Bisweilen gibt es künstlerische Vorhaben, die so manisch sind, so wahnsinnig, dass sie schon allein deshalb einen eigenen Zauber entfalten. “Loving Vincent” ist eines dieser raren Beispiele, bei denen die Kinoleinwand Herausragendes preisgibt. Das Werk ist inhaltlich ein konventioneller Kunstkrimi, optisch aber ein Erlebnis, das sich aus 65.000 Ölgemälden zusammensetzt. Ab Donnerstag im Kino.
Loving Vincent – Der Film
125 Maler haben rund sechs Jahre an dem eineinhalbstündigen Film gearbeitet – in Öl und ganz im Stile des Namensgebers, der selbst in den zehn Jahren seines Wirkens “nur” auf 800 Gemälde kam. Zwölf Ölbilder pro Sekunde Film benötigten die beiden Macher Dorota Kobiela und Hugh Welchman, die sich über die Arbeit am gemeinsamen Projekt lieben lernten. Zunächst filmte man mit echten Schauspielern die Szenen, die hernach in bewegte Ölgemälde umgewandelt wurden.
Rund 130 Van-Gogh-Werk werden so zum Leben erweckt, und der Zuschauer kann mit den Augen durch das gelbe Haus in Arles und das berühmte Nachtcafe wandern, über das Gräberfeld Les Alyscamps schlendern oder berühmte Van-Gogh-Figuren wie den Postmeister Joseph Roulin oder Dr. Gachet treffen. Rückblenden wiederum sind in fotorealistischerem Schwarz-Weiß gehalten. Diese poetische Gestaltung, die so gänzlich aus der Zeit gefallen scheint ohne ihre Verwendung von Animationen, ist so berückend schön, dass die Geschichte selbst in den Hintergrund tritt, da man sich als Zuschauer oftmals ganz im Bild verliert und die Narration vergisst – was allerdings kein großer Verlust ist.
Loving Vincent – Kritik zum Film
Schließlich ist “Loving Vincent” letztlich ein handelsüblicher Kunstkrimi um die Frage, ob sich Van Gogh wirklich umgebracht hat oder getötet wurde. So taucht ein Jahr nach dem Tod des Künstlers, der sich in Auvers-sur-Oise in einem Weizenfeld in den Bauch schoss und bald darauf starb, ein letzter Brief an seinen Bruder Theo auf. Der junge Armand Roulin (Douglas Booth) soll diesen zustellen und landet dabei schließlich in Auvers-sur-Oise. Hier wird er mehr zufällig als beabsichtigt in die Mysterien rund um Van Goghs Tod gezogen: Die Waffe wurde schließlich nie gefunden. Dabei begegnet er dem bekannten Dr. Gachet (Jerome Flynn) und nicht zuletzt dessen Tochter Marguerite (Saoirse Ronan), die ein besonders enges Verhältnis zum Verstorbenen hatte.
Aber letztlich verblasst all dies vor der schieren Schaulust, der Farbenpracht. Und warum auch nicht. “Loving Vincent” ist ein 90-minütiges Schauerlebnis, für welches das polnisch-britische Duo Kobiela und Welchman jüngst zu recht beim Europäischen Filmpreis für den besten Animationsfilm geehrt wurde.
(APA/Red)