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Kaum öffne ich die Augen - Trailer und Kritik zum Film

Vielfach haben sich Filmemacher aus Nordafrika und dem Nahen Osten in den vergangenen Jahren mit dem Arabischen Frühling auseinandergesetzt. Die tunesische Regisseurin Leyla Bouzid setzt ihren Erstlingsfilm "Kaum öffne ich die Augen" kurz vor dieser Zeit an und porträtiert anhand der jungen Titelheldin Farah jene Generation, die später auf die Straße gehen sollte.

Tunis im Sommer 2010. Farah (Baya Medhaffar) ist 18 und hat gerade ihre Schule abgeschlossen. Die Familie rechnet fest damit, dass die kluge junge Frau Ärztin wird – die erste aus den eigenen Reihen. Doch Farahs Leidenschaft liegt anderswo: Sie singt in einer Rock-Band und schreibt die politisch aufgeladenen, kritischen Texte gemeinsam mit dem Gitarristen Borhene (Montassar Ayari). Mit ihm geht sie eine Liebesbeziehung ein, ihre erste. Alles scheint möglich.

Kaum öffne ich die Augen – Die Handlung

Farahs Mutter Hayet (Ghalia Benali) beobachtet all das mit zunehmender Sorge und warnt ihre Tochter, dass es Dinge gibt, die sie als junge Frau in diesem Land nicht tun sollte. Weil der idealistische Vater nicht der Sozialistischen Destur-Partei von Machthaber Ben Ali beitreten will und deshalb nach Gafsa in die Provinz versetzt wurde, ist Hayet mit ihren Bemühungen alleine und spitzt sich der Konflikt zwischen Mutter und Tochter zu. Doch nach und nach bekommt Farahs Sicherheitsgefühl Risse: Die Band gerät ins Visier der Geheimpolizei, Konzerte werden verboten und Borhene wird über Nacht verschleppt, verhört und verprügelt. Farah soll zu ihrem Vater in Sicherheit gebracht werden, doch kurz bevor sie auf dem belebten Busbahnhof in ein Sammeltaxi steigen soll, ist sie unauffindbar.

Kaum öffne ich die Augen – Die Kritik

Hoffnungsvoll, energiegeladen und augenöffnend erzählt Leyla Bouzid, 1984 als Tochter des berühmten Filmemachers Nouri Bouzid in Tunis geboren, von einer jungen Frau, die sich mit Kreativität und Lebenslust gegen familiäre Erwartungen und patriarchalische Strukturen stellt. Farah scheint sich manch Gefahren aufgrund mangelnder Erfahrung aber auch einfach nicht bewusst zu sein, und schaut weg – nach dem Motto: Was ich nicht anerkenne, schränkt mich nicht ein. Als Zuseher wähnt man Schreckliches kommen, gerät Farah doch immer wieder in ungute Situationen, wenn sie als einzige Frau in einer Bar voller betrunkener Männer das titelgebende Lied “Wenn ich die Augen öffne” anstimmt oder bei einer privaten Party sorglos tanzt und alle männlichen Blicke an ihr haften.

Bouzid hat diese Szenen an realen Orten im Untergrund, auf den Straßen und in den Zügen von Tunis gedreht, fängt mit losgelöster Kamera die Blicke der Männer einerseits und die brodelnde Energie einer rebellischen, sich auflehnenden Jugend andererseits ein. Der Clash zwischen dem Kampf um Freiheit und dem Arrangieren mit einem System der Unterdrückung wird auf mehreren Ebenen verhandelt: in der Band, zwischen Mutter und Tochter und unter den Eltern. Die Lieder, die den Film durchziehen, erzählen von Liebe und gesellschaftlichen Verhältnissen und bilden eigene Geschichten in der Geschichte.

Gegen Ende schafft Bouzid es immer weniger, all diese Stränge beisammen zu halten und verliert sich ihr Film ein wenig. Ein starker Einstand ist “Kaum öffne ich die Augen” für die aufstrebende Filmemacherin dennoch – getragen von lebhaften Szenen, nuancierten Darstellungen, gesellschaftskritischen Tönen und einer universellen Aufbruchsstimmung. Am stärksten wirken jene Momente nach, die eine zwar konfliktreiche, aber von tiefer Zuneigung getragene Mutter-Tochter-Beziehung offenbaren. Bei den Filmfestspielen Venedig erhielt “Kaum öffne ich die Augen” den Publikumspreis; Tunesien hat den Film ins Rennen um den Auslands-Oscar 2017 geschickt.

>> Alle Filmstartzeiten zu “Kaum öffne ich die Augen”

(APA)

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