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Fan-Reisebericht: Violette Party ohne Einladung

Austriafans in Bremen / Blick vom Auswärtssektor auf das Spielfeld
Austriafans in Bremen / Blick vom Auswärtssektor auf das Spielfeld ©Martin Marchl
Eine unglückliche 0:2-Niederlage setzte es für Austria Wien in der Europa League gegen Werder Bremen. Wie erlebten die mitgereisten Austria-Fans das "Abenteuer Bremen"? Unser Reporter Philipp Glanner war mit den Austriafans in Norddeutschland unterwegs. Auf seiner Reise über Hamburg nach Bremen traf er Schotten, nette Hafenkneipen und einen Auswärtssektor, der einer Baustelle glich. Ein Reisebericht:

Wien-Schwechat: Noch zwei Stunden bis Hamburg! Doch nicht für die Pechvögel des Tages: Ein paar trinkfreudige Austrianer, die sich trotz rechtzeitigem Check-In zu lange Zeit für den “Morgencafe” im Duty-Free-Bereich nahmen, sollten erst einen halben Tag später mit dem Zug in Hamburg eintrudeln. Zu diesem Zeitpunkt spazierte ich mit meinen beiden mitreisenden Austriafans schon längst die Reeperbahn abwärts zu Ladungsbrücken am Hamburger Hafen. Unser Weg führte vorbei an immer größer werdenden Gruppen von Celtic-Fans (HSV empfing am Donnerstag Celtic Glasgow), die sich mit Bier und lautstarken Gesängen schon nachmittags auf eine rauschende Nacht einstimmten und mit Freude unsere (violette) Anwesenheit goutierten. 

The Bhoys are Back in Town
In Altona machten wir einen Zwischenstopp in der Hafenkneipe “Zum Schellfischposten”, der direkt neben dem Fischmarkt liegt. In der kleinen, feinen Kneipe, ausgestattet mit allen möglichen Accessoires aus der Schifffahrt und einer Jukebox, die alles spielt was das Schlagerherz begehrt, nahmen wir einige der schmackhaften Hamburger Astra-Biere zu uns, eher es uns gegen Abend in den Knust verschlug. Nein, ihr werter Reporter musste nicht hinter Gitter – Knust ist ein norddeutscher Begriff für der Kanten (Das Ende vom Brot) und das Knust in Hamburg und ist eine alte Rinderschlachthalle, die zu einer Musikkneipe umfunktioniert wurde.

Dort veranstalteten St.Pauli-Fans eine “The Bhoys are back in Town”- Party zu Ehren der in der Stadt befindlichen Schotten. Zu Bier, Whiskey und irischen Klängen sangen und tanzten hunderte Fußballfans in grün- und braun-weiß durch die Nacht. Es herrschte eine unglaubliche Atmosphäre, man hatte das Gefühl sich direkt neben dem Glasgower Celtic Park zu befinden und nicht in unmittelbarer Nähe zum Millerntorstadion von St.Pauli. Die feuchtfröhliche Stimmung schwappte regelrecht über, als die Band zu Ehren der langjährigen Fan-Freundschaft zwischen den beiden Klubs das gemeinsame St.Pauli & Celtic-Lied zum Besten gab.

Party ohne Anmeldung
Der Donnerstag stand ganz im Zeichen von Austrias Europacupauftritt in Bremen. Nach einer langatmigen Busfahrt vorbei an nicht enden wollenden Baustellen erreichten wir unser Ziel. In der Hansestadt angekommen, steuerten die meisten Austriaanhänger zu dem gemeinsamen Treffpunkt in Paulaners Biergarten Schlachte.

Wie ich dem Weser-Kurier entnehmen konnte, war die Wirtin des Biergartens total unvorbereitet auf die Invasion der cirka zweitausend Austrianer. Führende Köpfe aus Austrias Fanszene hatten das Lokal zwar Wochen vor dem Spiel ausgesucht und bei Austriaspielen beworben, aber schlichtweg vergessen, die Lokalbesitzerin zu informieren. Das tat erst einen Tag vor dem Spiel die mitgereiste Wiener Fanpolizei. Doch die Lokalbesitzerin bewies Improvisationskunst und organisierte innerhalb kürzester Zeit ausreichend Proviant und Verpflegung für eine friedliche violette Fanparty.

Ich bevorzugte es jedoch, mit einer kleinen Gruppe Austrianern die Altstadt und die Bremer Stadtmusikanten zu erkunden – vor allem das Schnoorviertel hatte es mir angetan. “Willkommen in der Lebkuchenstadt” war mein erster Gedanke, als ich durch die schmalen Gassen vorbei an den mittelalterlichen Häusern spazierte. Der dunkle Herbstabend und das Nieselwetter sorgten für vorweihnachtliche Stimmung, die jedoch umso rascher verflog je näher der Spielbeginn rückte. Mit der Tramway stiegen wir beim Weserstadion aus und wir staunten nicht schlecht, denn das flutlichtbeleuchtete Stadion lag mitten in der Stadt und war umgeben von reichlich frequentierten Ecklokalen, sowie Imbiss- und Getränkeständen.

Weserstadion, Foto: Martin Marchl

Heimspiel in Bremen
Beim Stadion angekommen betraten wir die “Baustelle” für die Gäste. Da der Spielbetrieb des Weserstadions trotz Umbaus fortgesetzt wird, ergab sich für den Wiener Besucher ein ungewohntes Bild. Ein Kran mitten auf der halbfertigen Tribüne, nackte Betonwände und viele Provisorien trübten ebenso den Eindruck wie die gewöhnungsbedürftige eingedeutschte Version des Fußball-Evergreens “Football´s Coming Home”, die aus den Stadionboxen dröhnte. Die mitgereisten Gästefans fielen nicht nur durch eine gelungene Fahnenchoreographie auf, sondern sie gaben auch an diesem Abend eindeutig den Ton an. “Wir haben ein Heimspiel in Bremen”, hallte es immer wieder durch das ausverkaufte Weserstadion, die Stimmung war phänomenal. Die Austria spielte gefällig mit und dominierte zeitweise das Geschehen am Feld. Auch nach dem klaren Abseitstor für Werder und dem alles entscheidenden zweiten Gegentreffer nur wenige Momente später bewiesen die Veilchen Treue und feierten trotzdem ihre Mannschaft. Nach dem Match ging es “heimwärts” nach Hamburg.

Abend im Hamburger Hafen, Foto: Gerhard Schotter

Der nächste Tag wurde für eine Hafenrundfahrt genutzt. Selbst als stolzer Wiener muss man neidlos anerkennen, dass die Elbe doch ein ganzes Stück mächtiger und befahrener ist als die blaue Donau. Auch der in der Speicherstadt gelegene Dungeon ist ein Erlebnis. Hier erwartet den Besucher eine Mischung aus Historie und Geisterbahn. Schauspieler führen durch die Räumlichkeiten und man erlebt hautnah die schon längst vergangenen düsteren Stunden der Stadt nochmals mit. Da wir leider keine Karten für den samstäglichen Zweitligaschlager zwischen St.Pauli und Fortuna Düsseldorf ergattern konnten gingen wir auf Entdeckungsreise auf die Reeperbahn. Hamburgs Sündenpfuhl, dort wo Herr Vergnügen und Fräulein Sünde seit Jahrhunderten Tür an Tür wohnen, bietet viel mehr als leichte Mädchen oder anrüchige Stripteaseshows. Kultkneipen, viele Restaurants, das St.Pauli- Theater und zahlreiche Kabarett- und Variété-Shows ließen die Nacht zum Tag werden.

Reeperbahn, Foto: Martin Marchl

Text: Philipp Glanner, Fotos: Martin Marchl, Gerhard Schotter

Weitere Bremen- & Hamburg Tipps:

Altstadt Bremen:
Ein Besuch der zahlreichen Cafehäuser lohnt sich, auch der kritische Wiener Kaffeetrinker wird zufrieden sein.

Weser-Stadion und Museum:
Das Wuseum(!) von Werder sollte man gesehen haben.

HSV-Stadion und Museum:
Auf den Spuren von Ernst Happel und Valdas Ivanauskas.  Ein Muss für jeden Fußballfan.

St.Pauli-Stadion: Das Millerntor darf nicht fehlen auf einem Fußballtrip in den Norden.  Der Kultklub mit dem Totenkopfsymbol ist auf der ganzen Welt bekannt.

Schanzenviertel:  Zahlreiche alternative Lokale, Restaurants, Platten- und Kleiderläden laden ein.
 Wer es gerne preiswert und „anders“ mag ist dort bestens aufgehoben.

Bruzzelhütte II: Die direkt auf der Reeperbahn gelegene Currywurstbude ist nichts für Schwächlinge. Es kann aus mehreren Schärfegraden gewählt werden, unter anderem: Elbgranate, Nervenschocker, Atemblocker, Endstation, usw.! Wer traut sich?

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