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"In der Judenstadt" von Claudia Erdheim: Wien im 17. Jahrhundert

"In der Judenstadt": Claudia Erdheim über Wien im 17. Jahrhundert
"In der Judenstadt": Claudia Erdheim über Wien im 17. Jahrhundert ©Czernin Verlag/Angela Schneider
Ein kaum bekanntes Kapitel Wiener Stadtgeschichte beleuchtet Claudia Erdheim in ihrer neuen Erzählung "In der Judenstadt". Sie berichtet darin über ein halbes Jahrhundert jüdischen Lebens in Wien.

Erdheim erzählt, wie die Wiener Juden von 1624 bis 1670 gezwungen waren, sich im Unteren Werd außerhalb der Stadtmauern “In der Judenstadt” anzusiedeln.

Wiener Juden in Leopoldstadt abgeschottet

Die Gegend rund um Taborstraße und Karmelitermarkt war jenes nach außen hin abgeschottete Siedlungsgebiet auf dem anderen Donauufer, das den Wiener Juden per kaiserlichem Dekret zugewiesen wurde. Nur gnadenhalber konnten sie für ihre Geschäfte eine Anzahl von Gewölben in der christlichen Stadt behalten, durften sie jedoch in der Nacht und am Sonntag nicht betreten. Die beständigen Anfeindungen und Angriffe durch den Wiener Pöbel und aggressive Studenten, der Versuch, ihnen Ritualmorde oder sonstige Religionsschändungen anzuhängen, die völlige Abhängigkeit von Schutz und Gunst des Kaisers zählen zu jenen Dingen, die Erdheim besonders gut herauszuarbeiten versteht.

Claudia Erdheim über Wien im 17. Jahrhundert

Die 70-jährige Wiener Philosophin und Autorin (“Bist du wahnsinnig geworden?”, “Herzbrüche”, “Betty, Ida und die Gräfin” u.a.) hat für ihr Buch zahlreiche historische Quellen studiert und hält auch ihren Erzählstil betont nüchtern. Sie konzentriert sich zwar vor allem auf das Leben einiger Protagonistinnen, deren Alltag von beengten Wohnverhältnissen, prekären sanitären und gesundheitlichen Verhältnissen, ständigen Schwangerschaften und hoher Kindersterblichkeit geprägt wird, hält sich aber mit plastischen Ausschmückungen und psychologischer Unterfütterung der Fakten zurück. Erdheim lässt das, was sie den Quellen entlocken konnte, für sich selbst sprechen.

“In der Judenstadt”: So lebten die Juden in Wien

So entsteht das Bild eines Zusammenlebens, das für die Juden Wiens vor allem hohe Steuerlast und ständige Anfeindung bedeutete. Dass sie nachweisen können, durch ihre Handelstätigkeit zum Wohlstand der Stadt entscheidend beizutragen, nützt ihnen nichts. Aus- und Abgrenzung, Diskriminierung bis hin zur Pogromstimmung kennzeichnen das Klima, in dem sie in der immer wieder vom gewalttätigen Mob heimgesuchten “Judenstadt” leben, bis Kaiser Leopold I. auf Betreiben seiner Gattin den judenfeindlichen Stimmen seiner Umgebung nachgibt und sie 1670 des Landes verweist. Die Wiener Juden werden in alle Richtungen verstreut, einige können sich unter dem Schutz des Fürsten Esterhazy rund um Eisenstadt ansiedeln. Die Wiener jedoch nennen die nunmehr judenfreie Judenstadt aus Dank für den Kaiser künftig: Leopoldstadt.

Claudia Erdheim: “In der Judenstadt”, Erzählung, Czernin Verlag, 144 S., 18,90 Euro

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(apa/red)

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