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Drei statt dreieinhalb Jahre Haft für Ernst Strasser

OGH senkt Strafe für Strasser von dreieinhalb auf drei Jahre.
OGH senkt Strafe für Strasser von dreieinhalb auf drei Jahre. ©APA
Der ehemalige Innenminister und ÖVP-Delegationsleiter im Europäischen Parlament, Ernst Strasser, muss ins Gefängnis.
Ex-Innenminister vor Gericht
Paukenschlag: OGH hebt Urteil auf
Strasser-Prozess wird wiederholt
Der tiefe Fall des Ernst Strasser

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat am Montag den Schuldspruch wegen Bestechlichkeit in der sogenannten Lobbyisten-Affäre endgültig bestätigt. Die von Strasser dagegen eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde wurde verworfen, die Strafe von dreieinhalb auf drei Jahre unbedingt reduziert.

Ratz: Korrupte EU-Abgeordnete “ein Übel”

Es sei “demokratiepolitisch von unglaublicher Bedeutung”, gegen “Politik für die eigene Geldtasche” vorzugehen, erläuterte OGH-Präsident Eckart Ratz in seiner Funktion als Vorsitzender des Berufungssenats. Und weiter, mit Blickrichtung auf Ernst Strasser: “Ein EU-Abgeordneter, der korrupt ist, ist ein Übel, der das ganze Funktionieren der Europäischen Union in Unruhe bringt, infrage stellt.”

Strafe auf “noch maßvolleres Maß” reduziert

Dennoch hielt es der Senat trotz der in diesem Fall besonders gewichtigen generapräventiven Erwägungen für angebracht, die Strafe für Strasser auf ein “noch maßvolleres Maß” herabzusetzen. Man müsse nicht alle Korruptionsfälle auf einen Sündenbock abladen und dann “diesen Bock hinausjagen”. Es liege “auf der Hand, dass der Angeklagte unglaubliche persönliche Nachteile erlitten hat”, kam Ratz auf die Folgen der Lobbying-Affäre für den einstmaligen ÖVP-Spitzenpolitiker zu sprechen. Wenn eine “public figure” derart falle, “kann das einem auch leidtun”, sagte Ratz.

Voll des Lobes war der OGH-Präsident dagegen für den Schöffensenat, der im zweiten Rechtsgang Strasser im vergangenen März neuerlich wegen Bestechlichkeit schuldig erkannt hatte. Dieser Senat habe die Vorgaben des OGH, der das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil – vier Jahre Haft im Sinne der Anklage – wegen mangelhafter Begründung aufgehoben hatte, “punktgenau umgesetzt”. Das Gericht habe Tatsachen festgestellt und diese “einwandfrei” beurteilt. Es sei demnach erwiesen, dass Strasser für 100.000 Euro britischen Journalisten, die sich ihm gegenüber als Lobbyisten ausgegeben hatten, angeboten habe, auf EU-Gesetzgebungsakte Einfluss zu nehmen: “Dass das Amtsgeschäft pflichtwidrig war, hat das Erstgericht in jeder Hinsicht sauber und klar und in rechtsstaatlicher Hinsicht einwandfrei festgestellt.”

Keine Rechtsmittel

Nach seiner damit endgültigen Verurteilung, gegen die kein Rechtsmittel mehr zulässig ist, verließ Ernst Strasser ohne Kommentar eiligen Schrittes den Justizpalast. Sein Verteidiger Thomas Kralik gab den zahlreichen Fernsehteams diverser TV-Anstalten Interviews.

Strasser: “Rechnung dafür saftig bezahlt”

Strasser hatte in seinem Schlusswort im Justizpalast eingeräumt, er müsse “einbekennen, dass ich im Umgang mit dieser Materie Fehler, schwere Fehler gemacht habe”. Er habe “die Rechnung dafür saftig bezahlt bekommen”. Das, was ihm die Anklage unterstelle, sei aber “nicht die Wahrheit. Das muss ich in aller Klarheit sagen”, insistierte Strasser. Er habe “das, was mir die Anklagebehörde vorwirft, weder geplant noch gewollt”. Daher bitte er um einen Freispruch.

Verteidiger: Strasser “ist gesellschaftlich tot”

Sein Rechtsvertreter hatte in seinem Schlussvortrag eine “deutliche Strafreduktion” verlangt. Die vermeintlichen Lobbyisten hätten sich als Lockspitzel betätigt. “Wenn ihm die nicht die Karotte vor die Nase gehalten hätten, hätte er (Strasser, Anm.) die Tat nicht begangen”, gab Kralik zu bedenken. Strasser sei jetzt “beruflich und gesellschaftlich tot.”

Aufforderung zum Strafantritt wohl noch heuer

Der solcherart gefallene Ex-Innenminister wird vermutlich noch heuer eine Aufforderung zum Strafantritt erhalten. Nach Vorliegen des schriftlichen OGH-Urteils – laut OGH-Sprecher Kurt Kirchbacher sollte das “in wenigen Wochen” der Fall sein – wird das Wiener Straflandesgericht die entsprechenden Verfügungen in die Wege leiten. In welche Vollzugsanstalt Strasser “einrücken” muss, entscheidet die Vollzugsdirektion. Binnen vier Wochen ab Zustellung der Aufforderung zum Strafantritt hat Strasser dann seine Zelle zu beziehen.

Fußfessel möglich

Der vormalige ÖVP-Spitzenpolitiker muss jedenfalls sechs Monate im Gefängnis absitzen. Erst dann hat er die Möglichkeit, den elektronisch überwachten Hausarrest zu beantragen. Ob die Fußfessel genehmigt wird, müsste der Leiter der betreffenden Justizvollzugsanstalt entscheiden, wobei dabei die Wahrscheinlichkeit zu prüfen ist, ob Strasser Chancen auf eine vorzeitige bedingte Entlassung nach der Hälfte der über ihn verhängten Strafe hat. Sollte Strasser die Fußfessel zugesprochen werden, könnte dieser die restliche Strafe – an die elektronische Leine angehängt und von der Vollzugsdirektion überwacht – zu Hause verbüßen.

Von Kreisky bis Strasser: Politiker vor Gericht

Die Lobbyisten-Affäre: eine Chronologie

12. März 2011: Das Nachrichtenmagazin “profil” berichtet, dass der damalige ÖVP-Delegationsleiter Ernst Strasser Enthüllungsjournalisten der britischen “Sunday Times” auf den Leim gegangen sein soll. Diese hatten als Lobbyisten getarnt Mandataren Geld für die Einbringung von Gesetzesvorschlägen geboten. Strasser stimmte zu – “Yes, of course I’m a lobbyist”, sagte er in dem Video -, dementierte jedoch die Vorwürfe und gab in weiterer Folge an, dahinter den Geheimdienst vermutet zu haben.

20. März 2011: Strasser gibt seinen Rücktritt bekannt. Wenig später stellt er auch seine ÖVP-Mitgliedschaft ruhend.

23. März 2011: Die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF leitet offiziell Ermittlungen gegen den Ex-MEP ein. Auch die österreichische Korruptionsstaatsanwaltschaft startet ein Ermittlungsverfahren.

5. April 2011: Othmar Karas übernimmt die Leitung der ÖVP-Delegation im Europaparlament und folgt damit Strasser nach.

9. August 2012: Gegen den früheren Politiker wird Anklage wegen Bestechlichkeit erhoben, teilt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mit.

26. November 2012: Der Prozess am Wiener Straflandesgericht beginnt. Strasser gibt dabei an, hinter den beiden vorgeblichen britischen Lobbyisten einen amerikanischen Geheimdienst vermutet zu haben.

14. Jänner 2013: Der frühere Innenminister wird wegen Bestechlichkeit nicht rechtskräftig zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt.

26. November 2013: Der OGH hebt das Urteils von Amts wegen auf und weist die Causa zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Grund dafür ist eine Lücke im Korruptionsstrafrecht, die erst Anfang 2013 geschlossen wurde.

4. März 2014: Der Prozess geht in den zweiten Durchgang, Strasser bekennt sich weiterhin “nicht schuldig” und “präzisiert” die Geheimdienst-Geschichte.

13. März 2014: Strasser wird am Wiener Straflandesgericht wegen Bestechlichkeit erneut schuldig gesprochen und zu dreieinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt.

13. Oktober 2014: Der OGH bestätigt den Schuldspruch wegen Bestechlichkeit. Die Strafe wird jedoch auf drei Jahre unbedingt reduziert. (APA/red)

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