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In den Gängen - Kritik und Trailer zum Film

Ein tiefer Blick in die Seele, ein tiefer Blick ins Herz: Ein öder Großmarkt in der ostdeutschen Provinz ist Schauplatz von Thomas Stubers wunderbar ästhetisch-poetischem Film "In den Gängen", der gleichermaßen Milieustudie und Liebesfilm ist. Hier kommen sich Christian (Franz Rogowski) und Marion (Sandra Hüller), die schon lange nicht mehr auf der Sonnenseite des Lebens stehen, langsam und bedächtig näher.

Langsam gehen die Lichter aus und die Betriebsamkeit des Tages legt sich. Zu den Klängen von Bach stimmt Vorarbeiter Rudi (Andreas Leupold) im Stile eines Radiomoderators feierlich alle über das Mikrofon ein: “Willkommen in der Nacht, Kollegen!” Ein Großmarkt in der Provinz, irgendwo im ostdeutschen Niemandsland gelegen, ist der Schauplatz des poetischen Films “In den Gängen”. Ab Freitag im Kino.

In den Gängen: Kurzinhalt zum Film

Dem Werk von Thomas Stubers haftet fast etwas Utopisches an – hier werden die Arbeiter noch per Handschlag in die Nacht entlassen. Keine Frage, dieser Großmarkt mag auf den ersten Blick ein trostloser Ort sein, aber er gibt all den wackeligen Existenzen ein wenig Halt, ein wenig Sicherheit.

“Wir sind eine gute Truppe”, meint Bruno (Peter Kurth) aus der Getränkeabteilung. Mehr muss nicht gesagt werden, und viele Worte werden in dieser verschworenen Gemeinschaft der verlorenen Seelen auch nicht gemacht. Einer der ganz großen Schweiger in diesem ganz eigenen Universum ist der neue Kollege Christian (Lola-Preisträger Franz Rogowski), der “Frischling”, der in den ersten 30 Minuten außer seinem Vornamen, “gut” und “ja” kein Wort herausbekommt und meist wie ein verlassener Welpe traurig blickt.

Das aber ändert sich, als ihm zum ersten Mal Marion (Sandra Hüller) aus der Süßwarenabteilung auffällt. Ausgerechnet im Tiefkühllager, das hier Sibirien genannt wird, taut Christian zwischen Pizza und Fisch so richtig auf. Und so kommt es zwischen “Süßwaren-Marion” und dem “Frischling” zu einem der schönsten Filmküsse der vergangenen Jahre.

In den Gängen: Die Kritik

Diese kalte, nüchterne und von Neonlicht beschienene strenge Architektur wird hier zu einem fast magischen Raum voller Leben und Warmherzigkeit, eingefangen in langen und ruhigen Einstellungen. Wobei die Geometrie des Raumes in seiner festen Struktur den Arbeitern gleichsam als Gerüst für das eigene Leben dienen kann, denn außerhalb des Großmarktes herrschen Gewalt, Einsamkeit und Verzweiflung. Das ganze Drama des Lebens, das in der Gemeinschaft des Großmarktes zumindest gemildert wird.

Sie sind Gestrandete, die vielfach auch durch die Wende zu Verlierern wurden. Ein qualvoll sezierendes und tristes Sozialdrama ist “In den Gängen” dennoch nicht geworden. Neben einer vortrefflichen Milieustudie ist es vor allem die Geschichte von Christian und Marion, die Stubers Berlinale-Beitrag zu einem der schönsten deutschen Liebesfilme der jüngeren Vergangenheit macht, in dem das Alltägliche einen ganz eigenen Zauber erhält und die Gabelstapler zum Donauwalzer von Johann Strauß durch die Gänge tanzen. Allein wie sich Christian vom Tollpatsch zum behänden Gabelstaplerfahrer wandelt, hat seine ganz eigene wunderbare Dramatik und Spannung.

Die ganze Misere dagegen fängt Thomas Stuber in seinem ästhetisch durchkomponierten Film vor allem mit einem immer wiederkehrenden Bild ein, wenn Christian nächtens allein bei kaltem Neonlicht an einer Bushaltestelle wartet. Der einsamste Mensch der Welt. Besonders trist aber sind die immer wieder prominent ins Bild gerückten Küchen der abgewohnten Behausungen, die an Abscheulichkeit kaum zu überbieten sind.

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(APA)

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