchungen erwartbaren Abklärungsuntersuchungen der Jahre 2014 und 2015 fehlt jede weiterführende Dokumentation. Es ist daher derzeit nicht möglich, maßgebliche und international in Brustkrebs-Früherkennungsprogrammen verwendete Indikatoren zur Messung der Prozess- und Ergebnisqualität zu berechnen.”

Viele Fragen unbeantwortet

Das bedeute, dass aufgrund von Dokumentationslücken beispielsweise folgende Fragen nicht beantwortet werden könnten: “Wie gut ist die Befundqualität in der Brustkrebs-Früherkennung bzw. in der Abklärung? Wie viele falsch positive oder falsch negative Befunde bzw. Intervallkarzinome (Karzinome, die wegen des Untersuchungsintervalls nicht gleich entdeckt wurden; Anm.) gibt es? Wie hoch sind die Biopsierate und die Qualität der Biopsien? Wie viele und welche Karzinome (Größe, Typ, Stadium, etc.) wurden im Zeitverlauf im Brustkrebs-Früherkennungsprogramm entdeckt? Erhöht sich die Zahl an entdeckten Karzinomen in nicht-invasivem Stadium? Wie viele Karzinome wurden durch eine zusätzliche Ultraschall-Untersuchung im Brustkrebs-Früherkennungsprogramm entdeckt?”

Bei der Durchsicht des Reports fällt auch auf, dass es offenbar keine Angaben über die Beteiligung von Frauen aus unterschiedlichen sozialen Schichten gibt. Das Programm hatte ja postuliert, besonders sozial benachteiligte und quasi medizin-ferne Frauen vermehrt zur Teilnahme am Mammografieprogramm zu bringen. In sozial besser gestellter Situation haben die Frauen wahrscheinlich in den Jahren vor der Einführung des Programms die Mammografie überproportional frequentiert.

Fachleute äußern Verbesserungsvorschläge

Die Empfehlungen der Fachleute sind weitgehend mit der in den vergangenen Jahren geäußerten Kritik ident. “Gemäß Bundesqualitätsstandard zum Brustkrebs-Früherkennungsprogramm durch Mammografie-Screening muss der Einladungsversand an die Frauen der definierten Zielgruppe lückenlos erfolgen, um eine Teilnahmemöglichkeit am qualitätsgesicherten Programm für alle Frauen in der Zielgruppe zu gewährleisten. In diesem Sinn wird eine Integration der aktuell nicht teilnahmeberechtigten Frauen in das Programm empfohlen”, heißt es zum Beispiel in der Evaluierung.

Die Vertrauensärzte der betroffenen Frauen sollten bei auffälligem Früherkennungsbefund und auf Wunsch der jeweiligen Frau die Koordination der weiteren Untersuchungs- und ggf. Behandlungsschritte übernehmen, um eine rasche und lückenlose Verdachtsabklärung bzw. Behandlung sicherzustellen. Im Rahmen dieser Betreuungsfunktion könnte Hausärzte und Gynäkologen “optimal in das Programm eingebunden werden. Dazu sollte das Übermitteln des Befundes an die jeweilige Vertrauensärztin / den jeweiligen Vertrauensarzt der Frau systematisch geregelt werden.” Eine intensive Zusammenarbeit mit den Ärzten und den anderen Leistungserbringern (z.B. Spitälern mit invasiven diagnostischen Maßnahmen, späterer Therapie im Krankheitsfall) sei weiter zu forcieren und könne auch die Beteiligung an dem Programm weiter fördern.

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