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Flüchtlinge: Strache sieht EU-Versagen und will Zäune an EU-Außengrenzen

Strache plädiert für "Schnellverfahren" zur Registrierung von Flüchtlingen
Strache plädiert für "Schnellverfahren" zur Registrierung von Flüchtlingen ©APA
Heinz-Christian Strache sieht angesichts der aktuellen Flüchtlings-Krise in Europa ein "totales Versagen der EU". In einem Interview trat der FPÖ-Chef dafür ein, dass an den EU-Außengrenzen, aber auch an jenen der Nationalstaaten, Zäune wie jene an Ungarns Grenze zu Serbien errichtet werden.
Flüchtlingsstrom aus Ungarn
Strache fordert Grenzzäune

Außerdem plädierte er für Registrierungsstellen für die Flüchtlinge an den Außengrenzen der Union.

Strache will Zäune an EU-Außengrenzen

Gefragt, ob es seiner Meinung nach sinnvoll wäre, Zäune wie in Ungarn an allen EU-Außengrenzen zu erreichten, sagte Strache: “Ja natürlich. Es wäre auch gut, wenn es auch abseits der geregelten Übergangsrouten Zäune gibt” – und zwar auch bei Nationalstaaten, sofern dies notwendig sei. “Es kann ja jeder über einen korrekten Übergang auch dann das Land queren.”

Dass die Bürger sich durch längere Wartezeiten gestört fühlen würden, glaubt Strache nicht: Man habe zwar “zum Glück” die Reisefreiheit, “auf der anderen Seite, wenn ich heute in einen Flieger einsteige, habe ich selbstverständlich Sicherheitschecks, muss man seinen Pass herzeigen. Ich bin froh darüber und dankbar, dass es diese Kontrollen gibt – zwecks Sicherheit. Und glauben Sie mir, das würde sich auch die österreichische Bevölkerung da und dort an den Grenzen wünschen. Da nimmt man gerne einmal ein paar Minuten in Kauf, die man länger wartet, aber dafür hat man andere Probleme nicht.”

“Völliges Versagen der EU”

Das Eintreffen von mehr als 3.600 Flüchtlingen aus Ungarn am Montag dieser Woche am Wiener Westbahnhof und deren quasi ungehinderte Weiterreise nach Deutschland zeigt für Strache, “dass das völlige Versagen der Europäischen Union sichtbar wird”: “Was wir hier erleben, ist ein völliges Versagen der EU-Schengen-Außengrenzen.”

Außerdem würden die Vorgänge einen “völligen Bruch der Dublin II und Dublin III-Richtlinien” bedeuten (laut denen jenes Land für die Bearbeitung von Asylverfahren zuständig ist, in dem Schutzsuchende erstmals EU-Boden betreten haben). “Das zeigt, dass hier offenbar die Kapitulation der Verantwortungsträger stattgefunden hat” – sowohl in Österreich als auch in anderen Ländern, sagte Strache.

Dublin-Regelung will Strache beibehalten

Die Dublin-Regeln will Strache aber beibehalten: “Das Gesetz ist ja richtig und gut. Es wird nur nicht eingehalten.” Von Bestrebungen, das Dublin-Regelwerk durch ein anderes System zu ersetzen, hält Strache nichts: Denn alle bisher geäußerten Vorschläge würden bedeuten, die “Völkerwanderung zu legalisieren”, so Strache.

Als Lösung sieht Strache ein System einer “Schnellüberprüfung” an, ähnlich wie es die Schweiz praktiziere: Die EU sollte an ihren Außengrenzen massivere Kontrollen durchführen und Aufnahmezentren errichten, wo eine erstmalige Registrierung der Flüchtlinge erfolgen sollte. Innerhalb von 48 Stunden sollte dort entschieden werden, welche Personen überhaupt in ein Asylverfahren hineinkommen können. Jene Personen, die dafür infrage kommen, sollten dann innerhalb der EU-Länder aufgeteilt werden, so Straches Vorschlag. Das eigentliche Asylverfahren sollte dann in den einzelnen Nationalstaaten durchgeführt werden.

Syrien-Krieg: Strache sieht NATO in der Pflicht

Als “völlig absurd” bezeichnete Strache Vorschläge, dass Österreich sich – innerhalb eines UNO-Mandates – an der Bekämpfung der Kriege in Syrien und der Einrichtung von “Schutzzonen” beteiligen könnte. Verantwortlich für die Lage in den Krisenregionen und der Ausbreitung des IS sei die NATO, und diese hätte auch die Pflicht, in diesen Regionen für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. “Man hat 600.000 irakische Soldaten überwältigt, also wird man auch ein paar zigtausend radikale Islamisten, die dort Mord und Totschlag leben, auch überwältigen können.”

Danach hätte man die Verantwortung, vor Ort Aufnahmezentren mit UNO-Mandat zu schaffen und entsprechend zu schützen. Außerdem müsse man den Aufbau in Syrien unterstützen, etwa im infrastrukturellen Bereich. Man müsse das Problem an der Wurzel packen und Probleme nachhaltig lösen – “und nicht zu transferieren und zu verschieben”.

Verfolgte im Sinne der Genfer Konvention

Außerdem gelte es, nicht “in Naivität” zu glauben, dass alle Personen, die nach Europa kommen, Verfolgte im Sinne der Genfer Konvention seien. Denn es gebe auch viele Wirtschaftsflüchtlinge, außerdem warnte Strache einmal mehr vor dem Einsickern von radikalen Islamisten.

Gefragt, wie viele Flüchtlinge Österreich seiner Meinung nach pro Jahr aufnehmen kann, sagte Strache, in Wahrheit liege diese Grenze bei 10.000 bis 15.000 Personen. Denn nur mit dieser Zahl sei eine “nachhaltige Integrationsmöglichkeit” und eine “Zukunftsfähigkeit” möglich. Alles was darüber hinausgehe, würde die Gefahr von sozialen Konflikten in sich bergen, so der FP-Chef. Einmal mehr sprach sich Strache auch gegen das “Durchgriffsrecht” des Bundes bei der Errichtung von Flüchtlingsunterkünften in Gemeinden aus.

Angesprochen auf die umstrittene Protestaktion der Wiener FPÖ gegen das Asylquartier in Erdberg in Wien-Landstraße vom Juni sagte Strache, er schließe nicht aus, dass es erneut Kundgebungen vor Asylzentren geben könnte. “Es gibt natürlich zuhauf Probleme”, sagte er. “Man soll die Sorgen der Anrainer nicht einfach vom Tisch wischen.”

Ungarns Botschafter in Wien verteidigt Grenzzaun

Der ungarische Botschafter in Österreich, Janos Perenyi, verteidigt indessen den Bau eines 175 Kilometer langen Stacheldrahtzauns an der Grenze seines Landes zu Serbien. In der “ZiB 2” des ORF-Fernsehens, sagte Perenyi am Mittwochabend, Ungarn müsse den Ansturm von Flüchtlingen “in eine geordnete Form” bringen. “Es gibt geschichtliche Situationen, die außer Kontrolle geraten.”

Vergleiche zu den Jahren 1956, als rund 200.000 Ungarn im Zuge eines niedergeschlagenen Aufstands aus ihrer damals kommunistischen Heimat ins Ausland – vorwiegend nach Österreich – flohen, oder dem Abbau des “Eisernen Vorhangs” zwischen Ost- und Westeuropa vor mehr als 25 Jahren lehnte der Diplomat ab. Solche Vergleiche seien “unhistorisch und irreführend”.

3.000 Flüchtlinge am Ostbahnhof (Keleti)

In Budapest hatten am Mittwoch rund 3.000 Migranten – die meisten aus Kriegsgebieten des arabischen Raums wie Syrien – am Ostbahnhof (Keleti) ausgeharrt. Gegen Abend verdichteten sich die Anzeichen, dass die ungarische Polizei eine Räumung des Bahnhofs vorbereiten könnte. Möglicherweise sollen die Asylbewerber mit Bussen in Lager gebracht werden.

An sich will die Mehrheit von ihnen nach Deutschland weiterreisen. “Ungarn allein” könne das Flüchtlingsproblem nicht lösen, insistierte Perenyi gegenüber dem ORF. Es müsse eine Lösung auf EU-Ebene gefunden werden. Zudem müssten Konzepte zur Bekämpfung der Ursachen der Fluchtbewegungen im Nahen Osten und der afrikanischen Subsahara-Region ausgearbeitet werden.

Der rechtsnationale ungarische Regierungschef Viktor Orban kommt am Donnerstag nach Brüssel, um über die Migrationskrise zu beraten. Er wird mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und danach mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zusammentreffen.

Nothilfe für Ungarn gefordert

Ungarn möchte laut Kommission eine Nothilfe von acht Millionen Euro erhalten, um ankommende Flüchtlinge zu versorgen. Die Kommission hatte Ungarn ermahnt, in der Krise europäisches Recht einzuhalten. So müssten alle ankommenden Flüchtlinge mit Fingerabdrücken registriert werden.

Trotz des neuen Grenzzauns mit zum Teil messerscharfen Klingen hält der Zustrom an Migranten an. So waren am gestrigen Dienstag insgesamt 2.284 neue Flüchtlinge, darunter 353 Kinder, in Ungarn eingetroffen, wie die Polizei am Mittwoch mitteilte. Der vier Meter hohe Verhau soll illegale Einwanderung über die EU-Außengrenzen zwischen Serbien und Ungarn verhindern.

(apa/red)

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