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Ferienhaus in Fontanella

©Stefan Hauer
Das Große Walsertal ist seit siebzehn Jahren als Musterregion für nachhaltiges Leben und Wirtschaften bei der UNESCO gelistet. Die einmalige Natur- und Kulturlandschaft soll als Biosphärenpark erhalten bleiben. Dennoch wandern viele ab, es gibt zu wenig gute Arbeitsplätze. Andere zieht es hierher, so auch den Bauherrn eines Ferienhauses in Fontanella, für das ein altes Bauernhaus saniert und ein ungenutzter Stall adaptiert wurde.
Ferienhaus in Fontanella

Es ist eine Liebesgeschichte, die vor dreißig Jahren begann. Damals mietete ein Freund des Bauherrn das leerstehende Bauernhaus im nördlichen Teil des Großen Walsertals von der Besitzerin, die darin aufgewachsen war, als Ferienhaus. Er lud viele Gäste ein, viele kamen immer wieder, unter ihnen der heutige Besitzer. Und der versprach seinem Freund vor Jahren: Wenn du mal nicht mehr willst, dann mache ich hier weiter. Als er dann wirklich den Mietvertrag übernehmen sollte, stellte sich heraus, dass die Besitzerin das Haus ihren Kindern überschrieben hatte, die es wiederum verkaufen wollten. Was nun? Wollte er das? Das Ferienhaus fühlte sich schon wie ein zweites Zuhause an. Also entschied er sich zum Kauf und sanierte zuerst einmal den holzgeschindelten Wohntrakt, an dem seit langer Zeit nur das Nötigste repariert worden war. Neue Fenster und Fensterläden, Außenstufen im steilen Hang, endlich ein zweites Duschbad im Übergang zum ehemaligen Stall, eine verglaste Feuerstelle in der Stube – alles realisierte er mit Hilfe regionaler Handwerker und Produkte und viel Sinn für den Erhalt alter Strukturen.

Er hielt auch die Tradition großzügiger Gastfreundschaft aufrecht: Im Wohntrakt gibt es Schlafgelegenheiten für vierzehn Personen, am Tisch in der Stube kann es eng werden. Da bot sich ein Ausbau des alten Stalls an. Der Statiker Thomas Burtscher aus dem nahen Raggal, der den Bauherrn während der Sanierung kennengelernt hatte, stellte den Kontakt zu Architekt Reinhold Hammerer aus Ludesch her, der die Planung übernahm. Die programmatischen Wünsche richteten sich auf die Erweiterung der Gemeinschaftsflächen und auf mehr Komfort, das hieß vor allem Bäder, aber auch eine Sauna mit Wellnessbereich. Bei all dem sollte man dem Stall die Baumaßnahmen möglichst nicht ansehen.

Üppig dimensionierte Stauräume sind nun neben einem kleinen Weinkeller im unteren Geschoß platziert, vom östlichen Vorplatz aus kommt man direkt zu ihnen. Wände, Einbaumöbel und Boden sind aus Weißtanne. Sie bilden in ihrer Geradlinigkeit einen starken Kontrast zur ehemaligen Kuhstalltür und dem sandgestrahlten Brunnentrog im Vorraum. Für die Treppe wurden alte Dielen verwendet. Im Obergeschoß erweitert ein großes, städtisch wirkendes Wohnzimmer mit offenem Kamin aus Stampflehm den Wellnessbereich mit Zirbensauna: Die breite Schiebetür dazwischen steht fast immer offen. Hier dominieren ein fantastischer Ausblick, der sichtbare Dachstuhl und die unverrückten Strickbauwände, deren Zwischenräume mit Strohlehm verschlossen wurden. Ein Rückzugsraum ist mit einem weiteren Lehmofen ausgestattet, neu aufgestellte Wände sind mit Weißtanne belegt oder aus Glas. Haus und Stall liegen in einem schmalen Geländeabschnitt, der als höchst lawinengefährdet gilt. In der alten Stube schauen wir uns Pläne und Fotos an, und die Lawinenkatastrophe von 1954 ist sofort gegenwärtig, als Architekt und Bauherr die Situation schildern. Nur unter hohen Sicherheitsauflagen durfte überhaupt gebaut werden. Manch ein Bauherr hätte hier aufgegeben. Die Idee, den ganzen Trakt einfach abzureißen, bekam einigen Charme: Mit einem Neubau hätte man die alten Strukturen nachbilden und einige alte Materialien wieder verwenden können. Aber Bauherr, Architekt und Statiker hielten am Umbau fest, und konstruierten alles Nötige um das freigelegte Gerüst des alten Stalls herum. Die Betonzwischendecke, das mächtige Dach, die bergseitige Erdanschüttung und die Dimensionierung der Rückwand finden in der Lawinensicherheit ihre Erklärung, aber auch die Stahlträger, die innen die Dachkonstruktion verstärken. Sie sind offen sichtbar und eine weitere Variation der thematischen Verbindung scharf definierter Kanten mit den weichen Konturen von altem Holz. Der talseitige Wohntrakt profitiert von der neuen Standfestigkeit des Stalls. Dessen vorgesetzte Holzschiebeläden schützen aber nicht nur vor Lawinen. Sie haben dieselbe Struktur wie die Fassade aus Fichtenlatten, und wenn sie komplett geschlossen sind, sieht dieser Gebäudeteil von Weitem wieder wie ein Wirtschaftstrakt aus. Sie lassen bewusst Licht hereindringen, um auch im Inneren eine Stimmung wie in Stall und Scheune hervorzurufen.

Der Bauherr genießt die großzügigen Räume mit Familie und Gästen und dekoriert sie liebevoll mit allem, was einem zum Thema Bergwelt und ungezähmte Natur einfallen kann. Auch die ehemalige Besitzerin kam, um die Verwandlung zu bestaunen.

Daten & Fakten

Objekt Haus S, Ferienhaus, Fontanella
Eigentümer/Bauherr Fam. Schleunung, Marktheidenfeld
Architektur HAMMERER Architekten ztgmbh, Ludesch (A), Aarau (CH) www.hammerer.co
Statik Ingenieurbüro Burtscher, Raggal
Fachplaner örtliche Bauaufsicht: Ingenieurbüro Burtscher (Alexander Sparr)
Planung Jänner 2012 bis Dezember 2012
Ausführung Mai 2013 bis Dezember 2013
Grundstücksgröße 865 m²
Wohnnutzfläche 105 m²
Keller 70 m²
Bauweise historischer Strickbau – Zwischenräume mit Strohlehm ausgefacht, Holzwände neu mit bandsägegeschnittener Weißtanne belegt. Fußboden in bandsägegeschnittener Weißtanne. Außen sägerauer Holzschirm in Fichte mit offenen Fugen.
Besonderheiten Stampflehmofen, Zirbensauna, Treppe aus alter Bestandsdielendecke hergestellt.
Ausführung Zimmerer: Arno Bickel, Sonntag; Tischler: Gottlieb Kaufmann, Blons; Stampflehmofen: Müller Ofenbau Ludesch; Installateur: Küng, Thüringen; Elektriker: Licht und Wärme, Raggal; Schlosser: Gruber, Raggal; Spengler: Burtscher Ludesch
Energiekennwert (HWB) 30 kWh/m² im Jahr

Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der VN

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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