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Doris Dörrie zeichnet im Roman "Diebe und Vampire" ein Schriftsteller-Leben

Der neue Roman von Doris Dörrie: "Diebe und Vampire"
Der neue Roman von Doris Dörrie: "Diebe und Vampire" ©Diogenes / AP
Wenn eine Schriftstellerin über die Beziehung einer Schriftstellerin zu einer Schriftstellerin schreibt: Komplex ist er schon, der neue Roman von Doris Dörrie, keineswegs aber kompliziert. "Diebe und Vampire" ist unser Buch-Tipp der Woche.

Mit leichter Hand werden hier von Doris Dörrie Lebensentwürfe beschrieben, das mitunter verhängnisvolle Verhältnis zu Vorbildern und das oft noch verhängnisvollere zu Partnern.

Träumen vom Schriftsteller-Dasein

Alice Hofmann heißt die Frau, die im Buch von ihrem Leben erzählt, beginnend mit einem Urlaub in Mexiko 1984 – an der Seite eines weit älteren und verheirateten Hautarztes. Große Selbstzweifel plagen die junge Frau: “Lustlos studierte ich Amerikanistik und Ethnologie vor mich hin und träumte gleichzeitig von etwas, das fast obszön klang und das ich kaum vor mir selbst auszusprechen wagte: Ich wollte schreiben.”

Da fügt es sich, dass eine etablierte US-Schriftstellerin das selbe Hotel bewohnt. Alice sucht inständig ihre Nähe, lange tut sie dies vergeblich – um dann Dinge zu hören wie: “Das Schreiben selbst ist natürlich Folter, das ist klar, sagt sie fröhlich. Man geht Tag für Tag in den Dschungel und hofft, dass man nicht gefressen wird. Man kämpft Tag für Tag mit der Ananas. Das verstehe ich nicht, sagte ich.”

“Diebe und Vampire” seien Schriftsteller

Schriftsteller seien Diebe und Vampire, wird sie von der drei Jahrzehnte älteren “Meisterin” gewarnt, die so vieles ist, was Alice gern wäre: elegant zum Beispiel, selbstbewusst, souverän. Eine echte Beziehung entsteht nicht zwischen den Frauen, überhaupt hat es Alice nicht so mit der Beziehungsfähigkeit – noch weniger allerdings mit dem Alleinsein. Notfalls sucht sie männliche Kurzzeitbegleitung. “Es war der direkteste und einfachste Ausweg aus Schmerz, Einsamkeit und Verwirrung.”

Immer wieder fragt sich Alice, wie ein Schriftsteller erkennt, dass er zum Schriftsteller taugt: “Doch wann zeigt sich Talent denn? Und wem? Tauchte es erst auf, wenn es von jemandem erkannt wurde? Weil die Oma irgendwann ausgerufen hatte: Wie talentiert ist dieses Kind!”

Nach Erfolg zurück am Strand in Mexiko

Am Ende des Buches ist die Erzählerin so alt wie die Meisterin einst am Strand in Mexiko. Inzwischen hat sie einen Hit gelandet: “Ich habe einen Bestseller über das Schreiben geschrieben, und seitdem nichts geschrieben.” Eine 15 Jahre währende Beziehung ist gescheitert, Kinder hat Alice nicht bekommen – wie in so vielen Bereichen ihres Lebens wohl vor allem aus Angst vorm eigenen Versagen. Für Vorträge und Workshops in Mexiko, schreibt sie einen letzten Brief an die Meisterin.Eine 15 Jahre währende Beziehung ist gescheitert, Kinder hat Alice nicht bekommen – wie in so vielen Bereichen ihres Lebens wohl vor allem aus Angst vorm eigenen Versagen. Für Vorträge und Workshops in Mexiko, schreibt sie einen letzten Brief an die Meisterin.

Ein Stück Doris Dörrie steckt in Alice

Doris Dörrie (60) hatte als Regisseurin mit ihrem dritten Kinofilm “Männer” einen Welterfolg gelandet, im vergangenen Jahr wurde ihr Dokumentarfilm “Dieses schöne Scheißleben” über Mariachi-Musikerinnen in Mexiko gezeigt. Zudem hat sie mehrere Kurzgeschichten, Romane und Kinderbücher verfasst. “Wir sind alle ‘Diebe und Vampire’, weil wir unsere Gehirne füllen mit Aufgeschnapptem, verfälschten Erinnerungen, Zitaten, Fetzen aus Filmen, Fotos, Büchern, Musikstücken”, sagt sie zu ihrem neuen Roman. “Wenn man das bewusst betreibt, ist man Künstler – oder eben Schriftsteller.”

Ein wenig erkennt sich Dörrie in Alice selbst wieder: “Ich habe oft Mühe, mich zum Schreiben wirklich aufzuraffen, weil es so viele andere, schönere Dinge zu tun gäbe. Und natürlich ist das ungeschriebene Buch auch immer das bessere Buch – denn mit jedem Satz, den man tatsächlich hinschreibt, muss man auch seiner eigenen Unzulänglichkeit ins Auge sehen, der Enttäuschung.”

Facettenreicher Roman

Ein enttäuschendes Buch ist “Diebe und Vampire” sicher nicht. Faszinierend ist vor allem die Vielzahl seiner Facetten – von der Suche nach Lebenssinn, von Idolen und Beziehungen bis hin zu Kinderwunsch, Älterwerden, Angst und Scheitern. Von den Flunkereien, die sich letztlich als viel banalere Geschichte entpuppen, hätten es gern noch mehr sein dürfen. Nett sind auch die kleinen Seitenhiebe auf die eingeschliffenen Pfade des Literaturbetriebs. Ein unterhaltsames Buch ist “Diebe und Vampire”, aber kein brillantes.

Doris Dörrie: “Diebe und Vampire”, Diogenes Verlag, Zürich, 224 Seiten, 22,60 Euro

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(apa/red)

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