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Für Kern ist es fünf vor zwölf

Gastkommentar von Johannes Huber zur Zukunft von Christian Kern
Gastkommentar von Johannes Huber zur Zukunft von Christian Kern ©AP
Gastkommentar von Johannes Huber. Für den SPÖ-Chef wird’s schwer, die nächsten Monate zu überstehen. Landtagswahlen und die Häupl-Nachfolge werden entscheidend.

Die Nationalratswahl hat SPÖ-Chef und Noch-Kanzler Christian Kern überraschend gut hinter sich gebracht. Sicher, Platz eins hat er an die „Neue Volkspartei“ von Sebastian Kurz verloren. Und auch das historisch schlechteste Ergebnis seiner Partei hat er de facto nur einstellen können. Entscheidend ist aber auch, dass die Genossen noch viel Schlimmeres erwartet haben; zum Beispiel, dass sie dank all den Unsäglichkeiten im Wahlkampf gar noch hinter die Freiheitlichen auf den dritten Platz zurückfallen könnten. Dann hätte sich Kern sehr wahrscheinlich gleich verabschieden müssen.

So aber hat er’s überstanden – und eine Art Fristverlängerung erhalten. Und zwar längstens bis zu den nächsten Landtagswahlen. Sie werden schon sehr bald über die Bühne gehen: Am 28. Jänner in Niederösterreich, Ende Februar in Tirol und Anfang März in Kärnten. Natürlich ist Kern bei diesen Wahlen nicht selbst Spitzenkandidat. Erhebliche SPÖ-Verluste werden jedoch nicht spurlos an ihm vorbeigehen können. Im Gegenteil.

Vor eineinhalb Jahren hat er eine kaputte Parteiorganisation übernommen. In den vergangenen Wochen hat man gesehen, dass er es nicht geschafft hat, sie zu reparieren. Sie ist nach wie vor nicht kampagnenfähig, um es vorsichtig zu formulieren. Und das ist umso schlimmer, als sie auch angeschlagene Landesorganisationen betreuen müsste; die niederösterreichische beispielsweise. Für die dortige Landtagswahl kann man erwarten, dass die ÖVP von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner die absolute Mehrheit, die sie hält, verteidigt. Mitbewerber im Land hat sie keine. Und der ÖVP-Rausch, der unter Sebastian Kurz eingesetzt hat, wird sich bis dahin kaum gelegt haben. Das ist schlecht für die SPÖ, die in dem wählermäßig größten Bundesland zuletzt von einem Debakel ins nächste lief – und jetzt eben keine Aussicht auf eine Trendwende hat. Ähnlich in Tirol. Und in Kärnten hat man am 15. Oktober gesehen, dass es die Massen wieder zurück zu den Freiheitlichen zieht; vor allem auf Kosten der Sozialdemokratie.

Da muss sich Kern etwas einfallen lassen: Eine weitere Pleitewelle würde die gesamte Partei in eine Depression stürzen, die er als Vorsitzender kaum überleben könnte. Doch das ist nicht alles: Zu allem Überdruss findet schon am Vorabend der niederösterreichischen Landtagswahl der Wiener Landesparteitag statt. Und dort geht es darum, wer Michael Häupl an Partei- und Stadtspitze nachfolgt. Im Moment steht nur Wohnbaustadtrat Michael Ludwig bereit. Ein Mann, der ungefähr so tickt wie Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der größte Widersacher von Christian Kern. Sprich: Setzt sich Ludwig durch, kann Kern überhaupt einpacken.

Einfluss auf diese Entscheidung hat er nicht; dazu ist er, Bundesparteivorsitzender hin, Bundesparteivorsitzender her, in der Wiener SPÖ eine zu kleine Nummer. Womit man sagen kann, dass er ein Stück weit schon nur noch Getriebener ist. Wobei er’s halt selbst vermasselt hat: Der 51-Jährige hat es bis heute nicht geschafft, die Partei inhaltlich und personell so weit zu erneuern, dass die Leute dort eine Perspektive sehen. Ein „Plan A“ und eine Pamela Rendi-Wagner als einzige Hoffnungsträgerin haben dazu jedenfalls nicht ausgereicht; bei weitem nicht.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.

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