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Ein Wiener Klärschlammtaucher im Porträt

Gregor Ulrich kurz vor dem Abtauchen: Die Sicht im Klärschlamm ist schlecht, volle Konzentration ist gefordert.
Gregor Ulrich kurz vor dem Abtauchen: Die Sicht im Klärschlamm ist schlecht, volle Konzentration ist gefordert. ©APA/ Anton Ulrich
Gregor Ulrich hat einen ungewöhnlichen Beruf. Er wird außergewöhnlich gut bezahlt, aber tauschen möchte so schnell keiner mit ihm, denn er taucht in Faultürmen im Klärschlamm.
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Gregor Ulrich ist von Beruf Industrietaucher bei der Wiener Firma Umwelt-Tauchservice – eine Arbeit, die bis zu 600 Euro am Tag einbringt. “Es ist einem keiner neidig”, sagt der 28-Jährige dennoch über seine Profession. Denn es sind keine idyllischen Korallenriffe, in die er eintaucht. Ulrich muss in den Schlamm, der in Kläranlagen in sogenannten Faultürmen verrottet. In diesen an die 20 Metern hohen Behältnissen tauchen Ulrich und seine Kollegen blind, wenn sie Ablagerungen aus dem Inneren der Betontürme schaffen und diese so reinigen.

Kein anderes Unternehmen in Österreich bietet den gleichen Service

Das von Ulrichs Vater Anton geführte Unternehmen genießt in Österreich eine Monopolstellung. In Deutschland, wo man ebenfalls tätig ist, gibt es hingegen Konkurrenz am Markt. Notwendig ist die Ausweitung den Einsatzgebiets, denn “Österreich hat weniger Anlagen als Bayern”. Insgesamt kam man im Vorjahr auf 190 Arbeitstage. Bis zu 80 Prozent der Arbeitszeit betrifft inzwischen Faultürme, in denen man seit Anfang 2000 tätig ist. “Es ist auch der beliebtere Job in der Regel”, denn die mit Spezialhelmen ausgestatteten Taucher machen die Arbeit laut Ulrich gern: “Das Wasser ist warm und es wird gut bezahlt.”

Faultürme sind wichtig für die Effizienz von Kläranlagen

In Faultürmen entstehen durch Einwirkung von Bakterien Gase, wie etwa Methan, die dann in der Kläranlage verbrannt werden. So versorgen sie die Anlage mit Energie und machen diese recht autark von anderen Quellen. “Kläranlagen kosten dadurch nicht viel und sind so oft das Stiefkind von Kommunen oder Gemeinden”, weiß der Experte zu berichten. So lange der Turm funktioniert, wird er nicht gewartet. Teuer wird es aber dann, wenn der Faulturm nicht mehr effektiv arbeitet, was nach acht Jahren Betriebszeit der Fall sei.

Und hier kommen die Umwelt-Taucher ins Spiel: Mit ihnen können sich Kläranlagenbetreiber vor allem viel Zeit und somit Geld ersparen. Während das Auslassen und Wiederinbetriebnehmen des Faulturms laut Ulrich bis zu drei Monate dauern kann, können er und seine Kollegen den selben Effekt im Schnitt in zehn Tagen oder weniger herbeiführen. Als ideal hat sich dabei ein Team herausgestellt, das aus fünf Tauchern besteht. Pro Taucher fallen dabei 45 Minuten Tauchzeit an, um so die erforderliche Dekomprimierungszeit auf einem Minimum zu halten.

In der Kläranlage riecht es nach “Wald und Regen”

Riechen würde es in den Kläranlagen, zumindest nach der Vorklärung, nicht allzu schlimm: “Es gibt keinen Fäkalgeruch, sondern eher den Geruch von Wald nach dem Regen.” Die Tierverwertungsanlagen sind es hingegen, “wo es wirklich unangenehm riecht” – und auch dort gibt es Faultürme. Warum man die Behälter nicht auf andere Weise reinigt, erklärt Ulrich so: “Die Faultürme wurden gebaut wie AKWs”, seiner Meinung nach berücksichtigte man bei der Konstruktion der Kläranlagen die Abnützung nicht immer ausreichend.

 Zwar gibt es an den Türmen seitlich ein sogenanntes Mannloch, doch den Faulturm durch dieses von den Sedimenten zu befreien, würde neben der Explosionsgefahr durch die Gase auch andere Probleme mit sich bringen. Denn man muss dafür die Flüssigkeit im Behälter absenken. “In dem Moment, wo die Substanz trocken wird, wird sie hart wie Beton”, sagt Ulrich. Auch Baurisse können durch das unsachgemäße Senken entstehen.

Taucher beseitigen die Verstopfungen in Faultürmen

Feucht-Klopapier ist oft eine der Ursachen, wenn der Turm nicht mehr richtig arbeitet : “Dieses kommt durch die Rechen der Kläranlage und trägt durch seine statischen Eigenschaften dazu bei, dass sich sogenannte Zöpfe bilden”, erklärt Ulrich. An die 80 Kilogramm werden diese schwer. Bei einer Anlage in Deutschland holten die Taucher insgesamt 900 Kubikmeter Material aus den Türmen.

Eine Leiter führt bei den Arbeiten den Taucher, der mit seinen Kollegen ständig in Funkkontakt steht, in den Turm hinab. Dort rückt er dann mit einer Mammutpumpe dem Schlamm zuleibe. “Der Schlamm hat eine Viskosität von Honig bis hin zu schwerem Torf.” Dieser befindet sich am Boden des Turms, darüber ist die Substanz bis auf die Farbe dem Wasser ähnlich. Ein noch funktionierender Turm kann bis zu 500 Kubikmeter Schlamm haben, also ungefähr ein Drittel des Gesamtvolumens. Ist er zur Hälfte mit Schlamm gefüllt, würde das den Turm schon außer Gefecht setzen, so Ulrich.
(APA)

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