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Hermes Phettberg war noch nie bei der Viennale

Vom Star im Rampenlicht zum Sozialfall - Hermes Phettberg, kennt die Höhen und Tiefen des Lebens nur zu gut. Sein alter Freund und Entdecker Kurt Palm hat ihm nun einen Dokumentarfilm gewidmet.

Hermes Phettberg war in seinem Leben schon vieles, vom Pastoralassistenten zum ÖVP-Mitglied bis schließlich zum schillernden Fernsehmoderator der „Netten Leit Show“ im ORF. Selbstdarstellung in jeder Form war angesagt, doch dann kam der Abstieg – und Hermes Phettberg verschwand, einmal dick, einmal dünn, in der Versenkung. Aus dieser hat ihn der Schriftsteller und Theatermacher Kurt Palm mit seinem Film „Hermes Phettberg, Elender“ rausgeholt.  
  
„Ich war noch nie bei der Viennale, will mich jemand dafür hauen“, rief Phettberg gestern ins Publikum im Wiener Gartenbaukino. Die Lust an der Provokation ist ihm also geblieben. In Palms Doku sind Szenen dieser Lust zu sehen: Als er sich nackt ausstellt, schafft Phettberg es in deutsche Fernsehshows wie zu Sandra Maischberger. Als Moderator der „Netten Leit Show“ freut er sich vor allem über ein fixes Gehalt, wie er Robert Hochner in einem „Zeit im Bild“-Ausschnitt verrät.  
  
Im Zwiegespräch lassen Phettberg und Palm das Leben der einstigen bunten Wiener Szenefigur Revue passieren. Hauptdrehort ist Phettbergs Wohnung, durchbrochen mit den – für Palm inzwischen typischen – grafisch-comicartigen Einwürfen. Und Palm schafft es tatsächlich, sich sehr behutsam an die Person Hermes Phettberg anzunähern. Phettberg wird nicht vorgeführt, sondern berührend und dezent als ein Mann gezeigt, der nun in Armut lebt und aus dieser wieder raus möchte. „Aber es benützt mich ja niemand.“  
  
„Phettberg, Elender, nur kein Mitleid“ wäre „ein schöner Titel“, meinte später Peter Kern, sich freuend, dass beide Filme am gleichen Tag ihre Premiere feierten. „Das passt wirklich gut zusammen.“ Eigentlich gilt der Aufruf „Nur kein Mitleid“ jedoch für die Schweiz, die sich ihren Zustand – „selbstgefällige Mittelschicht, blühender Kapitalismus, institutionalisierte Ausländerfeindlichkeit“ – selbst zuzuschreiben habe. Schließlich habe der umstrittene National-Konservative Christoph Blocher gerade die Wahlen gewonnen – „die Schweiz eskaliert“, waren sich der Filmkritiker Olaf Möller und Kern gestern einig. „Stellen Sie sich vor, was los wäre, wenn Haider bei uns die Wahl gewinnen würde.“  
  
Oberflächlich ist von dem Politischen wenig zu sehen in Kerns Film, der „allen Selbstmördern“ gewidmet ist und im 15-minütigen Abstand Namen aus dem Schweizer Telefonbuch auflistet – eine nicht gerade subtile Kritik an den „Bürgern der Schweiz“. Subtilität ist aber ohnehin nicht Kerns Gebiet: Wenn er einen jungen Bungeespringer, dessen Seil gerissen ist und der seither blind ist, begleitet und dabei auf die hohe Selbstmord-Rate hinweist, die der Gantner-Brücke zu eigen ist, läuft dazu im Hintergrund das „M.A.S.H.“-Thema „Suicide Is Painless“. Aber eigentlich geht es Kern dabei stets um ganz etwas anderes.  
  
Wenn er die Hunde-Therapeutin Patricia begleitet, deren Beagle als Streichel- und Zuneigungs„objekt“ für Demenzkranke oder Unfallopfer herhält, dann klingt zwischen den Zeilen auch Kritik an der Zwei-Klassen-Medizin durch. Und bei dem Brückenspringer, einem der Unfallopfer, interessiert ihn am meisten dessen irrationale Ausländerfeindlichkeit. Neugierig und mit unverhohlenem Interesse verfolgt Kern seine Figuren, um das stets wieder durch ironischen Musikeinsatz und Kommentare zu brechen. Das Publikum fühlte sich schließlich teils provoziert, teils ermutigt.  
  
Kern meinte schließlich, er wolle es sich aber angesichts der bevorstehenden, gemeinsamen Fußball-Europameisterschaft nicht mit der Schweiz verscherzen. Er sehe den Film ohnehin „als Metapher für Österreich“. Und trotz des „Jodelns gegen den Wahnsinn“ gab er am Schluss zu, eigenlich „nur geliebt werden“ zu wollen. Wenn das am Ende herauskomme, hätte sich der Film schon gelohnt.

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