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Galaabend mit Lou Reed: "Nichts Tiefes dahinter"

Grantig wie immer: Lou Reed in Wien.
Grantig wie immer: Lou Reed in Wien. ©APA
Musiker Lou Reed stellte bei einem Galaabend mit anschließendem Gespräch sein Regiedebüt "Red Shirley" vor, einen Film über seine vor ihrem 100. Geburtstag stehenden Cousine.

“Die Idee hinter allem, was ich mache, ist die, etwas Schönes zu kreieren. Da ist nichts Tiefes dahinter.” Musiker Lou Reed ist bekannt für seine schwankende Laune. Die konnte – und wollte – er auch am Dienstagabend bei der ihm gewidmeten Viennale-Gala im Wiener Gartenbaukino nicht verbergen. Er war nach Wien gekommen, um seine erste Regiearbeit “Red Shirley” vorzustellen. In dem halbstündigen (bzw. 27-minütigen, wie Reed Festivaldirektor Hans Hurch verbesserte) Film spricht Reed mit seiner vor ihrem 100. Geburtstag stehenden Cousine Shirley Novick, die einst als 19-Jährige aus Polen nach Kanada emigrierte, ehe sie sich in New York niederließ und über 40 Jahre lang als Näherin arbeitete.

Wenn Lou Reed über seine Cousine spricht, die als Repräsentantin einer Arbeitergewerkschaft als “rote Shirley” bekannt wurde, gerät er ins Schwärmen. Wenn Kinobesucher beim Publikumsgespräch jedoch “dumme Fragen” stellen, dann will er sich “erst gar nicht damit auseinandersetzen”. Fotografen, die “mit ihrem ständigen Geknipse nerven” und “verschwinden” sollen, bekamen an diesem Abend ebenso Reeds Missgunst zu spüren wie Gesprächspartner Edek Bartz, dem Reed aufgrund seiner elend langen, in holprigem Englisch gestellten Fragen gegen Ende nur noch einsilbige Antworten gab.

Erster und letzter Film

Allein Hans Hurch schien die Sympathie des 68-Jährigen zu erhalten. “Das ist die bisher größte Leinwand, auf der ich den Film zeigen konnte”, erzählte ihm der Velvet Underground-Mitbegründer in seiner gewohnt langsamen, gelangweilten Art. “Ich hatte in Wien seit meiner Ankunft nur mit tollen Menschen zu tun und bin stolz, hier zu sein.” Sein Film sei bereits bei einigen “tollen, ausgewählten Filmfestivals” gezeigt worden, “und das ist eines davon”. “Red Shirley” ist für Reed, der in den vergangenen Jahren auch zwei Fotobände und ein Hörspiel mit Texten von Edgar Allan Poe veröffentlichte, der erste und letzte Film. “Es gibt nur eine Shirley, also wird es keinen weiteren Film geben.”

Nach einer knappen halben Stunde brach Reed das Gespräch mit Hurch und Bartz ab, weil “ich denke, dass wir jetzt mit unserem kleinen Gespräch am Ende angelangt sind”. Auf verwundertes Schweigen folgte dann doch seine Aufforderung an das Publikum: “Jetzt können Sie mir Fragen stellen.” Doch auch die schienen ihn nicht zu begeistern. Als ein junger Mann ihn nach seinen “Gefühlen” fragte, was das Publikum in weiser Vorausahnung zum Lachen brachte, driftete Reed ab und erzählte von der chinesischen Kampfkunst Tai Chi, “die ich seit 25 Jahren betreibe”. Die könne man aufgrund ihrer “physischen Schönheit” gut in Filmen darstellen. Vorbilder in der Filmkunst könne er “den ganzen Tag lang aufzählen” und begann sogleich: “Da wäre Citizen Kane – Orson Welles, Orson Welles, Orson Welles…”

“Welt ist besser mit Musik”

Die Motivation für sein Filmprojekt ist schnell erklärt. “Shirley verdient eine Statue. Und wenn keine Statue, dann einen Film”, meinte Reed. “Ihr Geist ist so bewegend und rührend, genau das wollte ich rüberbringen.” Über den historischen Hintergrund, der das Leben Novicks prägte, habe er sich nicht informiert. Gemeinsam mit Kameramann Ralph Gibson wollte er einfach “den außergewöhnlichen Geist einer Person” zeigen, mehr solle man gar nicht hinein interpretieren. Als Reed von einem Kinobesucher gefragt wurde, ob er sich im Laufe seiner Auseinandersetzung mit Novicks Leben selbst in seiner Cousine erkannt habe, reagierte er verwundert: “Ich war erst gar nicht in diesem Gedankenfenster. Ich wollte weder sie noch mich psychoanalysieren.” Warum sich die mittlerweile 102-Jährige bereiterklärte, sich filmen zu lassen? “Einfach, weil ich sie gefragt habe, warum sonst?”

Fragen zu seiner Musikkarriere und den “alten Zeiten”, in denen er sich in der Szene rund um Andy Warhol bewegte, wies Reed entschieden ab. Allein über jene Musik, die im Film zu hören ist, sprach er gerne. Die instrumentale Unterlegung kommt von seinem experimentellen Improvisationsensemble Metal Machine Trio. Die Aufnahmen wurden nicht extra für den Film gemacht, “sondern für die Welt”, wie Reed sagte, und stammen von Konzertmitschnitten. Einen Film könne er sich ohne sein zentrales Element, der Musik, nicht vorstellen. “Es gibt einen Grund, warum Stummfilme in der Versenkung verschwunden sind”, scherzte der exzentrische Künstler. “Die Welt ist besser mit Musik.”

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