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Frankreichs Syrien-Politik: Kehrtwende in einem Nebensatz

Paris bringt Einbeziehung syrischer Truppen gegen IS ins Spiel.
Paris bringt Einbeziehung syrischer Truppen gegen IS ins Spiel. ©AP
Es war nur ein Nebensatz, den Frankreichs Außenminister Laurent Fabius in einem Radiointerview fallen ließ. Doch er könnte einen Wendepunkt in der französischen und sogar in der internationalen Syrien-Politik bedeuten.
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Im Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) seien neben Luftangriffen auch einheimische Bodentruppen nötig, sagte Fabius – “Einheiten der Freien Syrischen Armee, von sunnitischen arabischen Truppen, und warum nicht auch von Regierungstruppen?

Frankreich war lange erbitterter Gegner von Assad

Ein Bündnis des Westens mit der Armee von Syriens Machthaber Bashar al-Assad? Die Äußerungen von Fabius im Sender RTL kamen höchst überraschend. Denn lange war Frankreich international einer der erbittertsten Gegner Assads, und innerhalb der französischen Regierung galt der Außenminister als besonders unnachgiebig. Will das von islamistischen Anschlägen getroffene Frankreich jetzt im Kampf gegen den IS gemeinsame Sache mit dem Mann machen, den es stets als “Schlächter” verurteilte?

Fabius schob nach dem Radiointerview eilig hinterher, eine Beteiligung syrischer Regierungstruppen am Kampf gegen den IS sei nur “im Rahmen eines politischen Übergangs” denkbar – “und nur in diesem Rahmen”. Und dass ein solcher Übergang einen Abgang Assads zur Folge haben müsse, hat Frankreich immer wieder betont.

Französischer Kurswechsel nach Anschlägen beschleunigt

Doch was genau das für eine mögliche Kooperation mit syrischen Regierungstruppen bedeutet, blieb zunächst unklar. Und der französische Kurswechsel hatte sich schon seit Monaten angedeutet und nach den Anschlägen vom 13. November beschleunigt. Denn während der IS in Syrien und im Irak unaufhaltsam aufstieg und zur Bedrohung für den Westen wurde, stand Russland fest an der Seite seines Verbündeten Assad. Ein sofortiger Abgang des syrischen Machthabers, das wurde der französischen Regierung bewusst, wurde immer illusorischer.

Hollande: “Unser Feind in Syrien ist der IS”

Nach den Anschlägen von Paris stellte Frankreich die Personalie Assad dann endgültig hinten an. “Unser Feind in Syrien ist der IS”, sagte Staatschef Francois Hollande drei Tage nach dem Blutbad mit 130 Toten. Zuvor hatte Frankreich den IS und Assad gleichermaßen als Gegner angesehen. “Assad und die Terroristen, das sind zwei Seiten derselben Medaille”, pflegte Fabius zu sagen.

“Was wollen Sie machen?”, seufzte ein Regierungsvertreter nun. “In einem Kontext, in dem 130 Menschen in Paris getötet wurden, bei aus Syrien angezettelten Attentaten – wie wollen Sie den Menschen erklären, dass Sie eine ausgewogene Diplomatie verfolgen?” Die Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Nationalversammlung, Elisabeth Guigou, formulierte es so: “Frankreichs Diplomatie hat sich mit der Realität fortentwickelt.”

Frankreich wollte 2013 Luftangriffe gegen Assad fliegen

Hollandes Bemühungen im Kampf gegen Assad hatten schon im Sommer 2013 einen herben Dämpfer abbekommen. Nach dem tödlichen Giftgasangriff in einem Vorort von Damaskus, bei dem der Opposition zufolge mehr als 1.500 Menschen getötet wurden, wollte Frankreich an der Seite der USA Luftangriffe gegen Assads Truppen fliegen. US-Präsident Barack Obama machte aber im letzten Moment einen Rückzieher.

“Wir standen da wie begossene Pudel”, wurde ein Elysee-Berater später zitiert. Machtlos musste Frankreich in der Folge mit ansehen, wie Assad angesichts der jihadistischen Bedrohung – und mit massiver Unterstützung Russlands und des Iran – seine Position festigen konnte.

Hollande traf sich mit Putin in Moskau

Fabius’ Äußerungen kamen nun einen Tag nach Hollandes Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau, bei dem der französische Staatschef für ein breites Bündnis gegen den IS warb. Putin sagte zwar zu, von Luftangriffen auf die gemäßigte syrische Opposition abzusehen. Er betonte aber zugleich, die syrische Regierung sei ein “natürlicher Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus”.

So weit wird Frankreich nie gehen. Aber im Kampf gegen den IS scheint Paris bereit, sich eine ganz neue Syrien-Politik zuzulegen.

(APA)

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