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Kein Beweis für Krebs durch Handys

Viele Menschen fürchten die Mobilfunkstrahlung. Klare wissenschaftliche Beweise für ein Gesundheitsrisiko durch heutige Handys gibt es trotz zahlreicher Untersuchungen bisher nicht.

Auch eine neue große Untersuchung, die wegen einer zumindest rechnerischen Risikoerhöhung für Hirntumore bei Langzeitnutzern für Aufregung sorgt, hat keinen Beweis für die Entstehung dieser so genannten Gliome durch das Telefonieren mit dem Handy gefunden. Studienautor Anssi Auvinen mahnt zu Vorsicht bei der Interpretation des auf den ersten Blick möglicherweise beunruhigenden Ergebnisses.

Die Forscher um Auvinen und Anna Lahkola von der finnischen Strahlenschutzbehörde hatten im Rahmen der multinationalen Interphone-Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO 1.522 Gliom-Patienten und 3.301 Gesunde aus Finnland, Großbritannien, Dänemark, Schweden und Norwegen verglichen. „Wir haben keinen Beweis für ein erhöhtes Gliom-Risiko bezogen auf regelmäßigen Mobiltelefongebrauch gefunden“, schreiben die Wissenschaftler im „International Journal of Cancer“ (online vorab veröffentlicht).

Ein mögliches Langzeitrisiko in demjenigen Hirnbereich, der beim Telefonieren am stärksten der Strahlung ausgesetzt sei, müsse weiter sondiert werden, bevor sich hierzu eindeutige Schlüsse ziehen ließen. Zu ähnlichen Resultaten waren auch andere Untersuchungen bereits gekommen.

Für die jetzt veröffentlichte Studie untersuchten die Forscher bei den Krebspatienten den möglichen Einfluss zahlreicher Faktoren auf das Gliom-Risiko. Dazu unterschieden sie unter anderem Viel- und Wenig-, Langzeit- und Kurzzeittelefonierer sowie Nutzer von digitalen und analogen Mobiltelefonen. „Kein signifikanter Zusammenhang wurde über die Kategorien Nutzungsdauer, Jahre seit dem ersten Gebrauch, Gesamtzahl der Anrufe oder Gesamtnutzungsstunden gefunden“, berichten die Autoren.

Statistisch am auffälligsten zeigten sich die Werte für solche Krebspatienten, die seit mehr als zehn Jahren ein Mobiltelefon benutzen und es auf der Seite ihres später entdeckten Hirntumors gehalten hatten. Die rechnerisch ermittelte Risikoerhöhung liegt bei ihnen bei knapp 40 Prozent, allerdings mit einem breiten Unsicherheitsbereich von einem bis 92 Prozent.

„Wegen der Vielzahl der Analysen ist einige Vorsicht bei der Interpretation der Studienresultate nötig“, warnte Auvinen auf Anfrage. „Ich denke, dass die fehlenden Konsistenz der Resultate nahe legt, dass es sich möglicherweise nicht um einen echten Fund handelt.“ So hätten nur leicht veränderte Analysen nicht, wie bei einem echten Zusammenhang erwartet, ähnliche Ergebnisse geliefert. „Mindestens eine Analyse zeigte sogar den umgekehrten Trend, also einen scheinbaren schützenden Effekt“, betonte Auvinen.

Nach Angaben der Forscher beruht das Ergebnis für die Langzeittelefonierer mit vier Prozent Wahrscheinlichkeit auf einem Zufallsbefund. Gemäß der wissenschaftlichen Konvention gelten Studienergebnisse in der Regel dann als „signifikant“, wenn sie mit höchstens fünf Prozent Wahrscheinlichkeit Zufallsfunde sind.

Die Grundaussage der Studie formuliert Auvinen so: „Insgesamt wurde keine (Risiko-)Erhöhung gefunden, aber die Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen (Handy-)Langzeitgebrauch und dem Tumorrisiko auf der Seite, wo das Telefon gehalten wird, rechtfertigt eine weitere Untersuchung.“ Der Epidemiologe Joachim Schüz, der die deutschen und dänischen Interphone-Beiträge mit betreut hat, gibt zu bedenken, dass die Gruppe, bei der jetzt etwas Auffälliges gefunden wurde, sehr klein sei. „In wenigen Jahren wird jedoch vermutlich die Mehrheit der Bevölkerung in diese Gruppe fallen. Allein deshalb muss man das weiter untersuchen.“

So und ähnlich sehen es auch andere Forscher. So wurde bei deutschen Handynutzern ebenfalls kein erhöhtes Hirntumorrisiko beobachtet. Über ein mögliches Risiko für Menschen, die bereits seit mehr als zehn Jahren mit dem Handy telefonieren und in der Regel bereits die sehr viel stärker strahlenden C-Netz-Telefone benutzt hatten, ließ sich jedoch keine abschließende Aussage treffen, hatten die Forscher aus Mainz, Bielefeld, Mannheim und Heidelberg vor rund einem Jahr berichtet.

Und eine im Dezember veröffentlichte Untersuchung von 420.000 dänischen Handynutzern von 21 Jahren Dauer hatte kein gehäuftes Auftreten von Hirntumoren, Akustikgeschwulsten, Speicheldrüsentumoren, Augentumoren, Leukämie und anderen Krebsarten festgestellt. Weitere Klarheit erhoffen sich die Experten nun von der Interphone-Studie der WHO, die noch in diesem Jahr vorliegen soll.

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