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Größte Orient-Archäologie-Konferenz tagt erstmals in Wien

Die International Conference for the Archeology of the Ancient Near East findet heuer in Wien statt.
Die International Conference for the Archeology of the Ancient Near East findet heuer in Wien statt. ©AFP Photo/Louai Beshara
Organisatorin Barbara Horejs warnt: "Die Zerstörung, die gerade stattfindet, ist enorm besorgniserregend."

Mit der International Conference for the Archeology of the Ancient Near East (ICAANE) tagt vom 25.-29. April die größte Konferenz zu Archäologie im Orient erstmals in Wien. 800 Wissenschafter tauschen sich dabei unter anderem über die Zerstörung von Kulturdenkmälern aus, Organisatorin Barbara Horejs von der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) stellt ein Modell zu Ausbreitung der neolithischen Revolution vor.

Kulturelle Säuberung durch die IS-Terrormiliz, massenhafte Raubgrabungen in kriegsgebeutelten Regionen – in den vergangenen Jahren wurden Kulturdenkmäler im Nahen Osten massiv beschädigt. “Die Zerstörung, die gerade stattfindet, ist enorm besorgniserregend”, spricht Horejs, Direktorin des Instituts für Orientalische und Europäische Archäologie der ÖAW, gegenüber der APA von einer alarmierenden Situation. Immerhin seien die Levante und Mesopotamien die “Wiege der Menschheit”, wo alle wesentlichen Entscheidungsschritte der Menschheit – von den allerersten Ackerbauern bis zu den Stadtstaaten, großen Antiken Reichen und der frühen islamischen Tradition – ihren Ausgang genommen haben.

Experten diskutieren über den Erhalt des Kulturerbes

Bei der Tagung wollen nun Experten wie auch Vertreter der UNESCO das aktuelle Ausmaß der Zerstörungen aufzeigen und auch Initiativen zur Rettung und Wiederherstellung der Denkmäler nach Kriegsende diskutieren, schildert Horejs. Dabei soll es nicht nur um den – durchaus auch umstrittenen – Wiederaufbau von Kulturdenkmälern gehen, sondern auch um Sicherung von Archivmaterial und Dokumentationen aus den vergangenen 150 Jahren. “Das ist ja teils auch selbst als kulturelles Erbe anzusehen”, so die Tagungsorganisatorin. Wie dieser Berg an Daten und Quellen für künftige Generationen gesichert und unter dem Titel “Digital Humanities” als digitales Erbe zugänglich gemacht werden kann, soll von den internationalen Experten in einem eigenen Workshop behandelt werden.

Ein weiterer wird sich mit einem Projekt Horejs’ beschäftigen, bei dem die Wissenschafterin nahe Ephesos eine der ältesten Siedlungen der Menschheit entdeckt und auf deren Basis sie ein neues Modell zur Ausbreitung der neolithischen Revolution nach Europa entwickelt hat. Behandelt wird die Frage, wieso die etwa 9.500 v.Chr. gestartete Entwicklung von nomadischen Jägern und Sammlern zu sesshaften Ackerbauern und Viehzüchtern vom Fruchtbaren Halbmond bis Zentralanatolien plötzlich für 1.500 bis 2.000 Jahre gestoppt hat, bevor sie sich weiter in den Westen ausgebreitet hat. Noch herrscht großes Rätselraten über die Hintergründe, “dieser plötzliche, aber dann relativ lange andauernde Stopp ist für uns völlig unerklärbar”.

ICAANE erstmals in Österreich

Horejs’ Hypothese, die sie in einem vom Wissenschaftsfonds FWF mit einem Start-Preis geförderten Projekt entwickelt hat: Gerade von dort, wo diese “unglaubliche Veränderung aller Grundlagen der Menschheit” plötzlich stagniert hat, wurde die neolithische Revolution ungefähr 7.000 v.Chr. dann exportiert. Mobile Gruppen könnten sich auf den Weg gemacht und durch Koloniegründungen in der Ägäis neue Siedlungen mit Ackerbau und Viehzucht etabliert haben. “Dieser zivilisatorische Schritt war dann nicht mehr umkehrbar”, glaubt Horejs. Von dort ging die neolithische Revolution, die zur heute weltweit dominanten sesshaften, auf der Ernährung mit Kulturpflanzen basierenden Lebensweise geführt hat, weiter auf den europäischen Kontinent.

Die ICAANE wird seit 1998 alle zwei Jahre veranstaltet, heuer wird sie erstmals in Österreich abgehalten. Wissenschafter aus 38 Nationen tauschen sich dabei in 28 Workshops und sieben Sektionen (etwa Wirtschaft und Gesellschaft, Islamische Archäologie) aus. Der Bogen spannt sich vom Orient mit allen Nachbarregionen, dem Kaukasus bis Nordafrika und dem Mittelmeerraum bis zum Iran und Mesopotamien. Zeitlich wird die Menschheitsgeschichte von den ältesten Jägern und Sammlern vom Paläolithikum bis zu den Hochkulturen der Bronze- und Eisenzeit, der Antike bis zum Mittelalter behandelt.

(APA, Red.)

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