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"Geschichten aus dem Wiener Wald" bei den Wiener Festwochen

Bei den Wiener Festwochen wird das Stück "Geschichten aus dem Wiener Wald" gezeigt.
Bei den Wiener Festwochen wird das Stück "Geschichten aus dem Wiener Wald" gezeigt. ©Arno Declair
Im Rahmen der Wiener Festwochen werden von Horvaths "Geschichten aus dem Wiener Wald" im Volkstheater aufgeführt. Die Inszenierung ist nicht unumstritten, Zwischenapplaus und Buh-Rufe kamen im Wechsel.
Geschichten aus dem Wiener Wald

Steckt in jedem von uns eine blauäugige Marianne? Oder ein verantwortungsloser Hallodri wie Alfred? Zum Auftakt der Premiere von Horvaths “Geschichten aus dem Wiener Wald” bei den Wiener Festwochen im Volkstheater hatte man zehn Minuten lang Zeit, darüber nachzudenken. So lange dauert nämlich der Donauwalzer, den Regisseur Michael Thalheimer bei voller Saalbeleuchtung und dunkler Bühne abspielt.

Stück stieß nicht nur auf Zustimmung

Dass die von jeglichem lieblichen Schnickschnack befreite, klinisch präzise Sektion des 1931 in Berlin uraufgeführten Wiener Volksstücks nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen würde, war an diesem Abend recht bald klar. Thalheimer, der seine Version der “Geschichten aus dem Wiener Wald” im Vorjahr am Deutschen Theater Berlin zur Aufführung brachte, verzichtet auf jegliche visuelle Andeutung zur geografischen oder zeitlichen Verortung, selbst sprachlich könnte das Werk genauso gut in Hamburg, Berlin oder sonstwo angesiedelt sein. Im schwarzen Bühnenraum findet sich – weit im Hintergrund – einzig eine lange Verlobungstafel, um die sich das Personal, das gerade nicht an der Rampe den Text deklamiert, versammelt.

Buh-Rufe und Zwischenapplaus

Dieses Deklamieren, das jegliche glaubwürdige Interaktion zwischen den Figuren im Keim erstickt, ist es auch, was Thalheimers Inszenierung über die gesamten zwei Stunden an die Grenzen des Erträglichen führt. Zurücklehnen und der Handlung folgen geht nicht. Der Regisseur, der 2013 für seine am Burgtheater inszenierte “Elektra” mit einem “Nestroy” ausgezeichnet wurde, arbeitet den eigentlichen Kern einer jeden Figur derart präzise heraus, dass keine schützende Hülle mehr zwischen den Schauspielern und dem Publikum übrig bleibt. Was hier gezeigt wird, ist das Leben mit all seinen Wendungen, die in ihrer Vorhersehbarkeit schmerzen.

Bereits in scheinbar glücklichen Momenten – etwa wenn sich Marianne und Alfred am Tag ihrer Verlobung mit Oskar überraschend verlieben und das junge Mädel alles liegen und stehen lässt – ist die ganze Tragödie, die noch folgt, in jeder Sekunde präsent. Nämlich dann, wenn Marianne voller Glück ein völlig schräg intoniertes “Da draußen in der Wachau” trällert und Alfred anzusehen ist, dass er bereits jetzt an seiner Liebsten zweifelt. Oder in jenen langen fünf Minuten, in denen Oskar in grandioser Tollpatschigkeit versucht, eine Bonbonniere aus seiner Sakko-Tasche zu ziehen und sich anschließend auch noch ausgiebig in den goldenen Bändern verfängt – eine Szene, die in ihrer Traurigkeit schmerzendes Mitleid erregt und sogar für Zwischenapplaus genauso wie “Buh”- und “Ruhe”-Rufe im Saal führt.

Inszenierung bei den Wiener Festwochen

Ermöglicht wird diese angespannte Inszenierung, die jederzeit zu bersten droht, durch die hervorragenden Leistungen der Schauspieler, die in keiner Szene davor zurückschrecken, über sich hinaus zu wachsen. Während Katrin Wichmann als Marianne die verstecktesten Winkel der Naivität erkundet, stülpt Almut Zichler als abgebrühte, aber übers Leben gerechnet zu oft enttäuschte Valerie das Innerste ihrer Menopause nach außen. Kaum eines Blickes würdigen sich die beiden Männer, die sich hier in entgegengesetzte Richtungen entwickeln: Während der fettleibige, grobschlächtige Fleischhauer Oskar (Peter Moltzen) sich immer mehr in eine Manie hineinsteigert, die ihn beinahe zum Tier macht, wird aus dem aalglatten Alfred dann doch so etwas wie ein liebender Vater – zu spät, freilich.

 “Geschichten aus dem Wiener Wald”

Umrahmt wie angestachelt werden diese herausragenden Leistungen von einem gar nicht so herrischen Zauberkönig (Michael Gerber lässt menschliche Regungen immer wieder durch die harte Schale blitzen), einem den deutschen Nazi erster Stunde karikierenden Erich (Moritz Grove) oder einer tückisch-bösartigen Großmutter (Simone von Zglinicki), die das uneheliche Glück mit hexenhaftem Enthusiasmus zu vernichten gedenkt.

Über allem schweben, fast über die ganze Aufführung hindurch, die ersten Takte des Strauß-Walzers “An der schönen blauen Donau”, die im Laufe des Abends zu einer äußerst bedrohlichen Woge anschwellen, die alles verschlingt. In letzter Konsequenz macht Thalheimer die Austauschbarkeit der Figuren noch durch bemalte Pappdeckel sichtbar, die sich das gesamte Ensemble über die Gesichter zieht. Ein Schachzug, der ein wenig über das Ziel hinausschießt. Dennoch werden diese beklemmenden “Geschichten aus dem Wiener Wald” im Gedächtnis bleiben. Heftiger Applaus und vehemente Buh-Rufe für die Regie beschlossen den Abend. (APA)

Weitere Aufführungen finden am 12. und 13 Mai jeweils um 19.30 Uhr im Volkstheater statt. Tickets gibt es hier.

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