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Dolmetscher - Kritik und Trailer zum Film

Der 80-jährige Ali Ungar (Jiri Menzel) steht eines Tages vor der Tür von Georg Graubner (Peter Simonischek). Doch eigentlich sucht der Holocaustüberlebende dessen Vater Kurt, der im Zweiten Weltkrieg als SS-Sturmbannführer in der Slowakei zahlreiche Menschen brutal tötete - darunter, so glaubt Ali, auch dessen jüdische Eltern. Aus dem ursprünglichen Racheplan und anfänglicher Ablehnung erwächst eine Gemeinschaft zweier Männer, die sich auf einen Roadtrip in die Vergangenheit begeben und dabei eine Freundschaft entwickeln.

Peter Simonischek und Jiri Menzel als ungleiches Gespann: Das ist an sich bereits sehenswert. Berührend und humorvoll ist die Annäherung zwischen dem “Toni Erdmann”-Star und der tschechischen Kinolegende in der österreichischen Koproduktion “Dolmetscher”, die nach der Weltpremiere auf der Berlinale nun am Freitag ins Kino kommt.

Dolmetscher: Kurzinhalt zum Film

Erzählt wird von Männern, die mit ungelösten Konflikten ihrer Eltern hadern. Auf den ersten Blick wirkt Ali Ungar (Menzel), der eines Morgens aus Bratislava in Wien ankommt, harmlos: Mit traurigen Augen und gebrochenem Deutsch scheint der pensionierte Übersetzer die Ruhe selbst. Wäre da nicht die Pistole in seiner Aktentasche.

Gedacht ist diese für Kurt Graubner, der im Zweiten Weltkrieg als SS-Sturmbannführer in der Slowakei zahlreiche Menschen brutal getötet hat – darunter, so glaubt Ali aus Graubners Biografie rekonstruieren zu können, auch dessen jüdische Eltern. Der Racheplan aber geht nicht auf: Als Ali an Graubners Tür klingelt, steht nur dessen Sohn Georg (Simonischek) vor ihm. Sein Vater sei tot, weist der ehemalige Sprachlehrer den ungebetenen Gast ab, und er selbst wollte von dessen Nazivergangenheit noch nie etwas wissen.

Der unerwartete Besuch aber weckt Georgs Interesse. Schon am nächsten Tag engagiert er den finanziell angeschlagenen Ali als Dolmetscher, um in der Slowakei auf Spurensuche zu gehen. Auf der Fahrt redet man über obligatorische Alterserscheinungen, Seitensprünge und den unterschiedlichen Zugang zum Leben. Dabei krachen der bedachte Ali und der draufgängerische Georg rasch aneinander, und irritiert Letzterer seinen Begleiter mit Alkoholeskapaden und übergriffigen Sprüchen. Doch Begegnungen mit Nachgeborenen der Kriegsgeneration in einem Land, das seine dunkle Vergangenheit zu verdrängen scheint, ändern die Dynamik – und bringen die beiden Männer nicht nur einander, sondern auch ihrer eigenen Biografie näher.

Dolmetscher – Die Kritik

Man muss die Vergangenheit verstehen, um aus ihr für die Zukunft zu lernen, erläuterte der renommierte slowakische Regisseur Martin Sulik (“Der Garten”) im APA-Gespräch seine Motivation für “Dolmetscher”. Gemeinsam mit seinem langjährigen Schreibpartner Marek Lescak hat er eine Geschichte erdacht, die vom langen Nachwirken der Vergangenheit in die Gegenwart und von verschiedenen Perspektiven auf traumatische Geschehnisse erzählt. In seiner Heimat sei die Schuld, die man sich unter Jozef Tiso als früher Verbündeter NS-Deutschlands aufgeladen hat, bis heute ein Tabu.

In Zeiten, in denen der Nationalismus in Europa wieder erstarkt und mit der Ukraine ein europäischer Kriegsschauplatz medial zunehmend verschwindet, ist ein Film wie “Dolmetscher” ungemein wertvoll. Viel Zeit, so denkt man sich als Zuschauer, bleibt nicht, um sich bisher Verdrängtem doch noch zu stellen. “Ist der Sohn eines Mörders besser dran als der Sohn eines Opfers?”, fragt Georg Alis Tochter Edita (Zuzana Maurery) an einer Stelle, und fällt bei der Antwort darauf aus allen Wolken.

Zwar wirkt die konventionell gefilmte Geschichte streckenweise arg konstruiert und hat der Plot die eine oder andere Lücke. Getragen werden die knapp zwei Stunden aber ohnehin vom Zusammenspiel zweier Schauspielgrößen. Ali und Georg verhandeln Existenzielles bei Kaffee und Kuchen, legen tiefergehende Verletzungen geradezu beiläufig frei. Die Komik trotz schweren Themas entsteht durch die gravierenden Unterschiede der beiden, und durch die Überforderung des einen mit dem jeweils anderen. Jiri Menzel (80) geht mit seiner eindringlichen Darstellung des lebensklugen und -müden Ali ungemein ans Herz, während Simonischek (71) seine Figur glaubwürdig und nuanciert durch die größte Entwicklung führt.

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(APA/Red)

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