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In der Michaelergruft in Wien: Kunsthistorische Schätze gerettet

Der gebürtige Italiener Pietro Metastasio war Hofdichter und wurde 1782 in der Michaelergruft bestattet
Der gebürtige Italiener Pietro Metastasio war Hofdichter und wurde 1782 in der Michaelergruft bestattet ©Fürthner / PID
Auf den Spuren von Wiens Geschichte: Wer die Michaelerkirche auf dem Michaelerplatz nahe der Hofburg betritt, kann bei genauerer Betrachtung rund hundert steinerne Grabplatten entdecken, die auf Persönlichkeiten aus längst vergangenen Tagen hinweisen.
Michaelergruft in Wien

Historisch noch interessanter wird es nach dem Abstieg über eine schmale, steile Treppe hinab in die Gruft. Die ursprünglichen Einzelgrüfte, die über im Kirchenboden eingelassene Grabplatten zugänglich waren, wurden später miteinander verbunden.

Abstieg in die Michaelergruft

Daher eröffnet sich unten eine rund zweieinhalb Meter hohe Halle mit Nischen und verzweigten Gängen, die in wieder kleinere Räume führen. Zur Orientierung zeigen Hinweise wie “Maria Hilf Capell” oder “Rechtes Seiten Schiff” an der Wand, wo man sich unterirdisch befindet.

In der Michaelergruft stehen nebeneinander aufgereiht insgesamt rund 250 kulturhistorisch wertvolle Särge und Sarkophage aus der Zeit der Renaissance und des Barock, also des 16. bis 18. Jahrhunderts. Damit zählt die Gruft zu den wichtigsten Anlagen dieser Art in Österreich. Die Holz- und Metallsärge stehen auf gestampftem Lehmboden. Verziert sind sie mit Blumen, einem gekreuzigten Jesus oder Totenschädel und geben so Zeitzeugnis ab.

Gemeinsam drohenden Verfall aufgehalten

“Der Charakter des einmaligen Ortes in dem jeder Sarg ein bemaltes Unikat ist, der die Begräbniskultur des Barock darstellt, hat Fachleute verschiedener Bereiche zu uns geführt”, sagt Pater Peter van Meijl, der seit 2002 Pfarrer von St. Michael ist. Er packte bei der Restaurierung selbst mit an und bedauert, dass es kein Fach “Gruftkunde” gibt: “Also mussten wir gemeinsam mit dem Bundesdenkmalamt, der Stadt Wien und der Erzdiözese Lösungen finden, um den Verfall der Särge aufzuhalten”. Mittlerweile gebe es einen Doktoranden, der sich in seiner Abschlussarbeit mit der Gruft befasst “und alles – von Grabbeigaben wie Wachskreuze, Rosenkränze und Eheringe, über Bekleidung bis zu den Totenbüchern – richtig aufarbeitet”, freut sich Pater Peter über das Interesse.

Michaelergruft: “Barocke Sterbekultur in echt”

Wer eine Führung durch die Gruft mitmacht, erfährt zum Beispiel, dass der größte Holzsarg, aufwendiger gearbeitet als alle anderen, die Überreste des prominentesten Toten birgt: Pietro Metastasio (1698-1782), Hofdichter und Librettist im 18. Jahrhundert. Nach ihm ist die Metastasiogasse in unmittelbarer Nähe, bei der Minoritenkirche, benannt. Das “Andocken an die heutige Zeit” ist für den Pfarrer von St. Michael eine wichtige Aufgabe seitens der Kirche.

“Bei uns ist alles echt, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirkt. Vor allem Schulkinder, die durch unsere Gruft geführt werden, kommen aus einer völlig anderen Welt. Hier unten werden sie sehr still. Wir zeigen ihnen barocke Sterbekultur in echt und den Umgang mit dem Tod, aber sie sollen mit einem guten Gefühl wieder nach oben gehen”, betont Hausherr Pater Peter.

Michaelergruft birgt Mumien im Seidendamast

Um die Totenruhe zu wahren, sind nur wenige der Holzsärge offen. In einem ist eine vor rund 300 Jahren verstorbene Frau zu sehen. Von Staub bedeckt, bekleidet mit einem verzierten Lederschuh und einem ehemals schwarzen Gewand mit Rüschen aus Seide wirkt sie, als wären ihre Knochen aus Papier. Eine männliche Mumie ist verborgen in einer Nische und erst eine Taschenlampe erhellt das Grab. “Es hat sich gezeigt, dass nur Seidenstoffe erhalten blieben, Wolle ist längst zerfallen”, sagt Manuela Legen-Preissl, die im Team des Wiener Landeskonservators des Bundesdenkmalamtes von Anfang an dieses Projekt betreut.

Die Mumifizierung wurde vermutlich durch die Belüftung und die Art der Bestattung ermöglicht: “Die Verstorbenen wurden mit einem Leichentuch auf Sägespäne und Stroh gebettet. Dazu kam die Luftzirkulation aufgrund der Öffnungen in den Wänden, die aber im Zweiten Weltkrieg verschlossen wurden”, so Legen-Preissl. Durch das Verschließen wurde der Zerfallprozess in Gang gesetzt.

Denkmalpflegerin: Ein Klimakonzept gegen Käfer

“Zu Beginn wurde der Schaden aufgenommen, den die damals aus Platzgründen übereinander gestapelten Särge genommen hatten”, erzählt die Expertin. “50 der Sarkophage wurden in akribischer Kleinarbeit von HolzrestauratorInnen gereinigt, vom Schimmel befreit und teilweise holztechnisch gefestigt beziehungsweise ergänzt. Anschließend haben sie die Oberflächen und Fassungen konserviert und gesichert, aber nichts ist retuschiert”, betont Manuela Legen-Preissl. Die Gebeine lagerten während der Restaurierung in modernen Särgen und wurden anschließend wieder sorgsam umgebettet.

Nach Jahren der Restaurierung stehen im Hauptgang nun wieder die 50 konservierten Holzsärge, auf einem erhöhten Kupfergerüst, damit sie dem feuchten Boden weniger stark ausgesetzt sind. Alle Sarkophage wurden katalogisiert, nummeriert und in Pläne eingetragen – so sollen die wertvollen Raritäten die nächsten 300 Jahre überstehen. “Gemeinsam mit Fachleuten der Universität für Bodenkultur konnte dem bis dahin unbekannten Rüsselkäfer Einhalt geboten werden. Um ihn für immer los zu werden und das Raumklima in der Michaelergruft dauerhaft zu stabilisieren, wurde ein spezielles Klimakonzept entwickelt”, sagt die Denkmalpflegerin. So wurden eine Klimaanlage und Entfeuchtungsgeräte installiert. Im Zuge dieser Arbeiten wurde das Schichtprofil des Gruftbodens besser herausgearbeitet, der rund um die Reste einer in den 1950er Jahren entdeckten römischen Mauer zu sehen ist. Laut beigezogenem Archäologen stellt die Mauer eine Fortsetzung der Ausgrabungen auf dem Michaelerplatz dar.

Restaurierung der Michaelergruft

Die Gesamtkosten für die Restaurierung dieser sensiblen Zeugnisse barocker Grabkultur betrugen 550.000 Euro. Die Finanzierung ermöglichten Erzdiözese Wien, Bundesdenkmalamt und der Altstadterhaltungsfonds der Stadt Wien. 1972 wurde der Wiener Altstadterhaltungsfonds aufgrund des drohenden Abrisses des Spittelberger Biedermeier-Ensembles gegründet. Seit dem wurde die Restaurierung von 4.450 historischen Objekten mit 239 Millionen Euro unterstützt.

Mehr Informationen zur Michaelergruft bzw. Michaelerkirche finden Sie hier.

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