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Insiderblick auf SOKO-Tierschutz Agentin „Danielle Durand“

Verdeckte Ermittlerin wird noch im Dezember einvernommen, VgT Mitarbeiter erzählen über Erfahrungen mit Tierschutz Agentin.

Wien/Wiener Neustadt. Seit März 2010 müssen sich 13 Tierschützer in einem mittlerweile 56 Verhandlungstagen umfassenden Monsterprozess vor dem Landesgericht Wiener Neustadt rechtfertigen. Den Angeklagten wird die Beteiligung an einer kriminellen Organisation nach dem Mafia-Paragraphen 278a vorgeworfen. Über Jahre hinweg wurde gegen die Tierschützer ermittelt, wie vor wenigen Wochen bekannt wurde, auch mit Hilfe einer verdeckten Ermittlerin, die rund 16 Monate im Herzen des Tierschutzes aktiv war. Unter der Legende „Danielle Durand“ ermittelte die Undercover Agentin ab April 2007. Planungstreffen des Vereins gegen Tierfabriken, Kundgebungen, nächtliche Recherchen, Aktivitäten auf internen E-Maillisten und illegale Plakatierungen waren Teil ihres Einsatzes. Neben der Tierschutzarbeit pflegte die Agentin auch intensive Sozialkontakte mit Aktivisten des VgT, schloss vorgeblich sogar Freundschaften.

„Sie war eine Freundin“

Mag. Elisabeth Sablik, VgT Mitarbeiterin und ebenfalls im Tierschutzverfahren verdächtigt, zwischenzeitlich aber frei von Anschuldigungen, erinnert sich an ihre Erfahrungen mit der Agentin: „Ich wurde kürzlich darüber informiert, dass in einem Aktenteil steht, dass
die verdeckte Ermittlerin an einem gewissen Tag als Beifahrerin zu mir ins Auto gestiegen ist. Nach einigen Überlegungen wurde mir klar, dass es sich um Danielle handeln musste, da sie fast immer mit mir unterwegs war. Ich war zutiefst schockiert und in mir kam ein sehr unbehagliches Gefühl hoch. Denn Danielle war mehr als eine Mitstreiterin für das Wohl
der Tiere – sie war eine Freundin. Und ich wurde total getäuscht. Ich habe mit Danielle viele Stunden gemeinsam bei der Tierschutzarbeit verbracht, wir haben Informationsstände abgehalten, haben Tiertransporte recherchiert und waren auf Jagdbeobachtungen, aber auch privat habe ich sie getroffen. Ich habe ihr auch sehr viel Persönliches von mir erzählt und sie hat mir angeboten, dass ich bei Problemen mit meinem damaligen Freund jederzeit zu ihr kommen kann, um mich bei ihr auszuweinen. Wir hatten viel Spaß miteinander, sie war ein sehr offener und lustiger Mensch. Ich war immer froh, wenn sie zu Kundgebungen gekommen ist, weil ich wusste, dass es dann ein nettes Zusammensein geben würde. Wenn sie mir verdächtig vorgekommen wäre, hätte ich nicht soviel Zeit mir ihr verbracht und hätte ihr sicherlich keine privaten Dinge erzählt.“

Agentin mimte sympathische Tierschützerin und Freundin

Mag. Christine Braun ist ebenfalls VgT-Mitarbeiterin und derzeit in Karenz. Sie erinnert sich noch genau an ihre Erfahrungen mit „Danielle Durand“: „Ich lernte Danielle als engagierte Tierschutzaktivistin kennen. Sie war bei Demos, Aktionen und Veranstaltungen dabei und zeigte durch ihr Verhalten, dass ihr Tierschutz ein wichtiges Anliegen ist. Wir führten
gemeinsam Tiertransportrecherchen durch. Bei diesen Recherchen sitzt man stundenlang im Auto und redet natürlich viel miteinander. Ich lernte sie als offenen, witzigen Menschen kennen und sah keinen Grund, ihr zu misstrauen. Wir redeten über alles mögliche, aber hauptsächlich über Männer und Beziehungen, wie es unter Mädels so üblich ist. Sie erzählte von Männern, die sie interessieren und nach einiger Zeit auch über ihren neuen Freund und die Freuden und Schwierigkeiten in dieser Beziehung und auch ich vertraute ihr Persönliches über meine damalige Beziehung an. Dass all dieses stundenlange Reden, alle Inhalte von ihr nur erfunden
waren, um mein Vertrauen zu erreichen, schockierte mich zutiefst, als ich von ihrer wahren Tätigkeit erfuhr. Ich frage mich immer wieder, was so in ihr vorging, wie sie es schaffte, die engagierte, sympathische Tierschützerin zu mimen, die mitfühlende Freundin darzustellen, den Kumpel. Wie schaffte sie die innerliche Trennung zu ihrem Beruf? War wirklich alles gelogen? Ist ihr klar, dass sie mitgeholfen hat, das Leben unschuldiger Personen zu ruinieren? Ich hoffe, dass ein Teil der Person, die ich kennen gelernt habe, tatsächlich existiert und sie beim Prozess die Wahrheit über die Erfahrungen, die sie beim VGT gemacht hat, sagt. Das würde zumindest
ein bisschen etwas wieder gut machen.“

Agentin mit offener, sensibler Art

Auch Eva Kamper war zu jener Zeit, als die Agentin beim VgT eingeschleust wurde, Angestellte der Tierschutzorganisation: „Nichts lässt uns Tierschützer besser zusammenhalten als die gemeinsamen Gespräche über unsere Gefühle gegenüber Tierleid und über unsere Motivation etwas ändern und verbessern zu wollen. Es hilft ein bisschen, sich im Anbetracht der alltäglichen Grausamkeiten gegen Tiere nicht so klein und hilflos zu fühlen. Ich habe mit Danielle viel Zeit verbracht, sie war sogar bei mir zu Hause zu Besuch. Einmal saßen wir und redeten stundenlang, warteten gemeinsam auf einen Tiertransporter, der vom VgT aufgehalten und vom Amtstierarzt kontrolliert werden sollte. Mir ist es unbegreiflich, dass ein Mensch mit dieser lieben, offenen, sensiblen Art so lange Zeit nur Theater spielt und sich nicht spätestens beim Anblick der leidenden Rinder im LKW eingesteht, dass es wichtig ist, Unleid aufzuzeigen und nicht danach weiterhin heimtückisch und gemein unschuldige Menschen ausspioniert.“

Beklemmendes Gefühl

Mag. Felix Hnat, Obmann der Veganen Gesellschaft Österreich, in die sich die Agentin ebenfalls eingeschlichen hatte, kritisiert die reißerische Berichterstattung: „Berichte zum Fall “Danielle Durand” waren in allen Medien zu finden. Leider war ich sehr unzufrieden mit einigen Berichterstattungen, weil viel übertrieben, verzerrt oder falsch dargestellt wurde. Wir haben erst vor einigen Wochen erfahren, dass Dani eine verdeckte Ermittlerin gewesen sein soll. Als ich die Aktenteile das erste Mal gesehen habe bekam ich weiche Knie und konnte es überhaupt nicht fassen. Dani war eine der fleißigsten Aktivistinnen. Egal ob bei Kleider Bauer Demos, Jagdstörungen oder Recherchen, auf sie war immer Verlass. Darüber hinaus hatten wir privaten Kontakt, waren Essen, waren gemeinsam auf Partys und hatten einen super Draht zueinander. Am meisten mochte ich ihre direkte, lustige Art – um ehrlich zu sein mochte ich sie sehr. Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass sie mir das Interesse an mir und am Aktivismus nur vorgespielt hat, ist das echt beklemmend. Nach den Verhaftungen im Sommer 2008 hat sie mich sogar im Gefängnis besucht. Damals hab ich mich so gefreut und jetzt hat das einen fahlen Nachgeschmack. Ich denke ja immer noch, dass sie ein Interesse an Tierschutz hatte und dass ihr das Thema nicht egal war. Ich denke auch, dass es schwierig für sie war. Es war sicher nicht leicht für sie zu sehen, dass wir eingesperrt werden. Ich würde sie aber schon jetzt gerne
fragen, ob sie damals nicht klipp und klar sagen hätte können, dass wir unschuldig sind. Die Tatsache, dass keiner ihrer Berichte/Amtsvermerke im Akt gegen uns vorliegt ist der Beweis dafür, dass sie nichts Verdächtiges oder Kriminelles gefunden haben kann. Ich würde sie einfach fragen: Warum? Immerhin war auch ich wegen ihr mehrere Monate in Haft, habe meinen Job verloren, war in Psychotherapie, habe mein Studium abbrechen müssen und muss nun seit Monaten vor Gericht sitzen.“

Erste Reaktion: Schock und Traurigkeit

Monika Springer, VgT Mitarbeiterin und Angeklagte im Tierschutzprozess unterhielt ebenfalls eine gute Beziehung zur Agentin „Danielle Durand“: „Als Danielle 2007 bei uns im VGT aktiv wurde, habe ich mich ironischerweise sehr darüber gefreut, denn sie war äußerst motiviert.
Gegen Tierleid vorzugehen, war ihr ein großes Anliegen und wir haben jede Woche gemeinsam Stunden am Infotisch gegen Pelz bei Kleider Bauer verbracht. Dabei wurde es mit ihr auch niemals langweilig. Sie war witzig, resolut und keinesfalls auf den Mund gefallen. Man könnte sagen, wir waren auf einer Wellenlänge! Sie war ja damals auch eine der wenigen Aktivistinnen in meinem Alter und so konnten wir uns über bestimmte Themen von Frau zu Frau gut austauschen. Ich denke, wenn ich privat mehr Zeit gehabt hätte, wären wir sicher Freundinnen geworden. Danielle hat mich in persönlichen Dingen ab und an um Rat gefragt, und ebenso habe ich die im Infozelt häufig gemeinsam verbrachte Zeit genutzt, sie nicht nur in Belangen, die mit Tierschutz zu tun haben, um ihre Meinung zu fragen. Genauso haben wir uns gegenseitig von unseren Sorgen und Ärgernissen berichtet. Ja, teilweise wirklich wie Freundinnen. Mir wäre nie in den Sinn gekommen und ich kann es bis jetzt nicht ganz fassen, dass dieser ganze persönliche Austausch und der gemeinsame Einsatz für Tiere einfach nicht “echt” war. Als mir kürzlich gesagt wurde, dass sie eine verdeckte Ermittlerin ist, war meine erste Reaktion Schock und Traurigkeit. Ich bin menschlich sehr enttäuscht worden. Sie war immer so nett und verständnisvoll. Ich glaube, ganz werde ich es erst realisieren, wenn sie am 13. Dezember im Zeugenstand sitzt und ich auf der Anklagebank. Eine seltsame Vorstellung, eine alte Bekannte auf diese Art wieder zu sehen.

Ob die offenen Fragen zur Agentin „Danielle Durand“ geklärt werden können, wird sich am 13. Dezember zeigen. Nach einem Antrag der Verteidigung die verdeckte Ermittlerin als Zeugin zu laden, stimmte Richterin Sonja Arleth zu. Die Vernehmung der SOKO-Agentin wird allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. LAI

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