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Griechenland - Zwischen Zahlungsverzug und Pleite

Verzweiflung in Griechenland.
Verzweiflung in Griechenland. ©EPA
Griechenland steht am Abgrund. Der Staatsbankrott rückt näher, und mit der von Athen angesetzten Volksabstimmung steht das Land auch politisch vor großen Unsicherheiten. Fragen und Antworten zur Griechenland-Krise:

Könnte Athen doch noch Geld aus dem zweiten Hilfsprogramm kommen?

Nein, das Griechenland-Programm des Rettungsfonds EFSF ist am Dienstag ausgelaufen, nachdem ein Antrag auf nochmalige Verlängerung von den Euro-Finanzministern abgelehnt wurde. Die verbliebenen Mittel sind um Mitternacht verfallen: insgesamt 12,7 Mrd. Euro.

Fordert Athen nun ein drittes Hilfsprogramm?

Regierungschef Alexis Tsipras hat am Dienstag beim EFSF-Nachfolger ESM um “Hilfe zur finanziellen Stabilisierung” in Form eines Kredits gebeten, die über zwei Jahre laufen soll. Den Finanzbedarf gab er mit 29,1 Mrd. Euro an. Gleichzeitig verlangt Athen eine “Umstrukturierung” seiner Schulden beim EFSF. Auch wenn Tsipras nicht von einem “Programm” spricht, ist es nichts anderes. Es wäre erneut mit harten Spar- und Reformauflagen verbunden, die wegen der längeren Laufzeit auch umfangreicher als bisher ausfallen dürften.

Was bedeutet der Zahlungsausfall beim Internationalen Währungsfonds (IWF)?

Griechenland ist als erstes Industrieland überhaupt beim IWF in Zahlungsverzug geraten, nachdem es am Dienstag 1,5 Mrd. Euro nicht zurückgezahlt hat. Allerdings prüft der IWF noch einen Antrag auf nachträgliche Fristverlängerung. Ohne Aufschub würde der Fonds Athen spätestens nach einem Monat offiziell als zahlungsunfähig einstufen – dies kann in der Folge zu einer Reihe von Sanktionen führen. Schon jetzt darf der Fonds keine Gelder mehr aus seinem eigenen Hilfsprogramm an Athen überweisen.

Hätte ein bestätigter IWF-Zahlungsausfall Auswirkungen auf andere Bereiche?

Ja. Der Rettungsfonds EFSF hat dann die Möglichkeit, sofort alle an Griechenland gezahlten Hilfsgelder zurückzufordern. Dies wären insgesamt 131 Mrd. Euro.

Wann kommt der Staatsbankrott?

Die großen Ratingagenturen stellen einen Staatsbankrott in der Regel erst dann fest, wenn ein Land private Gläubiger nicht mehr bedient. Die Regierung in Athen könnte sich aber auch selbst für bankrott erklären – etwa wenn sie auch Löhne und Gehälter nicht mehr zahlen kann.

Kommt nach einem Bankrott der Grexit?

Niemand kann Athen zwingen, den Euro zu verlassen. Stellt die Europäische Zentralbank (EZB) aber die Notversorgung der griechischen Banken ein, sitzt das Land de facto finanziell auf dem Trockenen. Bei einem Kollaps seines Finanz- und Wirtschaftssystems könnte Griechenland dann keine Wahl mehr haben, als zur Drachme zurückzukehren oder zumindest eine Parallelwährung einzuführen.

Wie würde ein Euro-Austritt funktionieren?

Auch ein freiwilliger Austritt aus dem Euro ist nicht vorgesehen. Rechtlich möglich wäre lediglich ein Verlassen der EU – damit wäre auch die Euro-Mitgliedschaft beendet. Um in die EU zurückzukehren, müsste Griechenland einen neuen Beitrittsantrag stellen. Nicht ausgeschlossen ist, dass sich Athen und die anderen Euro-Staaten vertraglich auf ein anderes Verfahren einigen.

Droht eine Ansteckung in anderen Eurostaaten?

Die Gefahr ist geringer als in den ersten Jahren der Finanzkrise. Mit dem ESM haben die Europäer einen Rettungsschirm, der in Bedrängnis geratene Länder mit bis zu 500 Mrd. Euro zu Hilfe kommen kann. Andere Krisenstaaten haben sich zudem erholt und Irland, Spanien und Portugal ihre Rettungsprogramme beendet. Darüber hinaus gibt es kaum mehr Banken im Euroraum, die noch ein bedeutendes Engagement in Griechenland haben. Damit ist ein verhängnisvoller Dominoeffekt unwahrscheinlicher.

Könnte ein “Ja” der Griechen beim Referendum noch die Wende bringen?

Paradoxerweise stimmen die Griechen am Sonntag über etwas ab, das mit dem Ende des Hilfsprogramms eigentlich nicht mehr existiert. Bei einem “Ja” müsste die linksgeführte Regierung eine Lösung umsetzen, die sie zuvor abgelehnt hatte, was zu Turbulenzen in der Koalition führen könnte. Regierungschef Tsipras deutete bereits einen Rücktritt in diesem Fall an. Auch Neuwahlen scheinen nicht ausgeschlossen.

(APA)

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