Schon am Dienstagabend äußerten sich die ersten potenziellen Kandidaten. Das Feld reicht von aktuellen Top-Funktionären, früheren Herausforderern des scheidenden Schweizers, vielen ehemaligen Stars bis hin zum deutschen Fußball-Kaiser. Die interessanteste Frage wird sein, ob sich diesmal das von Teilen Europas angeführte Anti-Blatter-Lager durchsetzen kann.
UEFA-Präsident Michel Platini hat eine Kampfkandidatur gegen Blatter stets tunlichst vermieden. Ambitionen auf das höchste Funktionärsamt verhehlte der Franzose hingegen ebenso wenig. “Es ist noch nicht an der Zeit, etwas anderes zu tun”, sagte Platini vor zehn Monaten, als er seinen Verzicht auf eine FIFA-Bewerbung erklärte. Doch eine weltweite Unterstützung für den Blatter-kritischen Platini, der mit Europa als einer der großen Verlierer aus dem FIFA-Kongress in der vergangenen Woche herausgegangen ist, erscheint zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt fraglich.
Unterstützung würde er diesmal aber auch aus seiner Heimat erhalten. Der französische Verbandspräsident Noel Le Graet, der mit seiner Stimme für Blatter Platini brüskiert hatte, sprach sich für einen europäischen Kandidaten aus und erklärte. Platini wäre die beste Option.
Ursprüngliche Herausforderer
Genannt werden auch die ursprünglichen Blatter-Herausforderer, von denen letztlich nur Prinz Ali bin al-Hussein übrig geblieben ist. Der jordanische Prinz war Blatter am vergangenen Freitag im ersten Wahlgang mit 73:133 Stimmen unterlegen und zum zweiten Durchgang nicht mehr angetreten.
Al-Hussein hat noch am Dienstag eine neuerliche Kandidatur offengelassen, ebenso wie der Niederländer Michael van Praag.
Luis Figo, der so wie van Praag eine Woche vor dem Kongress seine Bewerbung zurückgezogen hatte, forderte eine “gemeinsame weltweite Lösung”.
Der frühere UEFA-Präsident Lennart Johansson hofft auf van Praag oder den Portugiesen Figo. “Sie können das Vertrauen in den Fußball unter den Menschen wiederherstellen”, zitierte die schwedische Zeitung “Aftonbladet” Johansson. Van Praag verfüge über die notwendige Erfahrung und Kompetenz, zudem lobte Johansson die Ehrlichkeit, Offenheit und Direktheit des Niederländers. Auch Figo sei ein ehrlicher Mann, erklärte der 85-jährige Schwede.
Auch der Name Maradona ist gefallen
Auch der frühere Profi David Ginola, der schon vor der vergangenen Wahl die notwendigen fünf Unterstützerländer nicht aufbringen konnte, will es erneut versuchen.
Aus Deutschland wurde der Name Franz Beckenbauer ins Spiel gebracht. Als Exekutivkomitee-Mitglied war er allerdings bei der skandalumwitterten WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 im Dezember 2010 beteiligt und sieht sich noch mit Ermittlungen der FIFA-Ethikkommission konfrontiert.
Aus Brasilien meldete sich der ehemalige Starspieler Zico zu Wort und schloss eine Kandidatur nicht aus. Zico hatte Anfang der 1990er-Jahre als Sportminister auch in der Politik Karriere gemacht.
Einen originellen Vorschlag brachte Venezuelas Staatspräsident Nicolas Maduro ein. Er schlug Argentiniens Legende Diego Maradona vor.
Asiatische Kandidaten
Mit Chung Mong-joon hat sich ein weitere Blatter-Kritiker als möglicher Nachfolger gemeldet. Der Milliardär aus Südkorea ist größter Anteilshaber am Autokonzern Hyundai, war Mitglied im Exekutivkomitee, Verbandspräsident von Südkorea und ist unverändert ein einflussreicher Funktionär in Asien.
Aus dem asiatischen Verband könnte aber auch jemand aus dem Blatter-Lager dessen Erbe antreten. Erst beim Kongress am vergangenen Freitag wurde Ahmad al Fahad al Sabah ins FIFA-Exko gewählt. Und doch war der Kuwaiti schon mittendrin. Am Vorabend der Wahl zeigten Fotos den höchst einflussreichen Sportfunktionär an der Seite von Platini, al Sabah weiß, wie man Mehrheiten beschafft. Schon Thomas Bach profitierte bei der Wahl zum IOC-Präsidenten von seinen Diensten.
Einstiger Favorit verhaftet
Als möglicher Kandidat wird auch Domenico Scala, Chef der FIFA-Compliance-Kommission, gehandelt. Scala soll bis zur nächsten Wahl grundlegende Veränderungen in der FIFA in die Wege leiten.
Wäre Blatter sofort zurückgetreten, hätte Issa Hayatou als längster sich im Amt befindender Vizepräsident die Geschäfte übernommen. Das wäre allerdings alles andere als ein Neuanfang. Der 68-Jährige aus Kamerun sitzt seit 1990 in der FIFA-Exekutive und stand schon mehrfach unter Korruptionsverdacht, den er stets zurückwies. 2011 kam er mit einer Rüge des Internationalen Olympischen Komitees für den Erhalt von 20.000 US-Dollar vom früheren Marketingpartner ISL davon.
Eigentlich war Jeffrey Webb als FIFA-Vize und Präsident des Verbands von Mittel- und Nordamerika für die Rolle des von Blatter auserkorenen Kronprinzen gehandelt worden. Doch dass der Mann von den Cayman-Inseln nicht mehr zur Verfügung steht, ist eines der Kernprobleme des scheidenden FIFA-Chefs: Webb war wie sechs andere Funktionäre vergangene Woche in Zürich auf Antrag der US-Behörden im Korruptionsskandal verhaftet worden.