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Knapp 1,5 Millionen Euro abgezweigt: Urteil im Prozess um Buchhalterin

Die Frau wurde zu drei Jahren Haft verurteilt.
Die Frau wurde zu drei Jahren Haft verurteilt. ©APA (Sujet)
Am Mittwoch wurde eine 59-Jährige nicht rechtskräftig zu drei Jahren Haft verurteilt, da sie innerhalb eines Jahres als Buchhalterin bei einem Lieferservice knapp 1,5 Millionen Euro abgezweigt hat.

Eine bei einem Lieferservice für Mahlzeiten beschäftigte Buchhalterin, die dort von Mitte 2014 bis Ende November 2015 fast 1,5 Millionen Euro abgezweigt hat, ist am Mittwoch wegen Untreue zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt worden. “Supersmart gemacht”, gestand der nunmehrige Geschäftsführer der Online-Plattform der 59-Jährigen zu.

Buchhalterin zweigte fast 1,5 Millionen Euro ab

“Besonders schwer ist es Ihnen nicht gemacht worden”, relativierte die vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung in Richtung der Angeklagten die Einschätzung des Firmen-Leiters, der zu Beginn des inkriminierten Geschehens noch nicht an Bord des Unternehmens war. Als die Buchhalterin eingestellt wurde, musste sie kein Leumundszeugnis vorlegen. Daraus wäre allerdings hervorgegangen, dass die Frau zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Vorstrafen wegen Betrugs aufwies. Außerdem war gegen sie ein Untreue-Verfahren im Gange, als sie bei dem Essen-Anbieter die Leitung des Rechnungswesens übernahm. Die Buchhalterin hatte sich bei ihrem vorigen Arbeitgeber nicht weniger als 3,2 Millionen Euro zugeeignet.

Während sie sich wegen dieser Sache vor Gericht zu verantworten hatte, besaß sie die Chuzpe, sich parallel Gelder des Essen-Anbieters auf zwei Konten ihres Sohnes zu überweisen, auf die sie Zugriff hatte. Sie selbst stand nämlich auf der “schwarzen Liste” der Banken und verfügte deshalb über kein eigenes Konto mehr. Der Filius – ein mittlerweile 27 Jahre alter Lehrling – bekam von all dem nichts mit. Mit den fast 1,5 Millionen renovierte die Angeklagte ein von ihren Eltern geerbtes Haus, ließ daneben ein neues samt Pool errichten und bezahlte ihre Gläubiger, die ihr in dem anhängigen Strafverfahren, in dem sie im Dezember 2015 zu zweieinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt wurde, zusehends Druck machten.

Angeklagte bekannte sich “ganz schuldig”

Vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Claudia Moravec-Loidolt) bekannte sich die 59-Jährige, die aus der Justizanstalt Schwarzau vorgeführt wurde, wo sie derzeit die zweieinhalb Jahre verbüßt, nun “ganz schuldig”, wie sie betonte. Sie habe “in Verblendung” und “wahnwitzig” gehandelt, gab sie zu Protokoll. Während ihres letztes Gerichtsverfahrens habe sie das Gefühl gehabt, “dass mein Leben aus und vorbei ist und ich halt noch irgendwie versuch’, alles in Ordnung zu bringen”. Ihr Mann – er hat sich mittlerweile scheiden lassen – hätte ihr zum Selbstmord geraten, sie habe aber ihr bereits ihren Kindern überschriebenes Elternhaus sanieren und jenen zuliebe erhalten wollen, sagte die Angeklagte. Deswegen habe sie sich mit Hilfe der PIN- und TAN-Codes, auf die sie Zugriff hatte, Gelder des Essen-Anbieters zugeeignet.

Das Abzweigen des fremden Vermögens war auch insofern bemerkenswert, als die Buchhalterin außergewöhnlich gut verdiente. Begonnen hatte sie mit einem Monatsgehalt zwischen 6.000 und 8.000 Euro. Zuletzt kassierte sie monatliche Honorare zwischen 40.000 und 80.000 Euro. “Ich mache den falschen Job”, bemerkte dazu Staatsanwältin Judith Ziska.

“Ich hab’ gar nicht gut gelebt in dem Sinn. Ich hab’ gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet. Auch am Samstag und Sonntag. Kein Urlaub”, hob die Angeklagte hervor. Bis zu 300 Stunden wäre sie Monat für Monat an ihrer Arbeit gesessen. Ihr wäre kaum Zeit geblieben, um “aufzublicken”. Sie hätte “in dem Wahn gelebt, man hätte mir eine Möglichkeit geschaffen, mich zu sanieren. Das war mein emotionales Schutzschild, dass ich was tu, was ich nicht tun sollte”, erklärte sie hinsichtlich ihrer Malversationen.

Drei Jahre Haft: Urteil nicht rechtskräftig

Die Tathandlungen flogen auf, nachdem die 59-Jährige angekündigt hatte, mit März 2016 aus gesundheitlichen Gründen die Buchhaltung abgeben zu wollen. Zunächst war sie nicht bereit, der Steuerberatungs-Kanzlei, die die Finanzgebarung übernehmen sollte, Datensätze zu übergeben, die weiter als bis zum Jänner 2016 zurückreichten. Als sich ihre schleierhaften Überweisungen nicht mehr verheimlichen ließen, behauptete die Angeklagte zunächst EDV-Fehler bzw. machte geltend, sie habe Beträge flüssig machen müssen, um Sammelklagen von Kunden abzuwehren, bei denen der Essen-Anbieter irrtümlich doppelte Abbuchungen von ihren Kreditkarten vorgenommen hätte. Schließlich legte die Schwindlerin aber doch ein umfassendes Geständnis ab.

“Erst in der Haft bin ich wieder auf den Füßen gelandet”, meinte die Frau. Seither werde sie “zusehends damit konfrontiert, dass ich nicht nur als Staatsbürgerin, sondern als Mutter versagt habe”. Denn ihr Plan, ihren Sohn und ihre Tochter abzusichern, sei nicht aufgegangen: “Das eine Haus ist gar nicht fertig. Meine Kinder haben keinen Nutzen davon.” Zudem laufen Bestrebungen der Online-Plattform, die beiden Immobilien zu veräußern, um auf diesem Weg zumindest eine teilweise Schadensgutmachung zu erwirken. Dass sie selbst dazu kaum einen Beitrag wird leisten können, war der Angeklagten bewusst: “Wenn ich nicht 300 Jahre alt werde, wird’s schwierig werden.”

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die 59-Jährige akzeptierte die Entscheidung, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.

(APA/Red)

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