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Hoffen, Fluchen und Trinken - aber auf Südkoreanisch

Südkorea liefert auf der Viennale 2009 starke Beiträge: Am ersten Programmtag wurden das Kinder-Drama "Treeless Mountain" und der Teenager-Roadmovie "Daytime Drinking" auf dem Wiener Filmfestival gezeigt.

Das südkoreanische Kino präsentiert sich bei der Viennale 09 mit vielversprechenden Arbeiten junger und wenig bekannter Filmemacher, darunter zwei Debüts. Schon am morgigen Freitag, dem ersten Programmtag, kann man sich im Kinder-Drama “Treeless Mountain” und dem Teenager-Roadmovie “Daytime Drinking” davon ein Bild machen, später in der ersten Festivalwoche folgt der Gangsterfilm “Breathless”. Alle handeln sie von der Tristesse des Daseins – in ihren weit verbreiteten Ausdrucksformen Gewalt, Enttäuschung und Humor.

Zum Weinen ist das Schicksal der sechsjährigen Jin und ihrer kleinen Schwester Bin in “Treeless Mountain” (2008). Von ihrer Mutter bei der alkoholkranken Tante zurückgelassen, hoffen die zwei Mädchen, durch Befüllen ihres Sparschweins deren Rückkehr zu bewirken. Die seit dem zwölften Lebensjahr in den USA beheimatete Regisseurin Kim So-yong verarbeitet in ihrem zweiten Spielfilm eigene Kindheitserlebnisse, auf tränenreiche Effekte verzichtet sie zugunsten der genauen Beobachtung der Kinder beim Spielen, Warten, Hoffen und Zanken. Die Kamera im Doku-Stil distanziert und wackelig, staunt der Betrachter über die natürliche Präsenz der beiden Hauptdarstellerinnen. So hält der bei der Berlinale mit einem Nebenpreis ausgezeichnete Film auch ohne wirkliche Handlung bis zum Ende die Kinobesucher in seinem Bann. Detail für Hipster: Wie in “In Between Days” (Viennale 06) setzt Kim auf einen Soundtrack der US-Shoegazer Asobi Seksu. (23.10., 13.00 Uhr, Stadtkino)

Schwermut mit Humor verbindet “Daytime Drinking” (Originaltitel: “Natsul”, 2008), das beinahe im Alleingang produzierte Debüt von Regisseur Noh Young-seok. Von der Freundin verlassen und den Kumpels versetzt, landet der junge Hyuk-jin verkatert in einem Provinznest, viele Stunden entfernt von Seoul. Es beginnt eine gemächlich erzählte Odyssee über die vereisten Landstraßen Südkoreas, der traurige Held trifft eine Poetin und ein Diebespaar und landet auf der Couch eines Truckfahrers mit Hintergedanken. Dazu gibt’s Alkohol, Alkohol und heiße Nudeln mit Alkohol. Ein an diverse Kifferkomödien erinnerndes Roadmovie mit lakonischem Witz, an dessen Ende ein Neuanfang steht. (23.10., 15.30 Uhr, Gartenbaukino)

Vor Wut und Verzweiflung beinahe zu zerspringen scheinen die Figuren in “Breathless” (OT: “Ddongpari”, 2008), dem Regie- und Drehbuch-Debüt des durch eine TV-Rolle bekanntgewordenen Yang Ik-june. Er spielt die Hauptrolle des Geldeintreibers Sang-hoon, bei dem die Fäuste genau so locker sitzen wie der reiche Schatz an Schimpfwörtern – seinen kleinen Neffen nennt er schon einmal Bastard, seinem Vater zahlt er dessen frühere Brutalität mit gleicher Münze zurück. Erst ein vom Schicksal ebenfalls nicht verwöhntes Schulmädchen kann dem dauerfluchenden Schläger Paroli bieten. Die Wortgefechte der beiden sind voll derbem Witz und geheimer Zuneigung, doch die Spirale der Gewalt dreht sich weiter. Eine Lektion in sinnloser Gewalt und dunkelschwarzem Humor, schön fahrig gefilmt aber etwas lang, in Rotterdam mit dem Tiger Award ausgezeichnet. (26.10., 18.00 Uhr, Gartenbaukino)

Neben diesen drei Arbeiten ist auch der vielfach preisgekrönte südkoreanische Viennale-Stammgast Hong Sang-soo wieder mit dabei. Diesmal mit “Like you know it all” (OT: “Jal Aljido Mothamyeonseo”, 2009). Wie immer wird auch hier viel getrunken, diesmal von einem ungeschickten Regisseur, der Hong nicht unähnlich zu sein scheint. Hong ist zudem mit dem kurzen Liebesdrama “Lost in the Mountains” im digitalen Filmprojekt “Visitors” des südkoreanischen Festivals von Jeonju vertreten. Die Viennale 09 bietet also reichlich Material für alle, die sich in südkoreanischen Gefühlslagen, Trinksitten und Schimpfwörtern weiterbilden wollen.

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