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Leistbares Wohnen mit Charakter

©Darko Todorovic
Lustenau. Für seine Mitarbeiter ließ sich Marcel Lerch von Johannes Kaufmann in Lustenau eine kleine Wohnanlage planen. Gebaut aus hölzernen Modulen in nur acht Wochen.

Spielen für ein Bauprojekt Geld, Platz und Zeit keine oder nur eine untergeordnete Rolle, ist das für jeden ambitionierten Architekten ein Glücksfall. Bei der Kleinwohnanlage in Lustenau, die sich der Vorarlberger Gastronom Marcel Lerch von Johannes Kaufmann hat planen lassen, war allerdings das Gegenteil der Fall. Der Bauplatz war angesichts der geforderten Kubatur mit 500 Quadratmetern winzig, die Bauzeit sollte so kurz wie möglich sein und die kleine Wohnanlage für vier Einheiten so wenig wie möglich kosten.

Anforderungen, die eindeutig für ein Holzhaus sprachen. Die gesamte Bauzeit betrug ganze acht Wochen, die zehn vorgefertigten hölzernen Raumzellen wurden in zwei Tagen auf zwei Etagen auf den betonierten Sockel montiert. Die theoretisch ebenso schnell wieder zerlegt und an einem anderen Ort neu aufgebaut werden könnten. Die zwei kleineren, je rund 30 m großen Wohnungen bestehen aus zwei Modulen, die rund 45 m großen aus drei. Sie sind in allen vier Einheiten baugleich und identisch ausgestattet. Eines dieser Module besteht aus dem Bad bzw. Ess-/Küchenbereich, das zweite aus dem Wohn- und Schlafbereich. Letzterer ist in den zwei größeren, für zwei Bewohner ausgelegten Einheiten auf zwei Module aufgeteilt.

Darko Todorovic
Darko Todorovic ©Darko Todorovic

Die Kleinwohnanlage steht auf einem seit Langem in Lerch’schem Familienbesitz befindlichen Grundstück in zentraler, architektonisch höchst heterogen bebauter, letztlich aber ruhiger Wohnlage. Errichtet für Mitarbeiter des Gastronomen Marcel Lerch. Dem es, indem er im hochpreisigen Vorarlberg mit günstigem Wohnraum locken kann, gelingt, qualifizierte Mitarbeiter an seine Betriebe zu binden.

Die Module wurden fix und fertig geliefert. Inklusive der Fliesen, dem Spiegel und dem Handtuchtrockner im Bad, dem Waschbecken in der Küche, den Möbeln, Lampen im Ess-, Schlaf- und Wohnbereich. Die Böden sind hier mit Eichenparkett belegt, die Wände weiß, die Decken und Türen sind aus naturbelassener Fichte. Die Räume sind zwar klein, aber alles ist da, ist unaufgeregt funktionell und formal schnörkellos. Individualität bringen die jeweiligen Bewohner durch Accessoires in ihre meist auf Zeit angelegten Wohnstätten.

»“Dieses Haus täuscht nichts vor, was es nicht ist.” (Johannes Kaufmann, Architekt)«

Die vier Einheiten besitzen Richtung Süden ausgerichtete Loggien bzw. öffnen sich im Erdgeschoß zu kleinen Terrassen. Die Loggien haben schlichte, verzinkte Stahlgeländer. Sie sind auf je vier Stahlstützen aufgestelzt, mit Betonplatten überdacht und stehen auf der von der Straße abgewandten Wiese. Die seitlich vom Gebäude als kleiner Privatgarten für die Bewohner und ihre Gäste bequem möbliert ist. Die schöne alte Kastanie in der vorderen rechten Ecke des Grundstücks wurde nicht geopfert, weshalb die Abstellplätze für die Autos der Bewohner nach hinten rückten, während die Fahrradfahrer ihre Drahtesel links vom Gebäude in einem kleinen hölzernen Verschlag unterbringen können, wo auch der Müll deponiert wird.

4 5 6 Jedes der Wohnmodule  ist identisch. Individualität  bringen die Bewohner durch  persönliche Accessoires in  die Einheiten, die zwar klein  sind, in denen aber praktisch  alles Notwendige da ist.
4 5 6 Jedes der Wohnmodule ist identisch. Individualität bringen die Bewohner durch persönliche Accessoires in die Einheiten, die zwar klein sind, in denen aber praktisch alles Notwendige da ist. ©Jedes der Wohnmodule ist identisch. Individualität bringen die Bewohner durch persönliche Accessoires in die Einheiten, die zwar klein sind, in denen aber praktisch alles Notwendige da ist. Foto: Darko Todorovic

Johannes Kaufmann war es wichtig, architektonisch nichts vorzutäuschen, „was es nicht ist“. Und trotzdem nicht banal zu werden. Was sich am auffälligsten an der straßenseitigen Fassade der Kleinwohnanlage abzeichnet, die durch ein vier Meter breites und sechs Meter hohes Element aus transparenten Kunststoffplatten ein unverwechselbar markantes „Gesicht“ bekommt. In dieses eingelassen ist die schlichte graue, über drei Stufen aus verzinktem Blech erreichbare Eingangstüre, die in das Treppenhaus führt, wo wegen des Fehlens von Kellern bzw. sonstigen Stauräumen für jede Einheit großzügig dimensionierte Kästen aus Holz aufgestellt sind.

Dieses transparente Eingangselement verleiht dem Haus aber nicht nur Charakter, es spendet dem Stiegenhaus auch Licht und lässt das Gebäude nächtens reizvoll aus seinem Inneren leuchten. Eine waagrechte Linie aus Alublech markiert horizontal die Grenze zwischen den Geschoßen an den mit vorvergrauter sägerauer Fichte verkleideten Fassaden. Die Ost- bzw. Westfassaden werden durch je vier Holz-Alu-Fenster strukturiert. Zur Straße hin sind die Fenster schlitzartig klein, Richtung Süden dagegen groß.

Daten & Fakten

Objekt: Kleinwohnanlage Lustenau
Bauherr: Marcel Lerch
Architektur: Johannes Kaufmann Architektur, Dornbirn,
Statik: Merz Kley Partner, Dornbirn

Planung: 3–12/2013
Ausführung: 02/2014–05/2014
Grundstücksgröße: 820 m²
Wohnnutzfläche: 204 m²

Bauweise: Modulbauweise aus ca. 10 Stück 16-18 m² großen Boxen, innen komplett vorgefertigt; Treppenhaus und Fassade vor Ort vorgefertigt montiert; Modulaußenwände Holzrahmenbau ausgedämmt; Innenwände aus Dreischichtplatten mit Beplankung; Betonplatte mit Teilunterkellerung für Heizraum; vorgestellte Balkone aus Stahl und Beton; Warmdach mit Kunststofffolieneindeckung; Holztreppenhaus mit transluzenter Verglasung; Wechselfalz-Fichtenfassade mit Vorvergrauungsanstrich; Holzfenster; Holzfußböden; Bäder gefliest; Treppenhaus mit Kugelgarnteppich; Gasheizung mit Wärmeverteilung über Fußbodenheizung

Ausführung: Baumeister: Fitz, Lustenau; Generalunternehmer Holzbau: Kaufmann Bausysteme, Reuthe; Heizung/Sanitär: Installationen Beer, Au; Elektro: Elektrotechnik Meusburger, Bezau

Energiekennwert: 49 kWh/m² im Jahr
Baukosten: ca. 420.000 Euro

Quelle: Leben & Wohnen – die Immobilienbeilage der VN

Buchpräsentation am Montag, 15. 6. 2015, um 19 Uhr im vai – Friedrich Achleitners Blick auf Österreichs Architektur nach 1945: Rund 1000 von Achleitner selbst aufgenommene Bilder und seine klare Sprache erleichtern den Zugang zu den Themen und Qualitätsaspekten der Architektur. Mehr Info: v-a-i.at

Exkursion am Samstag, 20. 6. 2015, 9.30 Uhr, Treffpunkt vai Marte.Marte Brückentour – im Rahmen der aktuellen Ausstellung „7. Vorarlberger Hypo-Bauherrenpreis 2015“ Info und Anmeldung: v-a-i.at

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