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Hamas bittet um weitere Unterstützung

Die Hamas-Bewegung hat die internationale Gemeinschaft gebeten, die Unterstützung für die palästinensische Selbstverwaltung nicht einzustellen: "Nötig für die Infrastruktur". Chronologie der Zahlungen | Hamas-Charta

Die EU-Außenminister haben die aus den palästinensischen Parlamentswahlen als weitaus stärkste Kraft hervorgegangene Hamas-Bewegung am Montag aufgefordert, sich in eine politische Partei umzuwandeln, demokratische Prinzipien zu respektieren und auf Gewalt zu verzichten. Die Hamas ihrerseits hat wenige Stunden vor Beginn einer Konferenz des internationalen Nahost-Quartetts in London an USA, UNO, EU und Russland appelliert, „direkte und offene Gespräche“ zu beginnen. Hamas-Führer Ismail Haniyeh ersuchte auf einer Pressekonferenz in Gaza die internationale Gemeinschaft, die Unterstützung für die palästinensische Selbstverwaltung nicht einzustellen. Der Dialog müsse „ohne Vorbedingungen“ und in einem „Geist der Neutralität“ geführt werden, sagte Haniyeh.

Die Europäische Union wird vorerst keine Kontakte zur Hamas unterhalten. „Wir werden keine Kontakte mit der Hamas haben“, sagte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner in Brüssel. Sie sprach sich für eine “Übergangszeit“ von 30 bis 60 Tagen aus, die die EU der Hamas geben sollte, um deren weitere Haltung im Nahost-Friedensprozess abzuklären. „Die Hamas hat die politische Arena betreten.“ Man müsse nun sehen, ob die Organisation gewillt sei, sich in eine politische Partei umzuwandeln und demokratische Prinzipien zu respektieren. Die Hamas müsse auf Gewalt verzichten, das Existenzrecht Israels akzeptieren und sich entwaffnen lassen, so wie dies auch der internationale „Fahrplan“ (Roadmap) vorsehe, betonte die Kommissarin. „Der Ball liegt nun klar bei Hamas und den Palästinensern.“ Die EU sei sich aber auch der „sehr schwierigen“ finanziellen Situation der Palästinenser bewusst, sagte Ferrero-Waldner.

Haniyeh sagte in Gaza, die Hamas werde das Finanz- und Verwaltungssystem reformieren und wolle das Leid des palästinensischen Volkes minimieren. „Achten sie die Wahl des palästinensischen Volkes!“, sagte er an die Adresse des Quartetts. Zugleich forderte der Hamas-Politiker die EU auf, die Finanzhilfen für die Palästinenser aufrecht zu erhalten. Der scheidende palästinensische Wirtschaftsminister Mazen Sunukrot hatte auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos die Befürchtung geäußert, der Selbstverwaltung drohe der wirtschaftliche Kollaps, sollte Israel die Transfergelder von monatlich 40 bis 50 Millionen Euro nicht auszahlen. Die Steuer- und Zolleinnahmen treibt Israel auf der Grundlage des Oslo-Abkommens ein, um sie an die palästinensische Regierung weiterzuleiten.

Befürchtungen, die militante Bewegung könne nach ihrem Wahlsieg die finanzielle Unterstützung künftig für den bewaffneten Kampf gegen Israel nutzen, trat Haniyeh entgegen: Das gesamte Geld werde „für Gehälter, das tägliche Leben und die Infrastruktur verwendet“, versicherte er.

Der EU-Außenpolitik-Beauftragte Javier Solana hat die Hamas zu einem Kurswechsel aufgefordert. Die Hamas müsse einsehen, dass „Gewalt mit Demokratie unvereinbar ist“, und sie müsse „Israel anerkennen“, erklärte Solana am Montag in Brüssel. Solange die Hamas nicht wirklich erkennen lasse, wofür sie stehe, seien keine Verhandlungen mit einer solchen Organisation möglich.

US-Außenministerin Condoleezza Rice hat finanzielle Unterstützung für eine Hamas-Regierung ausgeschlossen. Washington wolle, dass arabische Staaten und andere Geberländer den Geldhahn ebenfalls zudrehten, sagte Rice am Sonntag (Ortszeit) auf dem Flug nach London, wo sie an dem Quartett-Treffen teilnehmen wird.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat während ihres Nahost-Besuchs die Hamas zur Anerkennung des Existenzrechts Israels und zu einem Gewaltverzicht aufgerufen. Nach ihrer Zusammenkunft mit dem israelischen Staatspräsidenten Moshe Katzav in Jerusalem sagte Merkel, es sei völlig undenkbar, dass der Friedensprozess wieder von vorn beginne. Sie werde bei ihrem Besuch in Ramallah am Nachmittag deutlich machen, dass die Hamas die bisherigen Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern anerkennen müsse. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas könne dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Sie werde Abbas dazu ermutigen. Katzav sagte, Abbas sei nicht schwächer als vor den Wahlen. Israel wolle keine Eskalation. „Ich glaube, er (Abbas) hat die Macht und den Einfluss, die Interessen des palästinensischen Volkes zu vertreten“, so Katzav.

EU-Streit um das Palästinensergeld

Die EU-Regierungen sind sich offenbar uneins, wie die Europäische Union mit der radikalislamischen Bewegung Hamas nach deren Sieg bei den palästinensischen Parlamentswahlen umgehen soll. Wie Diplomaten am Montag in Brüssel erklärten, treten Länder wie Deutschland und Tschechien für streng formulierte Bedingungen ein, die Hamas erfüllen müsse, damit weitere EU-Finanzhilfen in die palästinensischen Gebiete fließen.

Dagegen warnten etwa Irland, Schweden und die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner davor, den Palästinensern zum jetzigen Zeitpunkt schon direkt mit einer Streichung der Finanzhilfen zu drohen. Dies würde die Palästinenser noch weiter in die Arme des Iran und anderer islamistischer Staate treiben, laute deren Argument. Auch die österreichische EU-Ratspräsidentschaft wolle „keine unmittelbare Bedingung“ zwischen den EU-Finanzhilfen und den Forderungen der Union herstellen, hieß es in diplomatischen Kreisen. Die Hamas solle demnach vielmehr an ihren Taten gemessen werden.

Weitgehend unstrittig sind die Forderungen, welche die Europäische Union an eine künftige palästinensische Regierung stellt. Diese müsse das Existenzrecht Israels anerkennen, eine Zwei-Staaten-Lösung akzeptieren, dem Terrorismus abschwören und bewaffnete Milizen entwaffnen, geht aus dem Entwurf einer Erklärung hervor, die die Außenminister am Montag verabschieden wollen.

Merkel bei Abbas

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am Montagnachmittag in Ramallah vom palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas empfangen worden. Eine Zusammenkunft mit Vertretern der bei der Parlamentswahl vom vergangenen Mittwoch erfolgreichen radikalen Hamas-Bewegung lehnte Merkel ab. In Jerusalem hatte sie bei einem Treffen mit dem israelischen Staatspräsidenten Moshe Katzav die Hamas zur Anerkennung des Existenzrechts Israels und zu einem Gewaltverzicht aufgerufen.

Abbas hat nach den Worten Merkels eine „sehr große Verantwortung“, darauf hinzuwirken, dass die Hamas das Existenzrecht Israels anerkennt, auf Gewalt verzichtet und die bisherigen Vereinbarungen aus dem Friedensprozess akzeptiert. Sie bekräftigte damit auch im Namen der EU die drei Bedingungen für eine Zusammenarbeit mit einer Hamas-geführten Regierung. Die Kanzlerin erinnerte daran, dass die EU die Hamas als terroristische Gruppe betrachtet. Wenn sich die Positionen der Bewegung nicht änderten, wäre eine weitere finanzielle Unterstützung der palästinensischen Gebiete unvorstellbar. In der EU gebe es eine „sehr, sehr große Übereinstimmung“ in der Haltung zu Hamas.

Schlüssel für Hilfe liegt bei Palästinensern

Der Schlüssel für die Zusammenarbeit der Europäischen Union mit der künftigen palästinensischen Regierung liegt nach den Worten des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier bei den Palästinensern. Diese müssten jetzt entscheiden, „ob man den politischen Weg geht“, sagte Steinmeier am Montag in Brüssel am Rande des Treffens der EU-Außenminister. Es gehe darum, auf Gewalt zu verzichten, die Waffen niederzulegen und das Existenzrecht Israels anzuerkennen. Dann würden sich „Optionen öffnen“.

Die Frage der weiteren finanziellen Unterstützung durch die Europäer stehe im Augenblick noch nicht im Vordergrund, sagte Steinmeier. Wichtig sei, dass die EU-Außenminister zu einer gemeinsamen Analyse und zu einer gemeinsamen Verständigung kämen. Der deutsche Minister räumte ein, dass dies „nicht ganz einfach“ sei. Sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn sprach von einem „Spagat“ für die Europäer. Einerseits müsse die EU versuchen, ihren Einfluss in der Region aufrecht zu erhalten, andererseits könne die EU „selbstverständlich nicht“ von ihren Steuerzahlern verlangen, dass aus der Gemeinschaftskasse „Terroristen bezahlt“ würden. Diese Frage sei „sehr sehr schwierig“, aber lösbar. „Wenn man sich demokratischen Wahlen stellt, sucht man Frieden, darauf müssen wir bauen.“

Nach dem Entwurf der Erklärung, über den die Außenminister berieten, soll das neu gewählte palästinensische Parlament zur Bildung einer Regierung aufgefordert werden, die sich zu einer friedlichen Verhandlungslösung des Konflikts mit Israel verpflichte. Für Montag Abend war in London ein Treffen des Nahost-Quartetts aus EU, USA, Vereinten Nationen und Russland geplant.

Auch die Sozialisten und Sozialdemokraten im Europaparlament riefen die Hamas zum Gewaltverzicht auf. Dies sei „absolut unverzichtbar“, erklärte der deutsche Fraktionsvorsitzende Martin Schulz. Die Hamas müsse eine Regierung bilden, die mit anderen, auch mit Israel, in „positiver Partnerschaft“ zusammenarbeite, um Frieden und Sicherheit in die Region zu bringen. „Ohne diese Garantie wird die Finanzhilfe eingefroren“, warnte er.

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