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Hariri-Mord: Syriens Staatschef wird befragt

Die Untersuchungskommission zum Mord am ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri will jetzt den syrischen Staatschef Bashar Assad persönlich vernehmen. Pressestimmen

Auch Außenminister Farouk Sharaa soll zu dem Sprengstoffanschlag auf den libanesischen Spitzenpolitiker befragt werden. Entsprechende Gesuche seien bereits in Damaskus eingegangen, gab der Kommissionssprecher Nasra Hassan am Montag in Beirut bekannt. Zudem wolle man mit dem syrischen Ex-Vizepräsidenten Abdelhalim Khaddam sprechen, der Assad in einem explosiven Fernsehinterview schwer kompromittiert hat. „Wir warten auf eine Antwort aus Syrien“, sagte Hassan. Hariris Sohn Saad, Chef der libanesischen Mehrheitsallianz, nannte Khaddams Aussage ein „historisches Zeugnis“.

Der 73-jährige Khaddam, der sich in Frankreich aufhält und unter der Herrschaft von Assads verstorbenem Vater die syrische Libanon-Politik koordinierte, hatte in einem Interview für den TV-Sender „Al-Arabiya“ (Dubai) erklärt, dass der im Februar vorigen Jahres bei einem Sprengstoffanschlag in Beirut ums Leben gekommene Hariri vom syrischen Präsidenten massiv bedroht worden sei. Nach Darstellung Khaddams soll Assad Hariri während einer turbulenten Aussprache im August 2004 gewarnt haben, dass er „jeden zerstören“ werde, der Syrien in seinen Entscheidungen im Libanon zu behindern versuche. Dabei sei es um eine von Damaskus gewünschte (und auch mit Hariris Stimme im Parlament durchgesetzte) Verfassungsänderung gegangen, um die Amtszeit des Syrien-treuen libanesischen Staatspräsidenten Emile Lahoud zu verlängern. Der syrische Außenminister Sharaa erklärte am Sonntag, solche Drohungen habe es nicht gegeben.

Die libanesische Tageszeitung „An-Nahar“, deren Herausgeber, der Syrien-Kritiker und Parlamentsabgeordnete Gebrane Tueni, im Dezember einem Mordanschlag zum Opfer fiel, schrieb am Montag unter Berufung auf den Kommissionssprecher, die jüngsten Aussagen von Khaddam würden die bisherigen Erkenntnisse der UNO-Ermittler voll bestätigen. Die von dem deutschen Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis geleitete Sonderkommission war zu dem Schluss gekommen, dass an dem Anschlag auf Hariri, bei dem auch 22 weitere Menschen umkamen, ranghohe syrische und libanesische Geheimdienstler beteiligt waren. Das syrische Parlament hatte am Samstag in einer einstimmig angenommenen Entschließung die Anklageerhebung gegen Khaddam wegen Hochverrats verlangt. Der Ex-Vizepräsident wurde aus der regierenden Baath-Partei ausgeschlossen.

Ohne Wissen Assads hätte Hariri nicht vom syrischen Geheimdienst ermordet werden können, sagte Khaddam in dem Fernsehinterview. Der frühere Chef des syrischen militärischen Geheimdienstes im Libanon, General Rustom Ghazali, der im vergangenen Dezember in Wien von den UNO-Ermittlern befragt wurde, habe mit nahezu „absoluter Machtvollkommenheit“ in dem Nachbarland geherrscht, so der frühere Vizepräsident. Die durch das Attentat erzeugte politische Dynamik und internationaler Druck hatten im April zum Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon nach 29 Jahren geführt. Syrien hatte mit einem Mandat der Arabischen Liga in den libanesischen Bürgerkrieg (1975-90) eingegriffen und dann die Rolle einer Ordnungsmacht gespielt.

Im Libanon, wo seit drei Wochen eine Regierungskrise schwelt, haben die Enthüllungen Khaddams heftige Reaktionen hervorgerufen. Gleichzeitig wurden in Beirut neuerlich schwere Angriffe gegen Präsident Lahoud gerichtet, dessen Demission von zahlreichen Politikern gefordert wird. Durch die Äußerungen des syrischen Ex-Vizepräsidenten würden die UNO-Ermittlungen zum Hariri-Mord starke Impulse erhalten, hieß es in den libanesischen Medien. Die schiitischen Minister setzten unterdessen ihren Regierungsboykott fort. Sie lehnen unter anderem die Forderung nach Einsetzung eines UNO-Tribunals ab.

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