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"In den Schuhen der Wiener Polizei": Extreme Einsätze als Selbsterfahrung

E xtreme Polizeieinsätze als Selbsterfahrung - Oft letale Fehler
E xtreme Polizeieinsätze als Selbsterfahrung - Oft letale Fehler ©APA/HERBERT PFARRHOFER
Extreme Situationen sind bei der Wiener Polizei keine Seltenheit. Am Freitag durften Journalisten den Beamten über die Schulter schauen und bei einem Training mit dabei sein.

“Jetzt host ma die Kieberer ah no auf’n Hois g’hetzt”, brüllt der höchst erregte Mann, der gerade noch den Autoreifen seines Widersachers aufschlitzen wollte. Auf die viel zu zaghaften Ansprechversuche der beiden Polizisten reagiert er, indem er sein Messer auf sie richtet. Zum Glück war diese Situation nur Training. Am Freitag durften sich Journalisten in Wien als Polizisten versuchen.

Der Alltag der Wiener Polizei

Angeleitet von Einsatztrainern der Wiener Polizei versuchten die Medienvertreter, Extremsituationen, wie sie Polizisten im Alltag immer wieder erleben, erfolgreich zu bewältigen. Wobei erfolgreich bedeutet: Möglichst ohne Schuss- oder sonstigen Waffengebrauch eine Situation regeln, ohne dass einer der Beamten, der Widersacher oder Unbeteiligte verletzt, geschweige denn getötet werden. Um es vorweg zu nehmen: Im realen Leben wäre der Blutzoll im Übungskeller des Erdberger Gebäudes (Wien-Landstraße) enorm gewesen. Die Journalisten scheiterten samt und sonders an den ihnen gestellten Aufgaben, die sie mit Übungs-Dienstpistolen und mit Wasser gefüllten Pfefferspraydosen bewältigen sollten.

POLIZEI-EINSATZTRAINING F†R JOURNALISTEN: ALBRECHT
POLIZEI-EINSATZTRAINING F†R JOURNALISTEN: ALBRECHT

Polizisten müssen sich einmal im Jahr solchen Einsatztrainings stellen, bei denen Extremsituationen geübt werden, erläuterte der Kommandant der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung, Ernst Albrecht, vorweg. Dabei gehe es de facto darum, dass der jeweilige Beamte in der Lage sei, seine Dienstwaffe verantwortungsvoll zu führen. 31 hauptamtliche Einsatztrainer stehen dazu zur Verfügung, dazu kommen noch einige nebenberufliche. Die Vorgangsweise wird hinterher auch im Videostudium analysiert.

Gebrauch von Schusswaffen selten

Albrecht sagte auch, dass es am besten ist, durch Film und Fernsehen gewonnene Vorstellungen möglichst schnell über Bord zu werfen. Im wahren Leben benötige ein von einem Schuss getroffener Delinquent eben nicht 100 Meter zum Zurückprallen, wenn ihn das Projektil treffe, bis er dann weiter weg zum Liegen komme. “Normalerweise bleibt er stehen und schaut einmal”, so der Oberst. Schusswaffengebräuche der Polizei in Wien gebe es in “0,0 irgendwas Prozent der Einsätze.” In einem Video wurde gezeigt, das der Pfefferspray auch nicht das Allheilmittel ist. Er wirke, aber erst mit einer Zeitverzögerung, die mitunter die Getroffenen für 20 bis 30 Sekunden noch rasender machen, bevor sie aufgrund der Wirkung ihre Angriffe aufgeben.

Und dann gibt es noch den Taser, mit dem Angreifer über zwei Nadelelektroden, die ihnen in den Körper geschossen werden, durch kurzfristige Stromstöße mit sehr hohen Spannungswerten gestoppt werden. Dafür benötige man aber einen gewissen Mindestabstand, damit die Waffe wirkungsvoll ist.

POLIZEI-EINSATZTRAINING F†R JOURNALISTEN: ALBRECHT
POLIZEI-EINSATZTRAINING F†R JOURNALISTEN: ALBRECHT

Dann ging es für die Medienvertreter in medias res: Mit Schutzkleidung und Übungswaffen sollten sie in Zweierteams, wie bei der Polizei üblich, aggressive und mit Messern bewaffnete Verdächtige ausschalten. Von der Information darüber, welche Art von Einsatz man vor sich haben könnte, angefangen galt es, eine Fülle von Aspekten zu beachten. Ziel war, den Aggressor möglichst ohne Waffeneinsatz zum Aufgeben zu bewegen und sich dabei nicht selbst in Gefahr zu bringen. So musste man mit seinem Partner absprechen, wer den Einsatz führt. Es galt, sich selbst einen Fluchtweg offenzuhalten, damit man Platz zwischen sich und dem mit einem Messer bewaffneten Mann schafft. Die beiden Testpolizisten durften einander auch nicht im Weg stehen.

Training bei der Wiener Polizei

Zumindest der Pfefferspray kam in allen Fällen zum Einsatz, was bei einer ernsthaften Messerattacke wohl ohnehin zu wenig gewesen wäre, wie die Instruktoren meinten. Selbst schon auf dem Boden liegend, kam der Gegner noch zum Einsatz seines Messers und verletzte die “Polizisten”, die ihm unvorsichtigerweise zu nahe kamen. Auch die APA hätte wohl nicht mehr über das Training berichten können, wenn das Messer echt gewesen wäre. Bei einer zweiten Aufgabe, bei der die Journalisten zu viert einen Streit zwischen einem Würstelstandbetreiber und einem aggressiven Kunden zu schlichten hatten, wurde es noch schwieriger, weil die Koordination zwischen vier beteiligten Beamten weit komplizierter ist.

POLIZEI-EINSATZTRAINING F†R JOURNALISTEN

Wenn es für die Testpolizisten ohne Verletzung abgegangen wäre, hätte wohl in vielen Fällen der Aggressor tödliche Verletzungen erlitten. Am Freitag beim Training bekamen die Darsteller einige Projektile in ihre Rücken. Hätte es sich nicht um eine Übung gehandelt, hätte ein paar Monate später wohl ein Richter über die Rechtmäßigkeit des Schusswaffengebrauchs befinden müssen. Nicht alle der “Polizisten” wären dabei ungeschoren davongekommen, meinten die Instruktoren.

(APA)

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