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Fall Anatoly R.: Russland hält sich nicht an Versprechen rund um Auslieferung

Anatoly R. kam nach russland zurück - dafür wurden jedoch Bedingungen vereinbart
Anatoly R. kam nach russland zurück - dafür wurden jedoch Bedingungen vereinbart ©APA
Offenbar hält sich Russland nicht an die Bedingungen, die von der Wiener Justiz an die Auslieferung des angeblichen Vierfachmörders Anatoly R. geknüpft worden sind.
Auslieferung zulässig
Mordvorwürfe konstruiert
Verhaftung in Wien
Keine Auslieferung

In Stattgebung eines Ersuchens der Moskauer Generalstaatsanwaltschaft wurde der im Februar 2014 in Wien festgenommene Anatoly R. (39) am 21. August 2015 den russischen Behörden übergeben. Seither sitzt er in Sibirien im Gefängnis.

Angeblicher Vierfachmörder lebte in Wien

Anatoly R. war 2009 aus seiner Heimat geflüchtet und hatte unter falscher Identität in Wien gelebt. Er bestreitet, unter dem Spitznamen Celentano der berüchtigten “Trigunov-Brigade” – eine 200 Mann umfassende sibirische Mafia-Bande – angehört zu haben. In seinem Auslieferungsverfahren hatte er sich als Regimekritiker dargestellt, den man mundtot machen wolle, weil er in Nowosibirsk hohen Polizeivertretern Amtsmissbrauch und Korruption vorgeworfen und sich geweigert habe, Schutzgeld an die Polizei abzuliefern.

Russland garantierte menschenrechtskonforme Behandlung

Für den Fall seiner Auslieferung hatte Russland schriftlich eine menschenrechtskonforme Behandlung des Mannes garantiert. Außerdem wurde versprochen, man werde der österreichischen Botschaft den Ort seiner Inhaftierung und eine allfällige Verlegung bekannt geben und einem anwaltlichen Vertreter ein jederzeitiges Besuchsrecht ohne Vorankündigung einräumen.

Knapp vor Weihnachten wurde bekannt, dass der Mann in einem Gefängnis untergebracht wurde, das nicht europäischen Mindeststandards entspricht, und überdies mehrfach verlegt wurde. Einer Anwältin, die ihn besuchen wollte, wurde nach Informationen der Gefangenenhilfsorganisation “Pokrov” drei Mal der Zutritt verwehrt.

Anatoly R. in Einzelhaft und eingeschüchtert

Die Situation dürfte sich für Anatoly R. seither nicht verbessert haben. Laut “Pokrov” soll er sich inzwischen in Einzelhaft befinden, und als die Anwältin ihn kürzlich sehen durfte, soll er sehr eingeschüchtert gewirkt und auf Fragen nur mit Phrasen geantwortet haben. Die Anwältin gewann den Eindruck, dass das Gespräch abgehört wurde und Anatoly R. aus Angst vor Repressalien mit ihr nicht unbefangen kommunizieren konnte.

Relevant auch für Fall Aslan G.?

Dieser Umstand könnte von Bedeutung für weitere, bei der Wiener Justiz anhängige russische Auslieferungsersuchen sein. Im Fall Aslan G. – ein angeblicher Serien-Mörder – wurde vom Wiener Oberlandesgericht (OLG) die Auslieferung vorerst abgeblasen und Erhebungen hinsichtlich des Schicksals von Anatoly R. in Auftrag gegeben, dessen Auslieferung das OLG für zulässig erklärt hatte. Im Fall Naim M. – Russland möchte den ehemaligen Generaldirektor der staatlichen Finanzierungsgesellschaft FLC wegen Anstiftung zum Mord und schweren Betrugs vor Gericht stellen – hat dessen Wiener Rechtsvertreter Richard Soyer eine Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens beantragt.

OLG hatte Auslieferung für zulässig erkannt

Das OLG hatte auch diese Auslieferung Ende Oktober formal für zulässig erkannt, allerdings fehlt für den Vollzug noch das “grüne Licht” des Justizministeriums. Für den Rechtsbeistand des 48-Jährigen ist eine neuerliche Prüfung des russischen Begehrens unumgänglich, wobei Soyer neben den jüngsten Entwicklungen rund um Anatoly R. auf die geänderte Rechtslage in Russland verweist, wo man sich seit knapp zwei Monaten an Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nur mehr dann gebunden sieht, wenn diese innerstaatlichem Recht entsprechen. Für Soyer liegen “neue Tatsachen und Beweismittel” vor, die als “Auslieferungshindernisse” einer Abschiebung von Naim M. im Wege stehen, wie seinem Wiederaufnahmeantrag zu entnehmen ist. Mit diesem muss sich nun zunächst das Wiener Straflandesgericht auseinandersetzen.

>>Übergabe an Bulgarien im Fall Aslan G. für zulässig erklärt

(apa/red)

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