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Kurz zeigt, wie’s geht

©APA (Sujet)
Gastkommentar von Johannes Huber: Gegen den designierten ÖVP-Chef wirken Kern und Strache ziemlich unbeholfen.

Mit Wahlprognosen sollte man vorsichtig sein. Allmählich jedoch kann man zumindest davon ausgehen, dass Sebastian Kurz durchaus Chancen hat, Kanzler zu werden. Zu viel macht er richtig, zu viel machen seine Mitbewerber falsch. Wobei es jetzt nicht um Inhalte geht: Man kann kritisieren, was der 30-Jährige liefert; dafür gibt es sogar sehr gute Gründe. Entscheidend im Hinblick auf den Urnengang am 15. Oktober ist jedoch genauso Handwerkliches. Und da kann es keinen Zweifel geben, wer der Meister ist: Kurz.

Von SPÖ-Chef Christian Kern stammt die Feststellung, dass Politik zu 95 Prozent „Inszenierung“ sei. Das ist wirklich so. Was Kern jedoch verschwiegen hat, ist, dass es nicht ausreicht, irgendeine Show abzuziehen. Es handelt sich vielmehr um eine gewisse Kunst, die Sache so anzulegen, dass sie einem früher oder später nicht auf den Kopf fällt.

Christian Kern sollte wissen, was damit gemeint ist: Mehrere Male schon hat er Erwartungshaltungen geschürt und dann nicht erfüllen können. Bei seinem Versuch, einen Neustart mit der Großen Koalition zu machen, ist er beispielsweise kläglich gescheitert. Das mag vor allem auf die Quertreiber aus den Reihen der ÖVP zurückzuführen sein, genau das hätte Kern jedoch von vornherein einkalkulieren können und sich daher überlegen müssen, ob es überhaupt Sinn macht, von einem Neustart zu reden.

Zuletzt hat Kern ziemlich konkrete Koalitionsbedingungen für die Zeit nach der Wahl definiert. Einkommen bis 1500 Euro pro Monat müssen demnach 2019 steuerfrei werden. Erbschaften ab einer Million Euro müssen künftig wiederum besteuert werde. Und so weiter und so fort. All das mag gut gemeint sein. Kern wird aber kaum einen Partner finden, der bereit ist, diese Bedingungen zu erfüllen. Womit eine weitere Niederlage für ihn bereits absehbar ist.

Ähnlich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: Er kommt mit Koalitionsbedingungen daher, die angesichts der wirklich großen Probleme, mit denen Österreich konfrontiert ist, geradezu lächerlich wirken. Das generelle Rauchverbot in Gastronomiebetrieben muss demnach wieder abgeschafft werden. Einen Heuler, der zum Wahlerfolg führt, ergibt das kaum. Doch was soll Strache machen? Kurz beackert sein Thema („Ausländer“) viel wirkungsvoller als er.

Womit wir wieder zum designierten ÖVP-Chef zurückgekehrt wären: Seine Inszenierung ist ziemlich schlau. Wenn es um Flüchtlingsfragen geht, verweist er darauf, die Schließung der Balkanroute erwirkt zu haben und darauf, dass Probleme im Land eher nur auf Integrationsunwillige zurückzuführen seien. Nicht auf ihn, der als Regierungsmitglied politisch zuständig für diesen Bereich wäre; sondern auf Fremde, die das Sozialsystem ausnützten und sich weigerten, „unsere“ Sitten, geschweige denn Sprache anzunehmen. Die Folge: Kurz kann da nicht mehr schlecht aussteigen. Und der Erfolg („Schließung der Balkanroute“) bleibt ihm.

Abgesehen davon definiert er grundsätzliche Ziele, wie eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote oder eine Stärkung des Persönlichkeitswahlrechts (Stichwort Vorzugsstimmen). Wobei Experten über (fehlende) Details streiten mögen, Kurz das jedoch egal sein kann: Er hat Signale ausgesendet, die auch objektiv gesehen nicht unattraktiv wirken. So ist er für eine Entlastung und will dem Wählerwillen mehr Gehör verschaffen. Darauf beschränkt er sich – im Wissen, dass schon allein das für ein paar Zehntausend Stimmen mehr genügen könnte; und im Wissen, dass einem Details oder gar Bedingungen, wie sie Kern und Strache erheben, letzten Endes nur zum Verhängnis werden könnten.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.

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