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Drive

Auf engstem Raum, im Aufzug eines Appartementhauses in Los Angeles, lässt Nicolas Winding Refn so intensive wie scheinbar widersprüchliche Emotionen verschmelzen. Hier geht's zum Trailer Alle Spielzeiten auf einen Blick

Wenn Ryan Gosling erst zum Kuss seiner Angebeteten ansetzt und dann nach einer Drehung um die eigene Achse den Kopf seines Widersachers an der Wand zerschmettert, trifft Romantik in ihrer pursten Form auf Brutalität mit ihrem hässlichsten Gesicht, reiht sich unansehnliche Grausamkeit an herzzerreißende Zärtlichkeit. Es ist die eindrucksvollste Szene von “Drive” – einem hypnotisierenden potenziellen Kultwerk, das schon jetzt zu den Kino-Höhepunkten 2012 zählt und ab Donnerstag (26.1.) bei uns im Kino zu sehen ist.

Wien. Was man über den “Driver” (Gosling) weiß, trägt er an sich. Ein Skorpion glänzt auf dem Rücken seiner Rennjacke, einen Zahnstocher dreht er in seinem Mundwinkel hin und her, in Lederhandschuhen umklammert er das Lenkrad. Einen Namen hat er genauso wenig wie eine Vergangenheit, Familie oder Breite an Regungen und Emotionen. Bei Tag ist er Stuntfahrer auf Hollywood-Filmsets, bei Nacht Fluchtfahrer. Fünf Minuten gibt er Räubern und Kleinkriminellen bei ihrem Beutezug, um sie dann mehr durch geschmeidige Manöver und exzellente Ortskenntnis denn durch rasante Geschwindigkeit auf den Straßen Los Angeles’ aus der Gefahrenzone zu bringen. Stunt- und Fluchtfahrer – für den Driver kein Widerspruch. Er fährt einfach.

Als dann jedoch seine Nachbarin Irene (Carey Mulligan) und deren Sohn Benicio (Kaden Leos) in sein Leben treten und eine zarte, unausgelebte Romanze beginnt, scheint die kühle Fassade zu bröckeln. Die Gefühle werden ihm zum Verhängnis: Nach der plötzlichen Haftentlassung von Irenes Ehemann Standard (Oscar Isaacs) hilft er diesem, sich mit einem Coup von Schulden bei seinem früheren Gangsterboss zu befreien. Doch der Auftrag ist ein Hinterhalt, Standard wird getötet und der Driver findet sich selbst als Zielscheibe von L.A.-Ganoven wieder. Wer das scheinbar unberührte Pokerface des distanzierten Driver anfangs als Unsicherheit und Verletzbarkeit gewertet hat, wird nun eines Besseren belehrt.

Plötzlich und unerwartet legt der dänische Regisseur Refn (“Bronson”, “Valhalla Rising”) den Schalter um: Vom langsam Spannung aufbauenden Film noir zur hoch stilisierten, blutspritzenden Rachejagd. Refn zelebriert die Gewalt, setzt das rote Blut eines explodierenden Kopfes mit der grünen Palme vor dem Fenster und dem blauen kalifornischen Himmel in Einklang. Fast befreiend wirken diese kompromisslosen, plakativen Szenen bei der aufgeheizten Spannung auf die einen – sicherlich abschreckend jedoch auf die anderen. Der pulsierende Soundtrack von Ex-Red-Hot-Chili-Peppers-Drummer Cliff Martinez in 80er-Jahre-Synthesizer-Pop-Manier verstärkt diese Intensität ins schier Unermessliche und bleibt noch lange nach Filmende im Ohr.

Gosling, der zuletzt u.a. in “The Ides of March” und “Blue Valentine” glänzte, erreicht mit seiner Darstellung als Driver den vorläufigen Höhepunkt seines vielseitigen Schaffens und wird in der Rolle des lakonischen, kühlen Sonderlings von zahlreichen Kritikern mit einem jungen Steve McQueen gleichgesetzt. Der 31-Jährige war es auch, der Refn davon überzeugte, sich dem nur 160-seitigen Roman von James Sallis anzunehmen. Eine Palme für die Beste Regie in Cannes war die Belohnung für Goslings gutes Gespür. Er hat in Refn auch einen “Seelenverwandten” gefunden, dreht derzeit mit ihm “Only God Forgives” in Thailand. Für “Drive” sind sie monatelang mit Drehbuchautor Hossein Amini nachts durch L.A. gefahren, haben Musik gehört und sich in 24-Stunden-Cafés unterhalten, bis die Sonne aufging.

“Ich wollte den Film wie ein Märchen drehen”, erzählt Refn dem britischen Filmmagazin “Little White Lies”, “mit diesem archetypischen Ritter, der durch die Ödnis streift, auf der Suche nach einer Frau, die er retten kann.” Auch die wenigen Menschen, die dem Driver auf seiner Pirsch begegnen, sind spannend besetzt: Neben Bryan Cranston als Mentor Shannon und Ron Perlman als East-Coast-Badass Nino beeindruckt vor allem Albert Brooks als zwielichtiger Filmproduzent Bernie Rose nachhaltig. Die Hauptrolle teilt sich der Driver jedoch nur mit einer: der City of Angels.

(APA)

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