AA

Freund, Feind, Häupl

Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) wird zurücktreten
Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) wird zurücktreten ©APA
Gastkommentar von Johannes Huber. Christian Kern wird von seinem wichtigsten Genossen eh schon nicht unterstützt. Und dann belastet er seinen Wahlkampf auch noch zusätzlich.


Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) spielt den Verwunderten: Schon vor Monaten habe er angekündigt, dass er nach der Nationalratswahl zurücktreten werde. Doch jetzt, da er mit dem Jänner einen genaueren Zeitpunkt genannt hat, sei das „plötzlich der Aufreger“.  Seltsam. Oder etwa nicht?

In Wirklichkeit wird Häupl hoffentlich selbst wissen, was er angerichtet hat: Nämlich eine Neuauflage der Debatte darüber, wer ihm nachfolgen könnte. Wobei sich Wohnbaustadtrat Michael Ludwig bemüßigt fühlte, wieder einmal die Hand zu heben und damit zu bedeuten, dass er ganz gerne zum Zug kommen würde. Womit all jene, die politisch interessiert sind, an den erbärmlichen Zustand der Wiener SPÖ erinnert wurden. Ein Drama.

Ja, man muss gar nicht lange herumschreiben: Häupl hat den richtigen Zeitpunkt für seinen Rücktritt verpasst. Die Partei ist so sehr in ein eher rechtes Lager für Ludwig und ein eher linkes Lager gegen ihn gespalten, dass sie bei Gemeinderatswahlen am kommenden Sonntag wohl kaum noch auf Platz eins kommen würde. Sie müsste vielmehr mit einem historischen Debakel rechnen.

Und Häupl lässt diesen Zustand, den er als Vorsitzender in erster Linie zu verantworten hat, nicht nur gewähren. Er streckt ihn zunächst unnötig in die Länge und ruft ihn dann zu allem Überdruss auch noch mitten in einem Nationalratswahlkampf ins Gedächtnis zurück, in dem die Partei eigentlich alle noch verfügbaren Kräfte in die Rettung des Kanzleramts investieren müsste.

Christian Kern darf sich bedanken. Das hat ihm gerade noch gefehlt. War irgendwie aber halt doch absehbar: Häupl hat noch jeden Bundesparteivorsitzenden der jüngeren Vergangenheit auflaufen lassen. 2008 Alfred Gusenbauer. 2016 Werner Faymann. Und jetzt ist eben Christian Kern an der Reihe. Der nächste bitte.

Es ist ja nicht so, dass Häupl Kern jemals so sehr geschätzt hätte, dass er ihn an die Parteispitze gehievt hätte. Im Gegenteil: Lieber wäre ihm der Medien-Manager Gerhard Zeiler gewesen. Irgendwann aber gab es im Mai des vergangenen Jahres eine Mehrheit für Christian Kern, sodass er diesen eben ertragen musste.

Und frei nach dem Motto „Hinter mir die Sintflut“ lässt Häupl nun nicht nur seine Landesorganisation zugrunde gehen, sondern auch die Erfolgsaussichten von Christian Kern noch weiter schwinden. Gerade weil dieser zuletzt so viele Pleiten, Pech und Pannen geliefert hat, hätte er Unterstützung bitter nötig gehabt. Doch was tut Häupl? Er demoralisiert seine Parteifreunde und lässt nebenbei lakonisch wissen, dass er ein „respektables Ergebnis“ zur Nationalratswahl beisteuern wolle. Ein „respektables Ergebnis“: Das heißt so viel wie „keine Pleite“. Und das reicht nun einmal bei weitem nicht aus zur Verteidigung des Kanzleramts.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

  • VIENNA.AT
  • Johannes Huber
  • Freund, Feind, Häupl
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen