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Kenntnis und Vertrauen

Wie soll ein Gewerbebau ausschauen mitten im Bregenzerwald? Was ist die passende Form, das richtige Material? Wie können Neues und Altes, Betriebliches und Privates eine gute Nachbarschaft ergeben? Beim Zubau für die Tischlerei seines Bruders hat Architekt Andreas Mohr diese Fragen präzise beantwortet.
Kenntnis und Vernunft

Vorne herrscht die eilige Betriebsamkeit der Bregenzerwaldstraße. Gemächlicher geht es auf der Rückseite zu, wo Einheimische und Urlauber die ehemalige Trasse der Wälderbahn zum Radeln und Promenieren nutzen. Dazwischen liegt das Gelände der Tischlerei Mohr. Peter Zumthors Haus für den Werkraum ist nicht weit. Nicht nur Tischler Anton Mohr ist dort präsent. Auch seine Brüder, Polsterer Johannes und Architekt Andreas Mohr, sind Teil der renommierten Handwerker-Kooperative. Das verfeinerte Zusammenspiel von handwerklichem Können und durchdachter Gestaltung gehört zur Familientradition. Wenn es ums Bauen geht, zeigt sich das ganz unmittelbar und in bester Qualität.

Für die Erweiterung der Tischlerei war ein Gebäude gefragt, das mehr Platz für die Werkstatt bietet, außerdem Büro und Ausstellungsflächen unterbringen kann. „Oft wird von Bauten geredet,“ erklärt Andreas Mohr seine Herangehensweise an einen Entwurf, „entscheidend sind aber genauso die Plätze und die gesamte Raumsituation.“ Die bestand in diesem Fall aus Werkstatt und Wohnhaus, zwei schlichten Holzbauten mit Satteldach parallel nebeneinander, und einer offenen Fläche dazwischen. Der neue Bauteil wurde um die halbe Länge des Bestands nach hinten gerückt, sodass der undefinierte Restraum zum dreiseitig gefassten Hof wurde. Er bietet nun einen geschützten Ankunftsbereich und verbindet Stammbetrieb, Neubau und Wohnhaus zum Ensemble.

Der Anbau wurde kunstvoll mit der alten Werkstatt verschränkt. Die zu zwei Dritteln verglaste Giebelfläche gewährt tiefe Einblicke ins Innere. Oben im Schauraum, der auch für Besprechungen und Veranstaltungen genutzt wird, sind Stühle, Tische, Bänke und Kommoden zu sehen. Unten, hinter dem Büro- und Empfangsbereich, lassen sich die Maschinen in der neuen Werkstatt ausmachen.

Auf den zweiten Blick fällt das schlanke Strebenwerk der Dachkonstruktion auf. Es verdankt sich einer holzbautechnischen Innovation. „Durch die vom Bestand definierten Raumhöhen und die relativ große Spannweite hatten wir statisch einige Anforderungen,“ erzählt der Architekt von der Suche nach dem geeigneten Tragwerk, „mit unserem Statiker Konrad Merz sind wir auf ein neues Produkt gestoßen, das durch sehr schlanke Querschnitte ideal geeignet war.“ Zum Zeitpunkt der Planung eben erst zur Produktreife entwickelt, ließ sich mit dem Buchen-Furnierschichtholz einer deutschen Firma ein filigranes Sprengwerk mit geringen Bauteilhöhen konstruieren. Das Erdgeschoß und die Ausstellungsfläche im Obergeschoß konnten damit stützenfrei überspannt werden.

Die Zwischenräume der Doppelbinder wurden verglast. So entstanden vier Lichtschlitze, die sich über Wand und Dach ziehen und das Gebäude charakteristisch strukturieren. Die schmalen Streifen sind aber nicht einfach gestalterische Spielerei, sondern eine ganz bewusst gesetzte Maßnahme, um betrieblich und privat ins passende Verhältnis zu bringen. Dass ein Bezug zwischen Wohnhaus und Firma da ist, ohne einander ausgesetzt zu sein.

Innen erzeugt die raffinierte Konstruktion angenehm gegliederte, beeindruckend helle Räume. Durch die weißen Deckenfelder treten die Buchenstreben klar hervor und bestimmen die feine architektonische Wirkung bis ins Detail. Kein Stück Metall ist sichtbar. Die hohen Festigkeitswerte des Materials ermöglichen die traditionell zimmermannsmäßige Ausführung von Versätzen, also Einschnitten in geeigneten Winkelmaßen, die die Druckkräfte übertragen.

„Das Material ist sensationell, was Stabilität und Spannweite betrifft.“ Aber der Architekt warnt vor sorglosem Einsatz. Denn einen Nachteil gibt es: Feuchtigkeit beim Bauen verzeiht die Buche nicht. „Nur verwenden,“ rät Andreas Mohr, „wenn man den Zimmermann sehr gut kennt und wirklich Vertrauen hat.“ Kenntnis und Vertrauen sind also Grundbedingung. Das gilt für die Buche im Speziellen, das gilt für die Zusammenarbeit von Architektur und Handwerk im Allgemeinen. Dass im Bregenzerwald daraus Baukunst auf höchstem Niveau entsteht, zeigt dieses Beispiel einmal mehr.

Daten & Fakten

Objekt Zubau Tischlerei Mohr, Andelsbuch
Bauherr Tischlerei Anton Mohr
Planung DI Andreas Mohr, Wien www.andreasmohrstudio.com
Statik merz kley partner, Dornbirn
Fertigstellung Frühjahr 2015
Hauptnutzfläche 480m²
Bauweise Holzkonstruktion: Sprengwerk aus Furnierschichtholz Buche; Fassade: Schindelschirm Fichte; Deckenausbau: Holzplatten, weiß beschichtet
Ausführung Holzbau: Kaufmann Zimmerei und Tischlerei, Reuthe; BauBuche: Pollmeier Massivholz, Creuzburg (D)

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Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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