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EU: EU-Verfassung bis 2009?

Das Europaparlament hat sich mit breiter Mehrheit für die EU-Verfassung ausgesprochen, die seit den negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden auf Eis liegt. Bis 2009 soll sie zustande kommen.

Das Europaparlament hat sich am Donnerstag mit breiter Mehrheit für die EU-Verfassung ausgesprochen, die seit den negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden auf Eis liegt. Die Abgeordneten in Straßburg stimmten für einen Bericht des österreichischen Grünen Johannes Voggenhuber und des britischen Liberalen Andrew Duff, wonach die EU bis Ende 2007 Klarheit über die Zukunft der Verfassung erzielen sollen. Spätestens 2009, also bis zu den nächsten Europawahlen, soll der Verfassungsvertrag in Kraft treten.

Für den Bericht stimmten 385 Abgeordnete, 125 votierten dagegen. Forderungen der Berichterstatter nach einem möglichen Aufschnüren des Textes erhielten keine Mehrheit. Allerdings sei der Ratifizierungsprozess nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden in unüberwindliche Schwierigkeiten geraten, stellt das Europaparlament fest. Verworfen wurde von den EU-Parlamentariern auch die von Voggenhuber und Duff geforderte Option, die Verfassung 2009 zu einer europaweiten Volksabstimmung vorzulegen. Die Abgeordneten machten allerdings deutlich, dass es nach dem derzeitigen Vertrag von Nizza nicht möglich sei, die EU nach den Beitritten Rumäniens und Bulgariens erneut zu erweitern – dies ist vor allem ein Hinweis auf die Kandidatenländer Kroatien und die Türkei.

„Die Verfassung ist nicht tot“, dies sei das klare Ergebnis der Abstimmung, zeigte sich Voggenhuber dennoch mit dem Ergebnis zufrieden. Das EU-Parlament habe die Initiative inmitten von vielen Irritationen und der „Katzenmusik der Regierungen“ ergriffen. Er hoffe, dass die österreichische Ratspräsidentschaft diese Initiative aufgreife, sagte Voggenhuber. Wenn die Entschließung auch keine Änderungen am aktuellen Text verlange, so könne dennoch nicht die Botschaft der EU-Parlaments sein, „dass wir wieder mit demselben Text kommen“. Demgegenüber erklärte der Präsident des Verfassungsausschusses im EU-Parlament, der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen: „Alle Versuche, dieses historische Projekt für tot zu erklären oder den vorhandenen Kompromiss aufzubrechen, wurden abgelehnt.“

Duff und Voggenhuber sprachen sich auch gegen den von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgeschlagenen Lösungsansatz aus, den bestehenden Verfassungstext durch Ergänzung um ein Sozialprotokoll zu retten. „Das ist eine allzu simple Lösung“, sagte Duff. Der von den Franzosen geäußerte Unmut sei tiefer gehend, als dass er durch einen in Berlin entworfenen Zusatz entkräftet werden könnte. Es sei eine „Fehleinstellung“, wenn man glaube, soziale Fragen in der EU lösen zu können, ohne in den Text der Verfassung einzugreifen, betonte Voggenhuber.

Der grüne Europaparlamentarier kritisierte den „beispiellosen Brief“ der Präsidenten des österreichischen, des finnischen und des deutschen Parlaments, Andreas Khol (V), Paavo Lipponen und Nobert Lammert, an den Europäischen Parlamentspräsidenten Josep Borrell. Khol, Lipponen und Lammert betonen in dem Schreiben, sie könnten die nationalen Parlamente nicht zu einer Serie von Konferenzen oder parlamentarische Foren verpflichten, die das EU-Parlament zu Wiederbelebung des Verfassungsprozesses vorsieht. Das erste derartige Forum ist für den 9. Mai, den Europatag, in Brüssel geplant.

Kein Verständnis für die Position Khols zeigte auch die SPÖ-Delegationsleiterin Maria Berger. „Mit dieser Haltung tragen die Präsidenten der nationalen Parlamente dazu bei, dass sie sich selbst bei diesem Prozess ins Abseits stellen“, betonte sie in einer Aussendung. Zum derzeitigen Zeitpunkt der Diskussion sei sie gegen eine Neufassung des Verfassungstextes, „denn niemand kann garantieren, dass dies zu einer Verbesserung führen würde“, fügte Berger hinzu. Auch der ÖVP-Abgeordnete Reinhard Rack wandte sich gegen ein Aufschnüren der vorliegenden Verfassung. „Wir haben im EU-Konvent über all diese Alternativen eines sozialeren oder eines demokratischeren Europa lange Diskussionen geführt. Nie sind wir dabei auch nur in die Nähe von Konsens gekommen“, betonte er.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hatte am Mittwoch vor dem EU-Parlament in Straßburg versichert, der österreichische EU-Ratsvorsitz werde bis Juni „eine Wegskizze“ zur Zukunft Europas vorzulegen, ohne dabei ausdrücklich die EU-Verfassung zu erwähnen. Der niederländische Außenminister Bernard Bot, der die EU-Verfassung in der Vorwoche bereits für „tot“ erklärt hatte, warnte unterdessen in einem Interview mit der Tageszeitung „Der Standard“ (Donnerstag-Ausgabe) den österreichischen EU-Ratsvorsitz vor einem Festhalten an dem Verfassungsvertrag. „Wir haben nicht vor, dem Bürger unsere Sicht der Dinge aufzuzwingen.“ Österreich solle sich nicht auf die Verfassung, sondern vorerst auf das „enorme Energieproblem“ konzentrieren, meinte Bot.

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