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Erdogan lässt Dauer des Ausnahmezustands offen

Verhaftungswelle in der Türkei
Verhaftungswelle in der Türkei
Nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei lässt Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die Dauer des Ausnahmezustandes offen. "Der Ausnahmezustand ist auch laut unserer Gesetze in erster Etappe für die ersten drei Monate vorgesehen. Plus drei Monate kann der Ausnahmezustand verlängert werden", sagte er in einem am Montagabend ausgestrahlten ARD-Interview.


Auf die Frage, ob er die Maßnahme um drei Monate verlängern werde, antwortete Erdogan laut ARD-Übersetzung: “Wir müssen sehen, wie sich die Situation entwickelt. Und wenn es eine Normalisierung gibt und wenn wir das erfahren, dann brauchen wir keine zweiten drei Monate.”

Der landesweite Ausnahmezustand war vergangenen Donnerstag in Folge des Putschversuchs vom 15. und 16 Juli verhängt worden. Er gilt zunächst für 90 Tage und ermächtigt Erdogan, weitgehend per Dekret zu regieren.

Zum Gedenken an die Opfer des Putschversuchs wird die Bosporus-Brücke umbenannt. Die Brücke über die Meerenge zwischen Asien und Europa in Istanbul werde künftig den Namen “Brücke der Märtyrer des 15. Juli” tragen, kündigte Ministerpräsident Binali Yildirim nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Montagabend nach einer Kabinettssitzung an. Die Sitzung fand im Präsidentenpalast in Ankara unter Vorsitz von Staatspräsident Erdogan statt. Die 1973 eröffnete Brücke in der Millionenmetropole heißt bisher nur Bosporus-Brücke.

Yildirim sagte weiter, per Dekret würden die Gendarmerie – aus der mehrere Putschisten gekommen sein sollen – und die Küstenwache dem Innenministerium unterstellt werden. Sie gehören derzeit zu den Streitkräften. Yildirim kündigte an, seine AKP werde gemeinsam mit anderen Parteien an begrenzten Verfassungsänderungen arbeiten, zu denen er sich nicht konkret äußerte. Ein Treffen auf Einladung Erdogans mit den Chefs der Oppositionsparteien CHP und MHP am Montag habe gezeigt, dass die notwendigen Gemeinsamkeiten dafür vorhanden seien. Auch die pro-kurdische HDP – die nicht zu dem Treffen eingeladen war – könne sich beteiligen. Ziel sei weiterhin, eine ganz neue Verfassung gemeinsam mit den anderen Parteien zu entwerfen.

Seit dem gescheiterten Putsch von Teilen des Militärs sind nach offiziellen Angaben mehr als 13.000 Verdächtige festgenommen worden, knapp 6.000 davon sitzen in Untersuchungshaft. Nach Angaben der Nachrichtenagentur wurden mehr als 45.000 Staatsbedienstete suspendiert.

Zudem ordnete die Istanbuler Staatsanwaltschaft am Montag die Festnahme von 42 Journalisten an, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Die Nachrichtenagentur DHA berichtete, die Ermittlungen richteten sich gegen Medien aus dem Netzwerk des Predigers Fethullah Gülen. Die Regierung macht Gülen für den Putschversuch verantwortlich.

nadolu meldete, zunächst seien fünf der verdächtigen Journalisten festgenommen worden. Das Haus der prominenten Regierungskritikerin Nazli Ilicak in Istanbul sei durchsucht worden. Nach Angaben von DHA wird nach Ilicak im Ferienort Bodrum gesucht. Laut der Nachrichtenagentur Dogan befinden sich elf der gesuchten Journalisten außer Landes.

Die Journalistin Ilicak war Ende 2013 von der regierungsnahen Zeitung “Sabah” entlassen worden, als sie im Rahmen von Korruptionsermittlungen den Rücktritt mehrerer Minister der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP forderte. Die Regierung hält die damaligen Korruptionsermittlungen für ein Gülen-Komplott.

Ilicak hatte unter anderem auch für die Zeitung “Bugün” geschrieben, die den Gülen-Medien zugerechnet wurde. Die Regierung hatte “Bugün” im vergangenen Jahr unter Zwangsverwaltung gestellt, auf AKP-Kurs gezwungen und später geschlossen. Neben Ilicak sind weitere prominente Journalisten wie der Kommentator Bülent Mumay und Ercan Gün vom Nachrichtensender Fox darunter.

Die teilstaatliche Fluglinie Turkish Airlines entließ nach eigenen Angaben 211 Mitarbeiter mit mutmaßlichen Gülen-Verbindungen. Außenminister Mevlüt Cavusoglu kündigte an, er werde auch sein Ministerium “säubern”. Er sagte dem Sender Habertürk: “Auch auf der Botschafterebene wird es Suspendierungen geben.” Betroffen seien keine Botschafter im Ausland, sondern Diplomaten mit diesem Rang in Ankara.

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