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Flüchtlinge: Kindern drohen sexuelle Übergriffe - Schutz gefordert

Millionen Menschen auf der Flucht - Übergriffe auf Kinder gemeldet
Millionen Menschen auf der Flucht - Übergriffe auf Kinder gemeldet ©APA (Sujet)
Flüchtlinge leiden körperlich und psychisch enorm. Kinder trifft dieser Ausnahmezustand besonders hart. "Wo immer Krieg und Bürgerkrieg ist, leidet die Zivilbevölkerung. Und darunter am meisten die Kinder", sagt der ehemalige Münchner Kinder- und Jugendpsychiater, Joest Martinius.

Die Buben und Mädchen bräuchten deshalb zunächst vor allem eins: “Sicherheit und Schutz. Und dieses Bedürfnis endet nicht am Strand von Kos. Das kann man getrost bis zum Münchner Hauptbahnhof und weiter denken”, so der Vorstand des Expertengremiums der Kinderhilfsstiftung World Childhood Foundation. Die Stiftung, die Königin Silvia von Schweden 1999 gegründet hat, setzt sich seit fast zehn Jahren auch für den Schutz von Flüchtlingskindern ein.

Millionen Menschen auf der Flucht

Etwa eine Million Flüchtlinge werden mittlerweile in diesem Jahr in Deutschland erwartet. Etwa 300.000 davon werden Childhood-Experten zufolge minderjährig sein. Die beschwerliche Reise ist nicht die einzige Gefahr für Kinder auf der Flucht. Viele verlieren auf der meist lebensgefährlichen Reise ihre Familien und sind Schleppern oft schutzlos ausgeliefert. “Es ist gar nicht selten, dass Schlepper sexuellen Missbrauch betreiben. Weiterkommen nur gegen Sex”, beschreibt Jörg Fegert, ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums in Ulm, die Situation.

Die Leiterin der SOS-Kinderdörfer in Serbien, Vesna Mrakovic-Jokanovic, bestätigte die gefährliche Situationen für die Mädchen und Buben auf ihrer Flucht. “Wir haben erlebt, dass Eltern sich unterwegs von ihren Kindern trennen, weil sie mit diesen zu langsam vorankamen. Später wollen sie ihre Kinder dann nachholen”, sagt sie in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der Organisation. Viele würden denken, dass es leichter sei, einzeln über die ungarische Grenze zu kommen. “Menschenhändler haben dann oft leichtes Spiel. Sie haben es besonders auf junge Mädchen abgesehen”, so Mrakovic-Jokanovic.

Brutale Übergriffe auf Kinder

Kinderdorf-Mitarbeiter bekommen dort zudem auch immer wieder mit, dass Kinder ausgeraubt und brutal geschlagen werden. “Deswegen hat SOS in einigen Flüchtlingsunterkünften sichere Orte eingerichtet, in denen die Kinder betreut und beschützt werden.”

Eine Studie der Technischen Universität München zeigt, dass die Mehrheit der Kinder erst in der Heimat und später auf der Flucht traumatische Erlebnisse hatte: Rund ein Drittel aller Flüchtlingskinder leiden an einer psychischen Belastung, jedes fünfte an einer posttraumatischen Belastungsstörung. “Umso wichtiger ist es, dass wir hier alles dafür tun, dass sie hier in Deutschland nicht weitere Traumata erleben”, sagt Johannes-Wilhelm Rörig, der Beauftragte der deutschen Regierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs.

Mindeststandards gefordert

Der Missbrauchs-Experte fürchtet, dass die Buben und Mädchen in den zentralen Unterkünften weiteren problematischen Erlebnissen ausgesetzt sein könnten, weil sie dort nicht ausreichend vor sexuellen Übergriffen geschützt sind. Die Abläufe in Zeltlagern, Gemeinschaftsunterkünften und Kasernen seien oft sehr ungeordnet. “Meine größte Angst ist, dass unter dem Deckmantel der Hilfsbereitschaft Pädosexuelle versuchen könnten, Kontakt zu Kindern aufzunehmen.”

Es müsse deshalb schnell Mindeststandards in den Unterkünften geben, die schon jetzt für Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Sportvereine gelten. “Flüchtlingsunterkünfte dürfen kein Tatort für sexuelle Übergriffe werden”, fordert Rörig. Nach Geschlecht getrennte, abschließbare Toiletten und Waschräume, erweiterte Führungszeugnisse des Personals, klar erkennbare Beschwerdemöglichkeiten für die Flüchtlinge und auf das Thema sensibilisierte Helfer seien nur einige Bestandteile des Schutzkonzeptes.

>> Flüchtlinge in Österreich angekommen: Die aktuellen Geschehnisse

(APA)

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