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In Opas Obstgarten

Die dunkle Fassade nimmt sich in reduzierter Grafik angenehm zurück.
Die dunkle Fassade nimmt sich in reduzierter Grafik angenehm zurück. ©Benno Hagleitner
Schwarzach. 200 Jahre lang stand am Bauplatz eine urige Brennhütte. Das Obst der umgebenden Wiesen wurde hier über Generationen, zuletzt vom Großvater der Bauherrin, in edle Brände verwandelt. Nun hat ein Wohnhaus den Platz eingenommen – mit Achtung für Geschichte und Qualitäten des Grundstücks.
Bilder: Haus DAKL in Schwarzach

In Schwarzach gab es Mitte des vergangenen Jahrhunderts westlich des Ortskerns zwischen Kirche und Bahnstrecke kaum Wohnbebauung. Ausgedehnte Grünflächen mit hochstämmigen Obstbäumen bestimmten das Bild. Nach und nach wurden die traditionellen Nutzungsweisen aufgegeben. Die Flächen waren hingegen als Baugrund sehr geschätzt – bis heute. Reste der vergangenen Landschaft sind immer noch vorhanden und bilden für die entstandene Streusiedlung an Einfamilienhäusern den geschätzten idyllischen Rahmen für ein modernes Wohnen mit ländlichen Anklängen. Wer den Wunsch nach einem eigenen Haus verspürt und zugleich Verständnis und Sinn für dieses sensible Umfeld hat, sieht sich vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Es gilt, räumliche Qualitäten zu erhalten und zu nutzen, die zugleich mit dem neuen Haus ein weiteres Stückchen zurückgedrängt werden.

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1_3_5T5V9556 ©Der geschützte Gartenhof ergibt sich aus der L-förmigen Anordnung von Garage und Wohnhaus. So holt sich das Gebäude den umgebenden Wiesenraum in seine Mitte. Foto: Benno Hagleitner

Das kompakte Holzhaus, das die Bauherrschaft gemeinsam mit Architekt Matthias Hein auf ein geerbtes Wiesenstück in Nachbarschaft zum Elternhaus geplant und gebaut hat, meistert die Herausforderung. In Form- und Farbgebung zurückhaltend, wurde das L-förmige Gebäude so in die nordwestliche Ecke des Grundstücks gelegt, dass der Naturraum im Südosten mit einem benachbarten Streifen Streuobstwiese gefasst wird und dem Wohnen drinnen wie draußen zugutekommt. Da kann auf die übliche, nicht selten unüberlegte Westorientierung der Haupträume leicht verzichtet werden. Als kleiner Kompromiss fand zwischen Garage und Haus ein gedeckter Sitzbereich Platz, der vom innen liegenden Garten nach Westen durchgesteckt ist, sodass auch diese Seite an langen Sommerabenden zu ihrem Recht kommt.

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2_1_5T5V9606 ©Der Esstisch wurde aus dem Holz eines am Grundstück gefällten Birnbaums gefertigt. Auch alles andere ist natürlich: Weißtanne für Boden und Möbel, Lehmputz an Decke und Wand. Foto: Benno Hagleitner

Wohnen im Freien – das war nur einer der Wünsche und Ideen auf einer langen Liste, die die Bauleute über zwei Jahre lang während Exkursionen zu interessanten Wohnhäusern gesammelt hatten und dem Architekten am Anfang der Zusammenarbeit übergeben konnten: „Wir hatten ganz klare Vorstellungen, was es können soll“, meint die Bauherrin, „aber kaum eine Idee, wie das am Ende ausschauen wird.“ Eine Bedingung für die Form gab es allerdings: An ihrer ehemaligen Wohnung schätzten es die beiden, direkt unterm Dach von schrägen Decken behaust zu sein. Diese Gemütlichkeit sollte das künftige Haus auch bieten und deshalb auf jeden Fall ein Satteldach bekommen. Vom ersten Gespräch an nahmen sich Architekt und Bauherrschaft ein Jahr lang Zeit, um alles von der grundlegenden Form bis ins Detail der Einrichtung durchzuplanen.

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2_3_5T5V9609 ©Das Wohnzimmer ist durch eine Kaminwand von Küche und Essbereich getrennt und bei Bedarf mit zwei gut versteckten Türen auch komplett verschließbar. Foto: Benno Hagleitner

Besonderes Augenmerk galt einer bauökologisch möglichst einwandfreien Ausführung. Schadstoffarme und ressourcenschonende Baumaterialien waren nebst vernünftigem Energie-konzept wichtige Anforderungen, die von Architekt wie Bauleiter gerne mitgetragen wurden. So finden sich etwa im Boden ungebrannte Lehmziegel als Speichermasse für die Bodenheizung, für die Wandelemente kamen statt leimgebundener Spanplatten unbehandelte Brettschalungen zum Einsatz, ein weiteres Beispiel ist der feine Sichtputz aus hellem Lehm im ganzen Haus.

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2_4_5T5V9585 ©Fast 100 m² bietet das Haus zum Wohnen im Freien. Die Bauherrschaft (ganz l.), Architekt Matthias Hein (ganz r.) mit „Architekt-in-Ausbildung“ Bastian Nenning in der Laube. Foto: Benno Hagleitner

Dass Holz das konstruktive Grundmaterial ist, scheint da nur konsequent. „Dabei war das nicht immer klar“, wie die Bauherrin von der Exkursionsphase vor dem Entwurf erzählt, „aber wann immer wir von einem Gebäude beeindruckt waren, haben wir festgestellt, dass es ein Holzhaus war.“ An der Fassade dunkel lasiert, sorgt das Holz der heimischen Weißtanne innen für helle Geräumigkeit. Am Boden wurde es sägerau belassen. Das ergibt eine äußerst fußfreundliche Haptik und hebt die fein gearbeiteten Oberflächen und Details von Schrankwand und Möbeln kontrastierend hervor. Besonders edel sind die Tische und eine Bank aus dem Holz der Birnbäume, die für das Haus weichen mussten. Und mit dem Altholz der abgerissenen Schnapsbrennerei hat der Bauherr im Keller eine originelle Hausbar eingerichtet. Die Vorgeschichte des Ortes wird von den Bewohnern wertgeschätzt und setzt sich im Haus und rundherum lebendig fort. Als Erlebnis und Erzählung räumlich nachvollziehbar trägt das zur natürlich-wohligen Atmosphäre bei.


 Daten & Fakten

Objekt: Haus DAKL, Schwarzach
Architektur: Matthias Hein, HEIN architekten, Bregenz; Projektleiter: Bernd Rommel

Bauleitung: Günter Obermair, Bregenz
Statik: Günther Hammerer, planDREI, Andelsbuch

Ingenieure/ Fachplaner: Bodengutachten: Martin Widerin, 3P Geotechnik, Bregenz; Bauphysik: Karl Torghele, Spektrum, Dornbirn; Energiekonzept: Energieinstitut Vorarlberg

Planung: 8/2013–7/2014
Ausführung: 1/2013–2/2015
Grundstücksfläche: 600 m²
Wohnnutzfläche: 151 m² beheizt, 71 m² unbeheizt

Bauweise: Holzrahmenbau auf Massivkeller mit Duktilpfählen; Böden: Lehmformsteine mit Fußbodenheizung, unbehandelte Weißtannendielen; Wände: Holzständer- konstruktion, zellulosegedämmt, außen lasierter Holzschirm, innen Lehmputz; Fenster: Holz-Alu; Möbel: Weißtanne; Beleuchtung: flächenbündige Gipseinbauleuchten; Heizung: Wärmepumpe mit Erdkollektor und kontrollierter Lüftung, Fußbodenheizung, Holzkamin

Besonderheiten: Es wurden fast ausschließlich ökologische Materialien verwendet

Ausführung: Massivbau: Erath Bau, Bregenz; Zimmerer: H. Böhler, Wolfurt; Haustechnik: Dieter Schneider, Schwarzach; Elektrotechnik: Elektro Innovativ, Schwarzach; Fenster: Böhler Fenster, Wolfurt; Einbaumöbel: Tischlerei Übelher, Bizau; Holzböden: Fröwis, Bezau; Lehmputz: Preite Verputz, Bürs; Schlosser: Kalb, Dornbirn; Sonnenschutz: Immler, Andelsbuch; Kaminofen: Büchele, Hard; Licht: Georg Bechter, Langenegg;

Heizwärmebedarf: 26 kWh/m2 im Jahr  


Quelle: Leben & Wohnen – die Immobilienbeilage der Vorarlberger Nachrichten

Für den Inhalt verantworlich
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter architektur vorORT auf v-a-i.at

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