Frühchen in Vorarlberg: Wenn es schon am Beginn ums Überleben geht
Eine Frühgeburt ist für alle Beteiligten – angefangen vom Neugeborenen über die Eltern bis zu Medizinern und Hebammen – eine Stresssituation. Sich hier in guten Händen zu wissen und Vertrauen haben zu können, erleichtert. An der Neonatologie am LKH Feldkirch stehen den Kleinsten fünf Fachärzte mit kinderintensiv-medizinischer Zusatzausbildung sowie speziell geschulte Pflegefachkräfte zur Seite, um den Kampf ums Überleben zu gewinnen. Hier werden Frühgeborene ab der 24. Schwangerschaftswoche versorgt. Antonia, die bisher kleinste Patientin, und Bilguun, der jüngste Patient, haben es geschafft – und sind heute gesund.
Kleinste Patientin und jüngster Patient
Antonia und Bilguun besuchen wieder einmal die Kinderabteilung am LKH Feldkirch. Antonia ist quietschfidel und räumt im Spielzimmer die Schränke aus – ihre Eltern werden über einen weiteren Untersuchungstermin informiert. Bilguun ist zu einer Kontrolle da – mit Schwesterchen und Eltern. An und für sich nichts Besonderes, bei diesen beiden aber ein kleines Wunder: Antonia kam 2013 in der 25. Schwangerschaftswoche zur Welt, mit einem Geburtsgewicht von 500 Gramm (im Verlauf sogar 415 Gramm) – sie ist damit die kleinste Patientin Vorarlbergs. Bilguun hatte bei seiner Geburt ein Gewicht von 670 Gramm, er wurde in der 23. Schwangerschaftswoche geboren und ist damit der jüngste Patient in Ländle.
Winzige Veränderungen richtig interpretieren
“Die beiden haben sich sehr gut entwickelt”, freut sich Prim. Prof. Dr. Burkhard Simma, Leiter der Kinder- und Jugendheilkunde Feldkirch, und erklärt weiter: “Unsere Neonatologie hat hier am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch den Versorgungsauftrag und auch die strukturelle Voraussetzung, Frühgeburten an der Grenze der Lebensfähigkeit zu betreuen. Dabei geht es nicht nur um die apparative Behandlung, sondern auch um die menschliche Zuwendung. Das Ärzteteam ist im Fach Kinderintensivmedizin ausgebildet, unsere Pflegefachkräfte sind ebenfalls speziell geschult, rund um die Uhr werden die Kleinsten überwacht und kontrolliert.” Denn in der Neonatologie geht es vor allem darum, winzigste Veränderungen bei den kleinen Patienten zu erkennen, zu interpretieren und dann richtig zu behandeln. Die Symptome sind oft unspezifisch und sehr unterschiedlich – so äußern sich etwa mögliche Infektionen nicht wie bei Erwachsenen beispielsweise mit Fieber. “Hier müssen wir und insbesondere die Pflege etwa auf die Hautfarbe achten, auf die Verdauung usw.”, erklärt auch Oberärztin Dr. Barbara Seidel, ausgebildete Kinderintensivmedizinerin und Fachärztin für Pädiatrie.
Grenze der Lebensfähigkeit
“Die Grenze der Lebensfähigkeit ist ein festgelegter Begriff. Wir unterscheiden sehr kleine Frühgeburten unter 1.000 Gramm und Frühgeburten unter 1.500 Gramm. Insgesamt sind es in Vorarlberg rund 50 bis 60 Neugeborene jährlich, die mit einem Gewicht von unter 1.500 Gramm zur Welt kommen, letztes Jahr waren es 14 Kinder unter 1.000 Gramm“, erklärt Prim. Prof. Simma. 80 Prozent davon haben großes Glück – und überleben.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit bereits vor der Geburt
Aber nicht nur Glück und der schon vorhandene Überlebenswille ist notwendig: Die Zusammenarbeit vom Geburtshilfe-Team mit den Kinderärzten beginnt bereits vor der Geburt – wenn es schnell gehen muss und alles vorbereitet ist. “Die Versorgung des Kindes beginnt schon im Kreißsaal ab Minute 0”, so Simma. “Dort müssen wir als erstes die Atmung sichern, den Kreislauf stabilisieren sowie einen venösen Zugang und eine Magensonde für die künftige Ernährung legen. Essenziell aber ist es, den Eltern hier einen Augenblick fürs Bonding zu lassen, damit sie ihr Kind sehen und spüren.” Denn besonders auch für die Eltern ist eine Frühgeburt eine Stresssituation. “Damit haben sie nicht gerechnet, eine Geburt wird nicht mit Risiko und Krankheit verbunden.” Um mit der Situation umzugehen, steht den Eltern psychologische Betreuung zur Verfügung, auch Betten, damit sie in der Nähe des Kindes übernachten können. Manchmal sind auch schon Operationen für das Kleine notwendig, die speziell ausgebildete Kinderchirurgen durchführen. “Die Zusammenarbeit aller Disziplinen ist ein weiteres, absolutes Überlebenskriterium für Frühgeborene”, so Simma.
Intensive Medizin – für Frühgeborene
Spätestens 30 Minuten nach der Geburt wird das Frühgeborene in die Neonatologie verlegt, dort stehen sechs Intensivbehandlungsplätze zur Verfügung. “In den ersten fünf bis zehn Tagen geht es um die Stabilisierung der Atmung, des Kreislaufs und des Verdauungssystems. Auch die Ernährung muss genau gesteuert sein: alle zwei Stunden einen Milliliter, wenn möglich Muttermilch. Für die Eltern besteht selbstverständlich unbeschränkte Besuchszeit – es ist auch für sie eine enorme Ausnahmesituation.” Die Frühgeborenen bleiben meistens bis zum errechneten Geburtstermin in medizinischer und pflegerischer Betreuung an der Neonatologie.
Ständige Selbstkontrolle zur Verbesserung
Die Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am LKH Feldkirch bemüht sich gerade in diesem Bereich um ständige Verbesserung: So nimmt sie an internationalen Studien teil, um die eigene Arbeit vergleichbar zu machen und liegt hier unter den Top-Neonatologien Europas. Zudem hat Prim. Prof. Dr. Simma eine standardisierte entwicklungsneurologische Nachuntersuchung für die Frühgeborenen nach zwei Jahren eingeführt. Im Simulationszentrum der Pädiatrie Feldkirch besuchen Ärzte und Pflegefachkräfte regelmäßig Schulungen. Weiters werden anonymisierte Videodokumentationen für Lernzwecke durchgeführt, um sich ständig zu verbessern und den Frühgeborenen die beste Medizin und Pflege zukommen zu lassen.
Antonia und Bilguun konnten die Neonatologie schließlich zu ihrem offiziellen Geburtstermin verlassen – Antonia wog 2.200 Gramm, Bilguun 3.460 Gramm. Beide sind heute gesund. Die Elternpaare sind mehr als erleichtert – und waren dankbar, dass ihr Kind wohnortnahe im Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch gut versorgt wurde.
(Aussendung: LKH Feldkirch)