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Jüdische Museum Wien begibt sich auf die Spuren des Vergnügens

Verschwundenes Vergnügen: Jüdisches Museum Wien flaniert zum Prater
Verschwundenes Vergnügen: Jüdisches Museum Wien flaniert zum Prater ©APA/ MA13(archiv)
Das Jüdische Museum in Wien flaniert zum Prater: Es beleuchtet nun in einer Ausstellung die Geschichte der - weitgehend verschwundenen - Unterhaltungsindustrie im Viertel zwischen dem Freizeitareal und City.

Theater, Cafes und Varietes siedelten sich dort nach der Öffnung des kaiserlichen Jagdreviers 1766 an. Und: Auch das Riesenrad und die Liliputbahn waren Teil des jüdischen Lebens.

Der Bau des Riesenrad

Das Riesenrad wurde 1897 anlässlich des 50. Thronjubiläums von Kaiser Franz Joseph auf einem Areal errichtet, das im Eigentum von Gabor Steiner, dem jüdischen Direktor des Carltheaters stand – der auch die längst nicht mehr existierende Attraktion “Venedig in Wien” realisierte. Nach seinem Bankrott erwarb der nicht mit ihm verwandte Eduard Steiner das heutige Wiener Wahrzeichen. Der Erstbesitzer konnte vor den Nazis in die USA fliehen, Eduard Steiner wurde hingegen in Auschwitz ermordet. Später wurde das Riesenrad an die Familie restituiert, die das berühmte Fahrgeschäft schließlich an ihren Anwalt verkaufte.

Die Liliputbahn hingegen war indirekt sogar dafür verantwortlich, dass sich das Jüdische Museum dem 250-Jahr-Jubiläum des Praters widmet, wie die Direktorin des Hauses, Danielle Spera, bei der Pressepräsentation der ab morgen, Mittwoch, geöffneten Schau schilderte. Ein Wiener Jude, der die NS-Zeit in Wien versteckt überlebte, kaufte die Bahn nach dem Ende des Krieges. Dies habe ihr seine Tochter erzählt, aus dem Gespräch sei die Idee für die Ausstellung entstanden, berichtete Spera.

“Wege ins Vergnügen”

Eingerichtet ist die Sonderschau “Wege ins Vergnügen. Unterhaltung zwischen Prater und Stadt” in einem kleinen Raum im zweiten Stock. Sie beschäftigt sich – wie der Titel bereits darlegt – weder mit dem “klassischen” Wurstelprater oder den weitläufigen Grünflächen, sondern vielmehr mit der Welt rund um Tabor- und Praterstraße. Dort, im einstmals sumpfigen Gelände beim Prater, siedelten sich nach der Vertreibung 1421 ab dem Jahr 1625 wieder Juden an. Ab 1850 wurde die Leopoldstadt schließlich zum Einwanderungsbezirk für jüdische Zuwanderer aus allen Gebieten der Monarchie.

Die Ausstellung erzählt von den wichtigsten Darbietungsorten dieser goldenen Ära. Sie tut dies anhand von Fotos oder Programmzetteln, die auf kleinen Kaffeehaustischen präsentiert werden. Berühmt waren etwa das Leopoldstädter Theater, das Carltheater, die Tanzsäle Odeon und Sperl oder die großen Zirkusbauten. Wenig ist von den Treffpunkten von damals noch übrig. Das beschädigte Carltheater etwa wurde nach dem Krieg abgerissen, der Theatersaal im Nestroyhof immerhin vor einigen Jahren wiederentdeckt und anschließend revitalisiert.

Ausstellung im Jüdischen Museum

Die einst gefeierten Stars werden ebenfalls gewürdigt, wobei Namen wie Heinrich Eisenbach, Abisch Meisels, Gisela Werbezirk oder Gertrud Kraus inzwischen nur mehr wenigen geläufig sind. Doch auch Hans Moser spielte jahrelang in verschiedenen jüdischen Ensembles. Diese waren Fixgrößen im damaligen Vergnügungsgeschehen, zu den prominentesten gehörten etwa die Budapester Orpheumgesellschaft oder die Wilnaer Truppe.

Im Katalog zu der von Lisa Noggler und Brigitte Dallinger kuratierten Schau werden auch Parallelen zwischen der New Yorker Lower East Side und der Leopoldstadt gezogen. Beide waren vergnügliche, aber auch ärmliche jüdische Wohnbezirke. Dass die Migranten sich in Cafes, Lokalen und im öffentlichen Raum trafen, hatte somit nicht nur mit dem Wunsch nach Unterhaltung zu tun, wie dargelegt wird – sondern auch mit prekären Wohnverhältnissen.

>> Mehr über die Geschichte der Stadt im “Vintage Vienna”-Special

(APA)

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