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"Du sagst es" von Connie Palmen: Auf den Spuren des Suizids von Sylvia Plath

Der neue Roman von Connie Palmen widmet sich Sylvia Plath und Ted Hughes
Der neue Roman von Connie Palmen widmet sich Sylvia Plath und Ted Hughes ©Diogenes / Foto: Annaleen Louwes
"Wer Selbstmord begeht, will immer zwei töten": Sylvia Plath und Ted Hughes gelten als das wohl tragischste Schriftsteller-Ehepaar der modernen Literatur. In "Du sagst es" wird jene Liebesgeschichte nacherzählt, die damit endete, dass die an Depressionen leidende, von ihrem Gatten betrogene Plath ihrem Leben ein Ende setzte. VIENNA.at hat das Buch für Sie gelesen.

“In einer Liebe kann man nie nur einem die Schuld geben,” so die niederländische Autorin Connie Palmen auf dem Klappentext zu “Du sagst es”. In dem Buch unternimmt Palmen den Versuch einer fiktiven Autobiographie, in der sie den britischen Lyriker Ted Hughes (1930-1998), der in der öffentlichen Wahrnehmung als Sündenbock für den Suizid von Sylvia Plath (1932-1962) herhalten musste, selbst zu Wort kommen und seine Version der Geschichte erzählen lässt.

Geschildert werden sieben gemeinsame Jahre und eine fast ebenso lange Ehe, aus der zwei Kinder hervorgingen und die damit endete, dass Plath ihren Kopf in einen Ofen steckte und sich vergaste – nicht ohne ihrem Nachwuchs Essen hingestellt und ihn in Sicherheit gebracht zu haben. Durch ihren Suizid wurde Plath in der Folge zur regelrechten Märtyrerin hochstilisiert, während Hughes die Rolle des Verräters zukam – eine Darstellung, mit der Palmen gewissermaßen aufzuräumen versucht. Schuldzuweisungen bleiben jedoch aus.

Eine Liebesgeschichte der Bisse statt Küsse

Die Beziehung von Hughes und Plath nimmt nach Schilderung Palmens bereits einen stürmischen Anfang, als es bei der ersten Begegnung an der Cambridge University zu Bissen statt Küssen kommt. “(…) die Frau, die mir bei unserer ersten Begegnung, mit den Füßen stampfend wie eine brünstige Stute, in die Wange biss, dass Blut floss,” wie es im Buch heißt. “Wer eine Liebe so beginnt, sollte wissen, dass sich im Herzen dieser Liebe Gewalt und Zerstörung verbergen.” Eine ausgeprägte Erotik schwingt von Anfang an mit, als die unheilvolle Amour Fou zwischen Plath und Hughes ihren Lauf nimmt, die beiden einander vollkommen verfallen und keine vier Monate später den Bund fürs Leben schließen.

Liebe und Hass verschwimmen in der turbulenten Beziehung, die folgt. Gemeinsame Jahre in den USA und in England werden ebenso beschrieben wie das Missfallen der Familie Hughes’ gegenüber seiner amerikanischen Braut. Hinter der Fassade einer braven Ehefrau, die einen perfekten Haushalt führt, brodeln bei Plath, die als facettenreicher, aber extrem schwieriger Charakter beschrieben wird, Eifersucht und psychische Probleme, die bereits vor dem ersten Treffen mit Hughes in einem Selbstmordversuch gipfelten. Plath wird als nach außen hin bemüht fröhlich dargestellt, während sie innere Abgründe plagen, sie insgeheim unter Alpträumen und dem frühen Verlust des Vaters leidet.

Sylvia Plath: Psychische Probleme, literarische Größe

Hughes bzw. Palmen charakterisiert Plath als eine Art wütende Rachegöttin mit massiven Stimmungsschwankungen und schweren Depressionen, deren Zorn sich immer wieder auch gegenüber Hughes Bahn bricht. Eine bipolare Störung macht wiederholt psychiatrische Behandlung erforderlich. Ein Ventil für ihre Seelenqualen findet die US-Amerikanerin lediglich in ihrem Schreiben. Hunderte Gedichte verfasst Plath, die zu einem Gutteil der “confessional poetry” (“Bekenntnislyrik”) zugeordnet werden.

Ihre Poesie ist voll düsterer Bilder und entsprechend schwere Kost, ihr einziger – wenige Wochen vor ihrem Suizid erschienener – Roman “The Bell Jar” (“Die Glasglocke”) stellt eine wenig verhohlene autobiographische Abrechnung mit ihrer überdominanten Mutter dar. Plath unternimmt während der gemeinsamen Jahre unermüdliche Versuche, um literarische Anerkennung zu kämpfen, um die Veröffentlichung ihrer Gedichte bzw. das Wohlwollen von Rezensenten zu erlangen. Der Wunsch zu schreiben ist Plath gleichbedeutend mit ihrem Wunsch zu leben, wie es an einer Stelle heißt. Wahrer literarischer Ruhm wurde Plath jedoch erst posthum zuteil.

Scheitern der Ehe mit Ted Hughes – und Suizid

Das tragische Ende der Geschichte wirft den Roman hindurch stets seine Schatten voraus. Palmen unternimmt den Versuch einer Erklärung, erzählt, was gewesen sein könnte, präsentiert Versatzstücke, anhand derer man vielleicht hätte gewarnt sein müssen, ergeht sich in Andeutungen oder legt Hughes auch klare Worte als Hinweis darauf in den Mund, wie viel gemeinsame Zeit noch bleibt: “Ich ahnte nicht, dass wir vor dem Haus standen, in dem meine Frau achtzehn Monate später, an einem kalten Montagmorgen im Februar 1963, ihren Kopf in den Backofen stecken und den Gashahn aufdrehen würde.”

Bis es dazu kommt, werden dem Paar noch zwei Kinder geboren, Frieda (*1960) und Nicholas (*1962). Noch einschneidender als der Familienzuwachs wirkt sich jedoch die Begegnung mit einer Frau aus, die in Plaths und Hughes Leben tritt: die als mysteriös und faszinierend beschriebene Assia Wevill, deren Bann sich Hughes nicht zu verwehren vermag. Im Oktober 1962 führt der Umstand, dass Hughes mit Wevill ein Verhältnis begonnen hat, zur Trennung des Ehepaars. Davon soll sich Plath, bei der beide Kinder verbleiben, bis zu ihrem Selbstmord 1963 nicht mehr richtig erholen. Dramatischer Nachsatz: Wevill soll es wenige Jahre später Plath gleichtun und sogar dieselbe Form des Suizids wählen, wobei sie eine mit Hughes gezeugte gemeinsame Tochter mit in den Tod nimmt.

“Du sagst es”: Kreative Spurensuche um einen Mythos

Palmen nimmt sich in “Du sagst es” findig und kreativ eines faszinierenden Kapitels der Literaturgeschichte an und lotet kunstvoll die Untiefen zweier Charaktere aus, deren ganze Geheimnisse auch Jahrzehnte nach ihrem Tod noch nicht vollends enthüllt sind. Am Ende des Buches steht der Verweis auf  eine versiegelte Kiste aus dem Nachlass von Ted Hughes, über die dieser verfügt hat, dass sie erst im Jahr 2023 geöffnet werden dürfe. Was darin noch zutage kommen und Licht ins Dunkel um die längst zum Mythos gewordene Sylvia Plath bringen mag – man darf gespannt sein.

Connie Palmen: “Du sagst es.” Roman. Diogenes, 288 Seiten; 22,70 Euro

(DHE)

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