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U-Ausschuss: Einigung auf Reform fix

Archiv: Der stv. Klubobmann der Grünen Werner Kogler, NEOS-Klubobmann Matthias Strolz und Schauspieler Serge Falck bei einem Flashmob für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Causa Hypo Alpe Adria.
Archiv: Der stv. Klubobmann der Grünen Werner Kogler, NEOS-Klubobmann Matthias Strolz und Schauspieler Serge Falck bei einem Flashmob für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Causa Hypo Alpe Adria. ©APA
Mit der Einigung der Parlamentsfraktionen auf letzte Details der U-Ausschuss-Reform ist das Gesetzespaket nun soweit, am kommenden Mittwoch im Nationalrat per Initiativantrag eingebracht zu werden. Das gaben die Verhandler Montagnachmittag in einer Pressekonferenz bekannt. In Kraft treten soll die Reform per 1. Jänner 2015. Der erste Ausschuss wird sich wohl um die Hypo-Notverstaatlichung drehen.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder sprach von einem “guten Tag für den Parlamentarismus”, sein ÖVP-Pendant Reinhold Lopatka zeigte sich “mit dem Ergebnis durchaus zufrieden”. Seitens der Opposition freute sich Gernot Darmann (FPÖ), dass künftig nicht mehr die Regierungsfraktionen benötigt werden, um die Regierung zu kontrollieren. Von einem historischen Ereignis sprachen Dieter Brosz (Grüne) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS).

Alle offenen Punkte einvernehmlich gelöst

Durch die Reform wird das Einsetzen parlamentarischer Untersuchungsausschüsse – sowie, wie Schieder betonte, auch alle wesentlichen Beweis- und Beschlussanträge – mit Jahresbeginn 2015 zum Minderheitsrecht. Der nun finalisierte Fünf-Parteien-Antrag (das Team Stronach verweigerte sich den Verhandlungen) entspricht laut dem SPÖ-Klubchef “zu 99,9 Prozent” der politischen Einigung vom Sommer. In der finalen Verhandlungsrunde sei es nur noch um Details im Zusammenspiel von Mehrheit und Minderheit, bei der Anrufung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) in Streitfragen und bei der Immunitätsordnung gegangen.

Lopatka betonte, dass die Neuregelung mehr Rechtsstaatlichkeit bringe, in Streitfragen der Weg zum VfGH gewährleistet sei, ein erfahrener Verfahrensrichter beigezogen werde und es klare Regelungen zu Beginn und Ende der Ausschüsse gebe. Er habe am Ende gestaunt, dass zum Schluss alle offenen Punkte einvernehmlich gelöst werden konnten.

Kommt nun Hypo U-Ausschuss?

Für Darmann ist nun gewährleistet, dass die Abgeordneten in den Ausschüssen jene Akten erhalten, die sie für ihre Arbeit auch brauchen. Meinl-Reisinger bezeichnete es als wichtig und richtig, dass die Führungsrolle im Ausschuss durch den Vorsitz der Nationalratspräsidenten im Parlament bleibt.

Brosz ortete den größten Schritt in der Parlamentsreform der vergangenen Jahrzehnte, unter anderem, weil auch die zweimalige Ladung von Zeugen Minderheitenrecht wird. Er zeigte sich mit den anderen Verhandlern einig, dass es im ersten U-Ausschuss nach den neuen Regeln wohl um die Kärntner Hypo gehen wird – und zwar als von der Minderheit beantragter Ausschuss, wie auch Schieder bestätigte. Erste Zeugenbefragungen könnten im März stattfinden, hieß es.

Die neuen Regeln im Überblick

Die Reform der Untersuchungsausschüsse ermöglicht es künftig einer Minderheit, ein solches Kontrollgremium einzusetzen. Auch innerhalb des Verfahrens, etwa bei Zeugenladungen oder Aktenanforderungen, hat die Minderheit dann etwas zu sagen. Der Vorsitz bleibt im Parlament, neu ist aber zur Unterstützung ein emeritierter Richter. Geändert wird auch die Immunität der Abgeordneten.

EINSETZUNG: Ein Viertel der Abgeordneten kann künftig einen U-Ausschuss einsetzen – ohne FPÖ sind die nötigen 46 Unterstützer für die Opposition aber nicht zu erreichen. Solange dieser läuft, kann ein Abgeordneter, der das Verlangen unterstützt hat, keinen weiteren verlangen. Weitere sind auf Mehrheitsbeschluss möglich.

UNTERSUCHUNGSGEGENSTAND: Die Untersuchung muss sich auf einen konkreten, bestimmt bezeichneten und abgeschlossenen Sachverhalt in der Vollziehung des Bundes beziehen. Mit abgeschlossen ist eine zeitliche, aber nicht unbedingt juristische Beendigung gemeint. Die Hypo-Notverstaatlichung beispielsweise kann also untersucht werden.

Das Verlangen auf Einsetzung wird dem Geschäftsordnungsausschuss zur Prüfung auf Rechtskonformität zugewiesen. Dieser muss innerhalb von vier Wochen beraten und nach weiteren vier Wochen dem Nationalrat seinen Bericht vorlegen. Stellt der Ausschuss keine Rechtswidrigkeit fest, gilt der U-Ausschuss mit der Behandlung des Berichts im Plenum als eingesetzt. Schon in diesem Stadium müssen der Verfahrensrichter und der Verfahrensanwalt sowie der grundsätzliche Beweisbeschluss enthalten sein. Sollte der Ausschuss eine Rechtswidrigkeit feststellen, können die Initiatoren Beschwerde beim VfGH einlegen. Der Verfassungsgerichtshof hat dann binnen vier Wochen in einem Dreier-Senat zu entscheiden.

DAUER: Zeitlich ist der U-Ausschuss mit zwölf Monaten plus zwei für die Berichtslegung begrenzt. Die Minderheit kann ihn einmal um drei Monate verlängern, die Mehrheit um weitere drei. Ein weiterer U-Ausschuss zum selben Thema ist möglich, Verzögerungstaktik seitens der Regierungsfraktionen aus Oppositionssicht daher sinnlos. Vorrang haben aber die Regeln für Wahlkampfzeiten. Die sehen folgendes vor: Spätestens rund vier Monate vor der Wahl muss der Ausschuss beendet sein. Bei vorgezogenen Wahlen ist die Frist entsprechend kürzer.

VORSITZ: Den Vorsitz führen die Nationalratspräsidenten, sie sind für den Gesamtablauf verantwortlich. Sie können sich auch von Abgeordneten vertreten lassen. Der oder die Vorsitzende soll auch regelmäßig – gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden und dem Verfahrensrichter – die Öffentlichkeit in Pressekonferenzen informieren.

VERFAHRENSRICHTER: Ein emeritierter Richter führt die Erstbefragung von Auskunftspersonen durch und ist bei allen Sitzungen beratend anwesend. Auch spielt er eine maßgebliche Rolle bei der Erstellung des Endberichts. Ausgewählt wird er vom Geschäftsordnungskomitee aus einer Liste, die bereits am Anfang der Gesetzgebungsperiode erstellt wird. Der Verfahrensrichter kann vom U-Ausschuss auch abgewählt werden.

VERFAHRENSANWALT: Einen solchen gab es bisher schon. Er handelt im Interesse der Grund- und Persönlichkeitsrechte der Zeugen und darf sich jederzeit zu Wort melden. Weiterhin dürfen Auskunftspersonen auch eine “Vertrauensperson” – meist einen Anwalt – mitnehmen.

AUSKUNFTSPERSONEN: Zeugen sind auf Verlangen eines Viertels zu laden, höchstens aber zwei Mal. Die Mehrheit kann einen Zeugen so oft laden, wie sie will. Vermutet die Mehrheit, dass bei der Ladung kein sachlicher Zusammenhang zum Untersuchungsgegenstand besteht, kann man den VfGH anrufen. Die Befragung selbst soll drei Stunden nicht überschreiten, nach maximal vier Stunden ist Schluss.

Kommt ein Zeuge nicht, kann der U-Ausschuss beim Bundesverwaltungsgericht ersuchen, eine Beugestrafe zu verhängen – bei einmaliger Nichtbefolgung der Ladung droht eine Beugestrafe von 1.000 bis 10.000 Euro, bei weiterem Nichtbefolgen von 10.000 bis 30.000 Euro. Die Möglichkeit der zwangsweisen Vorführung soll ebenfalls erhalten bleiben.

BEWEISMITTEL: Ein grundsätzlicher Beweisbeschluss wird schon am Beginn vom Geschäftsordnungsausschuss gefasst. Im Verfahren selbst kann dann die Minderheit noch weitere Akten anfordern, die in sachlichem Zusammenhang mit dem Thema stehen. Auch hier kann im Streitfall der VfGH befasst werden. Sowohl bei Zeugenladungen als auch bei Beweisbeschlüssen muss darauf geachtet werden, dass eine etwaige strafrechtliche Verfolgung nicht gefährdet wird.

ERMITTLUNGSBEAUFTRAGTER: Mit Zweidrittel-Mehrheit kann der Ausschuss einen Ermittlungsbeauftragten wählen.

STREITBEILEGUNG: Grundsätzlich entscheidet bei Streitigkeiten – wie oben erwähnt – der Verfassungsgerichtshof im Eilverfahren. Dies etwa auch, wenn sich Behörden und Abgeordnete hinsichtlich Akten nicht einig sind oder sich Auskunftspersonen in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt fühlen. Es gibt aber auch eine parlamentsinterne Schiedsstelle, die aus den Volksanwälten besteht – an sie kann man sich etwa wenden, wenn man mit Entscheidungen des Vorsitzenden bezüglich der Zulässigkeit von Fragen nicht einverstanden ist. Die Volksanwälte müssen einstimmig entscheiden.

SCHLUSSBERICHT: Der Verfahrensbericht wird vom Vorsitzenden des Ausschusses auf Basis eines Entwurfs des Verfahrensrichters erstellt. “Nach Möglichkeit” soll er über einen bloßen “Formalbericht” hinausgehen und Empfehlungen für legislative Maßnahmen enthalten. Die Fraktionen können binnen zwei Wochen ihre eigenen Erkenntnisse beifügen, wobei sie auch aus Beweismitteln des U-Ausschusses zitieren dürfen. Im Bericht erwähnte Personen können ebenfalls Stellungnahmen abgeben, die gleichzeitig mit dem Report veröffentlicht werden müssen. Abgestimmt über den Schlussbericht wird von der Mehrheit. Kommt keiner zustande, berichtet der Vorsitzende im Plenum mündlich.

INFORMATIONSORDNUNG: Hier wird festgelegt, welche Informationen im Bereich des Parlaments in welcher Form welchen Personen wann zugänglich gemacht werden dürfen. Es gibt vier Vertraulichkeitsstufen: eingeschränkt, vertraulich, geheim und streng geheim. Werden die beiden höchsten Stufen nicht eingehalten, drohen strafrechtliche Konsequenzen – ausgenommen werden soll hier “die bloße Veröffentlichung durch Dritte” (etwa Medien, Anm.).

IMMUNITÄT: Weil nun auch eine “Informationsordnung” erlassen wird, sind Änderungen im Bereich der Immunität der Abgeordneten und des Strafrechts nötig. Die Immunität soll künftig nicht mehr bei Verleumdung gelten, auch bewusster Geheimnisverrat wird sanktioniert.

ÖFFENTLICHKEIT: Hier gibt es keine Änderungen. An sich bleiben U-Ausschüsse medienöffentlich, Ton- und Bildaufnahmen bleiben aber weiterhin untersagt.

(APA)

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