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Forscher beobachten erstmals Kollision von Neutronensternen

Wissenschafter fingen sowohl Gravitationswellen als auch Licht von kosmischem Großereignis auf.
Wissenschafter fingen sowohl Gravitationswellen als auch Licht von kosmischem Großereignis auf. ©AFP
Forscher haben von einem kosmischen Großereignis erstmals sowohl Gravitationswellen als auch Licht (elektromagnetische Strahlung) aufgefangen. Konkret handelte es sich dabei um zwei kollidierende Neutronensterne. Die Beobachtung liefert neue Erkenntnisse über solche Kollisionen, bei denen schwere Elemente wie Gold und Blei entstehen.

Erst vor zwei Wochen gab es den Nobelpreis für den direkten Nachweis der Gravitationswellen, nun warten Forscher mit der nächsten sensationellen Entdeckung auf: die parallele Beobachtung von Gravitationswellen und elektromagnetischer Strahlung, die von der Kollision zweier Neutronensterne ausgingen. Über die Beobachtungen berichteten die Wissenschafter der Gravitationswellen-Observatorien LIGO (USA) und VIRGO (Italien) sowie der Europäischen Südsternwarte ESO am Montag in Pressekonferenzen sowie in mehreren in den Fachjournalen “Nature” und “Nature Astronomy” veröffentlichten Arbeiten.

Zu “Kilinova” verschmolzen

Ein Neutronenstern ist das, was nach einer Supernova von einem Stern übrig bleibt. Dieser Sternentyp hat einen Durchmesser von nur etwa zwanzig Kilometern, besitzt aber eine Masse, die etwa der unserer Sonne bis zu etwa 1,6 Sonnenmassen entspricht. Seine Dichte ist somit extrem hoch: Ein Teelöffel Neutronenstern-Material hat eine Masse von einer Milliarde Tonnen, wie das an der Entdeckung beteiligte Massachusetts Institute of Technology (MIT) am Montag in einer Mitteilung schrieb.

In einer Distanz von 130 Millionen Lichtjahren von der Erde rotierten die beiden nun beobachteten Neutronensterne immer dichter umeinander, erzeugten dabei Gravitationswellen und verschmolzen schließlich in einem “Feuerball”, einer sogenannten “Kilonova”. Bei solchen Kollisionen entstehen bestimmte schwere Elemente, wie Gold und Blei, und werden ins Universum hinausgeschleudert.

Bisher hatten die Gravitationswellen-Observatorien LIGO und VIRGO die von Einstein vorhergesagten Verkrümmungen der Raumzeit nach Kollisionen von Schwarzen Löchern aufgefangen. “Optische Beobachtungen waren dabei nicht möglich”, erklärt Astrophysiker Philippe Jetzer von der Universität Zürich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda.

“Jetzt haben wir einen neuen Typ von Ereignis mit diesen Gravitationswellen-Observatorien beobachtet”, so Jetzer weiter, dessen Postdoktorandin Maria Haney gemeinsam mit insgesamt rund 1.500 Forschern weltweit an der Entdeckung und Datenanalyse beteiligt war. Der “Feuerball” und Kollisionen des weggeschleuderten Materials mit Gaswolken im interstellaren Raum erzeugte elektromagnetische Strahlung praktisch im gesamten Wellenlängen-Spektrum.

Die Beobachtung gelang am 17. August mithilfe von LIGO, VIRGO und rund siebzig erdbasierten und Weltraum-Observatorien für elektromagnetische Strahlung. Gerüchte über die spektakulären Messungen geisterten seither bereits durch die Forschungsgemeinschaft.

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“Riesenglück”

Dank der parallelen Messung der Gravitationswellen mit LIGO und VIRGO konnten die Forscher die Quelle des Signals orten, und zwar in einer Galaxie, die unserer Milchstraße relativ nahe ist. “Dass dieses Ereignis so nahe war, war ein Riesenglück, denn die Gravitationswellen von Kilonovae können wir nur in deutlich geringerer Reichweite als die vom Verschmelzen Schwarzer Löcher beobachten”, erklärte Jetzer.

Knapp zwei Sekunden nach dem Ausschlagen der Gravitationswellen-Observatorien fing das Fermi-Weltraumteleskop der US-Raumfahrtagentur NASA einen Gammastrahlen-Blitz auf, der aus der gleichen Richtung kam. Im Laufe der nächsten Minuten und Stunden richteten zahlreiche weitere Teleskope und Observatorien ihre Messgeräte auf dieses Ereignis und sammelten eine Fülle von Daten. An deren Auswertung war auch Olaf Reimer, Professor am Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck, beteiligt.

“Wir können nun Rückschlüsse ziehen über die innere Zusammensetzung solcher Neutronensterne und dabei wichtige neue Erkenntnisse im Bereich der Kernphysik bei extrem hohen Dichten gewinnen”, erklärt Jetzer. Außerdem lasse sich aus dieser Beobachtung und hoffentlich weiteren solchen Ereignissen nachvollziehen, wie oft diese Kollisionen stattfänden und wie die Entstehung bestimmter schwerer Elemente im Universum ablaufe.

“Fetter Brocken nach dem Nobelpreis”

Reimer wertete im Gespräch mit der APA die Beobachtung als “fetter Brocken nach dem Nobelpreis”. Der Astrophysiker ist Mitglied im Fermi Large Area Telescope (LAT) Team, das die Daten von einem der beiden Instrumente des US-Weltraumteleskop für die Gammaastronomie auswertet. LAT konnte das Nachglühen des beim Verschmelzen der beiden Neutronensterne ausgelösten Gammastrahlenblitzes beobachten.

Der von LIGO ausgelöste Alarm habe es ermöglicht, viel mehr Instrumente in die Beobachtung zu involvieren, die Aufmerksamkeit auf ein konkretes Zeitfenster zu fokussieren und gezielt weiterzubeobachten. “Der Clou der Beobachtungen ist, dass bei der Kollision von zwei Neutronensternen sowohl Gravitationswellen als auch kurze Gammastrahlenblitze ausgesendet werden”, sagte Reimer. Damit ergebe sich erstmals ein globales Bild der Prozesse kurz vor, bei und nach der Kollision zweier kompakter Sterne. Abgesehen von den Neutrinos seien damit so ziemlich alle verfügbaren Informationskanäle, die man heute nutzen könne, in diesem Problem vereinigt.

(APA/Red.)

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