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Kern-Demütigung

©APA (Sujet)
Gastkommentar von Johannes Huber. Beim Kopftuchverbot wird der SPÖ-Vorsitzende letzten Endes tun müssen, was Kurz von ihm erwartet. Zumal das auch im Sinne wesentlicher Sozialdemokraten ist.

Gut möglich, dass SPÖ-Chef Christian Kern die schlimmsten Zeiten in der Politik noch nicht hinter sich hat. Wie er sich als Kanzler vom damaligen Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) ärgern lassen musste, war heftig. Die Niederlage bei der Nationalratswahl war ebenso schmerzlich für ihn wie der Gang in die Opposition, der darauf folge. Doch dort geht’s jetzt weiter. Und zwar in einer ganz brutal demütigenden Art und Weise.

Die Geschichte klingt zunächst harmlos: Regierungschef Kurz und dessen Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) wollen ein Kopftuchverbot für Kindergarten- und Volksschulmädchen. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit auf parlamentarischer Ebene nötig; und für eine solche ist die Zustimmung von Oppositionsvertretern erforderlich. Kern zeigt sich gesprächsbereit, stellt jedoch Bedingungen. Demnach soll ein umfassendes Integrationspaket mit einem zweiten Gratiskindergartenjahr mitbeschlossen werden.

Womit das Verhängnis seinen Lauf nimmt: Kurz und Strache ignorieren das nicht einmal. Sie gehen davon aus, dass Kern früher oder später auch so klein beigeben wird. Aus nachvollziehbaren Gründen: Die öffentliche Meinung ist wohl eindeutig auf ihrer Seite. Schon von daher ist es schier unmöglich, wirklich ernsthaft Bedingungen in dem Sinne zu stellen, dass man unter Umständen bereit wäre, das Kopftuchverbot scheitern zu lassen. Würde man das tun, stünde man am Pranger; und zwar nicht zuletzt auch dem der kampagnenstarken Boulevardmedien.

Das kann sich Kern nicht leisten. Zumal wesentliche Teile seiner Partei das Kopftuchverbot ganz offen unterstützen. Die rechte Hand des künftigen Wiener Bürgermeisters und bereits gewählten SPÖ-Landesvorsitzenden Michael Ludwig spricht sich seit Wochen dafür aus; gemeint ist die Parteimanagerin Barbara Novak. Womit man auch sagen könnte: Kurz und Strache sind so selbstlos, anzugehen, was sie sich wünscht. Will sich Kern da in den Weg stellen? Es wäre nicht zu seinem Vorteil.

Sein Problem ist, dass die Sozialdemokratie im Zusammenhang mit Integrationsfragen alles in allem nicht so tickt wie er. Während ihm ein gewisses „Wir“-Gefühl für In- und Ausländer vorschwebt, strebt zum Beispiel Ludwig eine „Einheimische zuerst“-Politik an; Zuwanderer sollen sich hinten anstellen, wie Nachfolgende an der Supermarktkassa. Und unter diesen Umständen ist es eben ein Leichtes für Kurz und Strache, Kern vorzuführen und zu demütigen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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