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Generationswechsel

"Mit Architekten bauen - das macht einen Unterschied, das war uns beiden klar!" (Thomas Guschl, Bauherr)
"Mit Architekten bauen - das macht einen Unterschied, das war uns beiden klar!" (Thomas Guschl, Bauherr) ©Cyril Müller
Lochau - Jede Zeit hat ihre Macken und Moden, davon ist gerade das Bauen nicht verschont. Was die eine Generation begeistert, lässt die folgende schon bestürzt die Köpfe schütteln. Wenn es um Raum geht, gibt es aber auch Beständiges, so etwas wie bleibende Werte. Achtsamkeit für diese Qualitäten, das ist eigentlich Architektur.
Haus Guschl/ Ferienwohnung „Am Ruggbach"

„Wir wollten das von Anfang an mit Architekten machen“, erzählt Thomas Guschl, der mit seiner Frau Judith Zortea vor gut fünf Jahren in sein Elternhaus aus dem Jahre 1976 gezogen war: Ein typisches Haus des 70er-Jahre-Baubooms, beinah „Grundmotiv“ des hiesigen Siedlungsteppichs, das in geringfügigen Abweichungen hundertfach im Land zu finden ist. Ursprünglich sollte nur der obere Stock für das Paar und die eben geborene Tochter adaptiert werden, die verwitwete Mutter des Bauherrn im Erdgeschoß wohnen.

Architektin Judith Wellmann und ihr Kollege Martin Ladinger hatten bereits erste Zeichnungen erstellt, als die Oma unerwartet starb. Die Planungen wurden ein Jahr lang unterbrochen. Anfang 2012 gingen sie dann mit neuer Kraft die gemeinsame Entwurfsarbeit unter veränderten Bedingungen an und führten die Planung zügig bis zur Einreichung. Bereits im Sommer begannen die Abbruch- und Bauarbeiten. Dabei sollte nicht alles umgekrempelt, sondern Typus und Charakter des Hauses erhalten werden. Mit Bedacht auf die bestehenden Qualitäten sollte ein guter und zeitgemäßer Lebens- und Wohnraum entstehen.

Neben atmosphärischen Qualitäten – hier sicherlich allen voran die idyllische Lage am Ruggbach mit wunderbarem Baumbestand – können auch bewährte Nutzungsweisen zu den vorhandenen Potenzialen eines Hauses zählen. So gab es bei den Guschls eine Ferienwohnung, die bereits den Eltern half, das Haus zu finanzieren. Ein Appartement sollte deshalb auch in Zukunft Platz haben, allerdings als attraktives Angebot für die heutigen Bedürfnisse von Gästen wie Vermietern: „Das Haus war bis dahin um die offene Treppe organisiert, die von Feriengästen und der Familie gemeinsam benutzt wurde“, erzählt Judith Wellmann, „die Idee eines separaten Stiegenhauses war da wie ein Befreiungsschlag!“ Die so bewirkte Trennung von Haus und Gästebereich ermöglichte intimere und zugleich geräumigere Wohnverhältnisse für beide Seiten. „Ein Geschenk des Bestands der 70er-Jahre ist die Großzügigkeit der Räume“, sagt die Architektin, „so etwas würde man sich heute bei einem Neubau nicht mehr leisten.“ So kommt es, dass der neue Stiegenaufgang und das Anheben des Dachs im bachseitigen „Gästeteil“ über der Garage die einzigen Erweiterungen des Gebäudes waren. Der Rest, abgesehen von ein paar kleinen Wand-Durchbrüchen, bestand im Wesentlichen aus Außendämmung, Fassadenschirm und Innenausbau. Dies alles aber auf hohem, ansprechendem Niveau und vor allem: mit viel Holz.

Dieses Thema war der Familie besonders wichtig. Exzellente Handwerker wurden dafür ausgewählt, die Hölzer und deren Oberflächen mit viel Gespür für atmosphärische Wirkungen fein aufeinander abgestimmt. Von der edlen Küchenausstattung über die Dielenböden bis zum Fassadenkleid aus schwarz getunkten Fichtenschindeln kam dabei ausschließlich Vollholz zum Einsatz. Die Natürlichkeit dieses Baustoffs gibt nun ein sympathisches, neues Gesicht nach außen und „wärmt“ das Haus von innen. Das ist nicht nur als Metapher der Behaglichkeit zu verstehen, denn Holz spielt auch als Brennstoff eine Rolle: für den Kachelofen im Wohnzimmer. Der war schon der Stolz des Vaters, eine Leidenschaft, die auf den Sohn überging. Mit viel Hingabe widmete sich Thomas Guschl der Sanierung und Neugestaltung dieses tradierten Herzstücks des Hauses, das grauen Lehm als neue Oberfläche und eine schwarze Granitplatte als elegante Abdeckung erhielt.

Apropos Tradition: Mehr oder weniger im Selbstbau wurde das Haus in den 70er-Jahren mit zwei befreundeten Maurern aufgebaut, genauso wurde nun die Renovierung mit viel Eigenleistung der Familie, besonders durch den Bauherrn, unterstützt. „Wenn der Bauherr so viel selbst macht“, meint Architekt Martin Ladinger augenzwinkernd, „verliert man manchmal fast den Überblick!“ Der Optik und dem Charme des Hauses hat der eine oder andere Eigensinn der Bauleute jedenfalls keinen Abbruch getan. Es sind sympathisch-wohnliche Zeugnisse eines gelungenen und engen Teamworks zwischen Bauenden und Planenden auf Augenhöhe. Wünschenswert!

Daten & Fakten

Objekt: Haus Guschl/Ferienwohnung „Am Ruggbach”, Lochau
Eigentümer/ Bauleute: Judith Zortea und Thomas Guschl
Architektur: Judith Wellmann, Martin Ladinger
Fachplaner: Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg
Planung: 10/2011–10/2012
Ausführung: 8/2012–2/2013
Grundstücksgröße: 950 m²
Wohnnutzfläche: 158 m² und 45 m² Appartement zzgl. Keller, Garage, Lager

Bauweise: Wände: teilweise Bestand, Ergänzungen in Ziegelmauerwerk und Leichtbau; Beplankung: Schindelfassade schwarz imprägnierte Fichte, Holztäfer sägeraue Weißtanne; Fußböden: innen Eichendielen, außen Lärche; Heizung: Gastherme mit Bodenheizung, Kachelofen, kontrollierte Beund Entlüftung

Besonderheiten: Sanierung und Adaptierung des Elternhauses aus dem Jahr 1976

Ausführung: Baumeister (inkl. Holzfassade): Wolfgang Schmitzer, Hörbranz; Zimmerer: Joe Moosbrugger, Lauterach; Spengler/Dachdecker: Schwendiger-Fink, Wolfurt; Fenster/Türen: Oskar Beer, Au; Innenausbau: Möbeltischlerei Manfred Fink, Hohenweiler; Küche: Markus Faißt, Hittisau; Böden: Wälderfenster&Wälderböden, Bizau; Kachelofen: Bell Ofenbau, Götzis; Haustechnik: Mario Loretz, Lochau; Elektro: Simon Oberwaditzer, Hörbranz

Quelle: VN/ Leben & Wohnen

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut

Architektur vorORT
Das vai stellt monatlich aktuell fertig gestellte Bauobjekte von hoher Qualität in der Reihe Architektur vorORT vor. Nächsten Freitag gibt es die Gelegenheit, das neue Altstoffsammelzentrum in Feldkirch zu besichtigen: Fr., 25. April 2014. Treffpunkt um 17 Uhr. Info: v-a-i.at

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