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Jürgen Hermann: Vom Fondsmanager zum gesuchten Mordverdächtigen

Jürgen Hermann sah sich als "Robin Hood" Liechtensteins.
Jürgen Hermann sah sich als "Robin Hood" Liechtensteins. ©Landespolizei Liechtenstein, VOL.AT/Schwendinger
Vaduz (FL) - Die Chronologie der letzten 14 Jahren zeigt, wie aus einem anscheinend vermögenden Fondsmanager ein gesuchter Mordverdächtiger wurde. Vor allem die Rolle der Finanzmarktaufsicht wurde von Hermann angegriffen.
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Die Anfänge

Jürgen Hermanns Karriere als Fondmanager beginnt 2001. Zuvor soll er in Amerika durch seine Erfindungen reich geworden sein. Die Werbung für seinen Fonds ist der liechtensteinischen Finanzmarktaufsicht “zu marktschreierisch”, sie schade dem Ansehen des Finanzstandortes.

Hermann Finance wird im August 2003 unter Aufsicht des Anlagefondsverbandes gestellt, durch den sämtliche Werbemaßnahmen und Interviews abgesegnet werden müssen. Hermann klagt gegen die “Aufsicht durch die Konkurrenz” – und gewinnt den Prozess Anfang 2004.

Als Verwaltungsrat und Geschäftsführer der Hermann Finance kurz darauf “aufgrund unüberbrückbarer Differenzen” mit Hermann zurücktreten, setzte sich dieser interimistisch selbst als Verwaltungsratvorsitzenden ein. Anstatt einen kommissarischen Verwaltungsrat einzusetzen, soll die Finanzmarktaufsicht laut einem Bericht der “Süddeutschen Zeitung” aus dem Jahr 2010 die Anleger über den führungslosen Zustand informiert haben. Investoren zogen bereits seit Bekanntwerden des Monitorings massiv Geld ab, dieser Trend verschärfte sich nun.

Im Oktober dann die Mail von Hermann an das Bankhaus Frick: Hermann Finance sei “mittellos, zahlungsunfähig und überschuldet.”

Das Ende von Hermann Finance

Noch im Oktober 2004 übernimmt die Bank-Frick-Tochter Crystal Fund Management sämtliche Stimmrechtsaktien von Hermann. Dies sei im Sinne des Anlegerschutzes unumgänglich. Bemühungen, neue Investoren zu finden, scheitern. Als sich dann auch die Revisionsstelle der Bank zurückzieht, die die rechts- und statutenkonforme Buchhaltung der AG prüfen soll, steht Hermann Finance vor dem Aus.

Hermann verweigert trotz der angespannten Lage die Auflösung seines Unternehmens. Das Bankhaus Frick reagiert darauf mit der Kündigung ihrer Mandate. Hermann droht damit die Konzession zu verlieren und willigt am 29. April 2005 in die Auflösung von Hermann Finance ein.

Hermann klagt auf Schadenersatz

Am 16. April 2007 fordert Jürgen Hermann von Geschäftsführer Jürgen Frick, dem Bankhaus Frick und Crystal Fund Management einen Totalschadenersatz von 33 Millionen Franken. Hermann unterstellt den drei Beklagten, dass die Liquitation von Hermann Finance von langer Hand geplant gewesen sei. Vom Fürstentum fordert er einen Schadenersatz und Dienstentgang von 200 Millionen Euro.

Das Landgericht Vaduz urteilt am 9. Oktober 2009: “Dass der Kläger mit ‘seiner’ Hermann Finance letztlich gescheitert ist, stellt eine schicksalhafte Verkettung von verschiedenen Umständen und Ereignissen dar, kann jedoch keinesfalls auf ein gezieltes und dahin ausgerichtetes Vorgehen insbesondere des Jürgen Frick zurückgeführt werden.” Die Berufungen Hermanns am Obergericht und Obersten Gerichtshof Liechtenstein scheitern.

Von Klagen zur Postaussendung

Noch vor dem Urteil des Obersten Gerichtshofes im September 2010 erhält Jürgen Frick eine Osterbotschaft von Hermann: “Ihr werdet diesen Krieg verlieren, denn mich kann man nicht besiegen, mich muss man töten und das wird Euch nicht gelingen.” Im September 2011 folgt eine Postwurfsendung an alle Liechtensteiner Haushalte. In dieser spricht er von “Monkey courts” (Affengerichten) und einer Liechtensteiner Mafia.

Erpressung und Drohung

Als das Bankhaus Frick mit November 2011 ankündigt, eine Zweigstelle in London einzurichten, folgt laut Bank die erste Drohung Hermanns. “Ihr habt hiermit 72 Stunden Zeit um mir […] ein annehmbares Vergleichsangebot zu unterbreiten […] andernfalls geht am 11. November 2011 der nachstehende Brief per Email und Einschreiben an die FSA nach London.”

Mit dem angehängten Schreiben versucht Hermann den Eindruck zu erwecken, es stamme von seinem bisherigen Anwalt, indem er dessen Briefkopf verwendet. Dieser distanzierte sich von dem Schreiben. Der britischen Finanzmarktaufsicht sendet er am 14. November das Schreiben mit der Erläuterung seiner Klage – Folgen hat das für die Bank nicht.

Gegenklage der Bank

Am 15. November 2011 zeigt die Privatbank Frick daher wegen versuchter Erpressung an, Hermann reagiert mit einer Gegenklage wegen “Betrugs, betrügerischer Geschäftsbesorgung, arglistiger Täuschung” im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch der Investmentgesellschaft Hermann Finance.

Da der Oberste Gerichtshof bereits am 3. September 2010 gegen Hermann entschied, wird die Gegenklage nicht weiter verfolgt. Ab dem 26. Juli 2012 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Hermann wegen schwerer Erpressung und falscher Verdächtigung gegen Jürgen Frick. Hermann legt Beschwerde gegen die Anklage ein. Das Obergericht gibt ihm Recht, der oberste Gerichtshof entscheidet für die Staatsanwaltschaft. Seit Juli 2013 liegt der Akt beim Staatsgerichtshof.

Psychiatrisches Gutachten: “Gottähnlich”

Die Staatsanwaltschaft beauftragt im Juni 2012 einen Psychiater, über die Zurechnungsfähigkeit Hermanns zu befinden. Da dieser die Untersuchung verweigerte, wurde über seine Veröffentlichungen und Interviews ein Profil erarbeitet. Das Gutachten vom Juni 2012 spricht von einer “ausgeprägte(n) narzisstische(n) Persönlichkeitsstörung” , Hermann zeige “mittlerweile recht bizarre Gedanken in Bezug auf die Grundidee, dass er betrogen wurde.”

Das Gutachten erkennt in den Vergleichen mit Robin Hood und Herakles Größenphantasien, “die schliesslich darin gipfeln, dass er sich quasi gottähnliche Fähigkeiten zuspricht, indem er in der Lage sei, seine ‘unsichtbare Hand’ auf alle die zu lenken, die seinen Zorn erregt haben.” Hermann sehe sich als gesund und im Recht an, und werde daher auch eine Behandlung verweigern.

Waffen der Familie Hermann konfisziert

Aufgrund dieses Gutachtens konfisziert die Landespolizei im September 2012 die Waffen der Familie Hermann. Insgesamt soll es sich dabei um vier Faustfeuerwaffen handeln, die legal auf mehrere Mitglieder der Familie zugelassen sind. Diese Waffen sind bis heute in Verwahrung durch die Polizei, aufgrund des von Hermann ausgehenden Gefahrenpotentials wird der Familie der Waffenbesitz verboten.

Aktuell geht die Polizei davon aus, dass ein Familienmitglied bereits im Folgemonat im Ausland eine neue Waffe für Jürgen Hermann organisierte.

Gegengutachten: “Nicht in optimalem Zustand”

Hermanns Antwort an den Gutachter: “Erfindern ist es nun mal eigen, dass sie nicht nur alles besser wissen, sondern auch alles besser können, denn sonst wären wir noch immer in den Höhlen und würden von Psychos wie Ihnen geführt. Nur ein Idiot kann ein solches Gutachten erstellen.” Ein Gegengutachten von Anfang 2013 bestätigt seine Zurechnungsfähigkeit, auch wenn “sich Jürgen Hermann von seiner Geistesverfassung her nicht in optimalem Zustand befindet.”

Vorläufiger Endpunkt: Mord in der Garage

Am 4. April 2014 versendet Hermann ein Rundschreiben mit dem Titel “Nächster Schlag” gegen das “Fürstendumm Scheissenstein”. In dem Schreiben zieht Hermann Parallelen mit der Judenverfolgung im Dritten Reich, klagt über Willkür-Urteile und kündigt eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an.

Am Morgen des 7. April soll Hermann dem Bankchef Jürgen Frick vor der Tiefgarageneinfahrt der Bank aufgelauert haben und diesen mit drei Schüssen aus einer Faustfeuerwaffe getötet haben. Der mutmaßliche Täter flüchtet nach der Tat ins 20 Kilometer entfernte Ruggell, wo die Polizei gegen Mittag sein Auto findet. Seitdem fehlt von Hermann und der Tatwaffe jede Spur. Am Rheinufer wurden persönliche Utensilien gefunden, unter anderem Notizen die als Abschiedsbrief gewertet werden. Die Polizei vermutet einen Suizid Hermanns, lässt ihn aber auch weltweit über Interpol suchen.

 

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