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Kerns Meister Ludwig

Michael Ludwig beim Donauinselfest.
Michael Ludwig beim Donauinselfest. ©APA/HERBERT NEUBAUER
Gastkommentar von Johannes Huber. Wiens neuer Bürgermeister und SPÖ-Vorsitzender zeigt, wie’s geht. Zumindest in zwei, drei wesentlichen Fragen.

Aus der Wiener Stadtpolitik gibt’s zurzeit nicht viel zu berichten. Und das ist schon eine Überraschung: Was ist nicht alles erwartet worden, als fix war, dass Michael Ludwig sowohl Bürgermeister als auch SPÖ-Vorsitzender werden würde? Von einer Parteispaltung war die Rede. Und daneben ist mit anhaltendem Chaos beim Krankenhaus Nord gerechnet worden. Doch nichts dergleichen ist geschehen.

Stattdessen ist Ruhe eingekehrt: Ludwig hat keine große Rede inszeniert und auch keine besonderen Pläne präsentiert. Er hält sich in den ersten Wochen seiner Amtszeit vielmehr zurück. Interviews gibt er ebenso wenige, wie er öffentliche Auftritte absolviert. Doch das hat schon einmal dazu geführt: Dem 57-Jährigen sind bis heute keine wahrnehmbaren Fehler unterlaufen, er ist noch nicht angreifbar geworden. Weniger ist in diesem Sinne zumindest etwas gewesen.

Zu den wichtigsten Entscheidungen, die er getroffen hat, zählt eine personelle: Die Bestellung von Peter Hacker zum Gesundheits- und Sozialstadtrat. Dem 54-Jährigen eilt der Ruf voraus, ein ziemlich tougher Typ zu sein. Und wirklich: Die größte Baustelle der Stadt, das KH Nord, die nicht nur den Steuerzahlern, sondern auch der Sozialdemokratie zu schaffen macht, hat er gleich einmal entschärft. Im September 2019 müsse das Spital in Vollbetrieb gehen, weitere Kostensteigerungen dürfe es nicht geben, sagt er. Und zwar so, dass sich niemand traut, zu widersprechen, wie das bei seinen Vorgängerinnen Sonja Wehsely und Sandra Frauenberger sehr wahrscheinlich der Fall gewesen wäre.

Mit Hacker hat Ludwig nebenbei auch eine Parteispaltung abgewendet: Als ehemaliger Flüchtlingskoordinator ist er ein zu starkes Signal an die Linken, als dass diese noch einen Grund hätten, sich mit einer eigenen Liste selbstständig zu machen.

Das ist schon einiges, womit Michael Ludwig bisher überrascht hat. Zuletzt tat er es durch seinen Umgang mit dem Superstar der heimischen Politik, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP): In einem Interview schaffte er es, diesen nicht nur nicht zu kritisieren, sondern auch zu signalisieren, dass er in Migrationsfragen ähnlich tickt: Auch er ist demnach schon „immer für geregelte Zuwanderung“, auch er sieht sich in einer „Schutzfunktion für die, die hier schon leben“.

Sofern es für SPÖ-Bundesparteichef Christian Kern nicht zu spät ist, könnte er einiges davon lernen: Erstens, sich selbst viel weniger inszenieren; das hat er vor allem zu Beginn seiner Kanzlerzeit übertrieben. Zweitens, auf kompetente Mitstreiter achten, die nicht andauernd unliebsame Geschichten liefern; im Wahlkampf wurde ihm das zum Verhängnis. Und drittens, Kurz nicht dort angreifen, wo er unschlagbar ist; kommt man ihm in der Flüchtlingspolitik, verliert man eher.

Ob Ludwig im Unterschied zu Kern auch eine Wahl gewinnen kann, ist damit allerdings nicht gesagt. Dazu gehört viel mehr: Zunächst einmal muss es Hacker gelingen, dafür zu sorgen, dass das KH Nord zeitgerecht fertiggestellt wird. Außerdem reicht es nicht, sich in der Flüchtlingspolitik gegenüber Kurz geschlagen zu geben. Ludwig muss den Wählern darüber hinaus schon auch etwas liefern, was sie allein für ihn begeistert. Das fehlt noch.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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