“Bluthaus” ist letztlich ein hochkomplex konstruiertes Werk, das ungeachtet seines dramatischen Sujets zugleich emotional blutleer bleibt. Die junge Nadja will ihr Elternhaus verkaufen, nachdem ihre Eltern vermeintlich bei einem Unfall ums Leben gekommen sind. Der Makler und Kaufinteressenten treffen ein und scheinbar plätschert die Handlung im Boulevardstil dahin – bis die gehässigen Nachbarn auftauchen und erzählen, was wirklich im scheinbaren Idyll geschah: Nadjas Mutter erstach den Vater und schnitt sich danach selbst die Kehle durch, weil der Vater mit der Tochter eine inzestuöse Beziehung hatte.
Oper “Blutshaus” thematisiert Missbrauch
Von hier steigert sich Oper zu einem Psychogramm der emotional zerstörten Nadja, die sich nicht von der Figur des ungeachtet des Missbrauchs geliebten Vaters lösen kann, der wie die Mutter als untoter Geist den Befreiungsschlag der Tochter abwürgt. Das Ausleben ihrer eigenen Sexualität wird verhindert, das Abschütteln der durch das Haus versinnbildlichten Vergangenheit misslingt schließlich.
Haas und Händl setzen bei ihrem Stück dabei weniger auf Realismus, denn auf ein Wechselspiel aus vermeintlich harmloser Textebene und der diffizilen Musik, in der sich unterschwellig der Schrecken und das Grauen in die Szenerie einschleicht. Haas’ Musik entspannt sich dabei von Sprechgesang, langen Gesangslinien bis hin zu langsamer Melodienentwicklung und agiert oftmals gegenläufig zur Dramatik der Situation, wird umso melodischer, je desaströser das Geschehen auf der Bühne ist. Ebenso gehen die Handlungen der Akteure und das meist in Satzfragmenten auf verschiedene Figuren verteilte Libretto nur selten Hand in Hand – ein weiteres Untergeschoß dieses schwankenden, hoffnungslosen Stückbaus, den Regisseur Peter Mussbach in ein zwischen weiten und klaustrophobischen Räumen changierendes Setting setzt.
Lob für die Darsteller bei den Wiener Festwochen
Wie bei der Uraufführung in Schwetzingen überzeugte bei den Darstellern während der Wiener Festwochen Sarah Wegener als Nadja mit starkem Sopran, der Emotionsausbrüche ebenso wie leichtes Tändeln bewältigt, was auch für Ruth Weber und Otto Katzameier im Melismenfuror als Nadjas tote Eltern galt. Daniel Gloger strapaziert auftragsgemäß als countertenoraler Makler mit Fistelfalsett die Nerven der Zuschauer. Und dennoch: Ungeachtet aller klug gebauten, miteinander verzahnten Etagen bleibt dieses “Bluthaus” ein lediglich intellektuell beeindruckendes Bauwerk. Den emotionalen Zugang zu diesem Gebäude muss man allerdings lange suchen.
Weitere Vorstellungen von “Blutshaus” gibt es am 13. und 15. Juni im Theater an der Wien.
(APA)