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Die Wiener Vorortelinie: Fast vergessen, aber nicht mehr wegzudenken

Zwischen Hütteldorf und Handelskai fährt die früher oft als "Geisterbahn" bezeichnete Wiener Vorortelinie.
Zwischen Hütteldorf und Handelskai fährt die früher oft als "Geisterbahn" bezeichnete Wiener Vorortelinie. ©APA/ Andreas Tröscher
Die Vorortelinie der Schnellbahn ist mehr als ein reines Transportmittel von A nach B. Während einer Fahrt mit der S45 kann man einen Blick hinter die Kulissen der Großstadt werfen. Eine Fahrt durch den Westen Wiens.

Hütteldorf, Penzing, Breitensee. Bahnhöfe aus altem Holz, der Lack dunkelgrün glänzend, die Böden fein verfliest, Stützpfeiler mit Doppeladlern. Durch tiefe Gräben schiebt sich die Bahn, taucht plötzlich auf, kreischt in den Kurven, lässt Kleingärtner aufhorchen, Efeu wird vom Fahrtwind gepeitscht, Hunde kläffen erbost.

Berits 1898 fuhr die Linie erstmals durch die Außenbezirke und tut es seit 25 Jahren wieder. fast war sie aus der Wahrnehmung der Wiener wieder verschwunden, aber jetzt gehört sie wieder dazu, hat da Leben und Stadtbild geprägt. Aus einer halb verfallenen, maximal dem Güterverkehr dienlichen Strecke entwickelte sich ein modernes Massenverkehrsmittel, das aus dem Fahrplan längst nicht mehr wegzudenken ist.

Haltestellen der Vorortelinie von Otto Wagner gestaltet

Ottakring, Hernals, Gersthof. Bahnhöfe, keine Haltestellen. Otto Wagner hat keine Haltestellen gebaut. Richtige Bahnhöfe, mit Gleisanschlüssen zu Großbetrieben, Krankenhäusern, Wilhelminenspital mit Milchlagern und Kohledepots. Heute freilich nicht mehr, aber damals, bevor die düsteren Jahre kamen.

Der Putz begann zu bröckeln, der Stuck brach aus den Mauern, aus allen Ritzen schoss das Unkraut, die Eingangsportale vernagelt, die Gleise verzogen, die Schwellen rostig. 55 Jahre lang nur hie und da ein Güterzug. Traurige Jahre.

Mit der S45 durch Döbling bis zum Handelskai

Krottenbachstraße, Oberdöbling. Die Häuser mondäner, die Gärten üppiger, die Zäune höher als anderswo. Heiligenstadt, Handelskai. Anschlussbahnhöfe, Pendlerstimmung. Vor Arbeitsbeginn, nach Feierabend. In den Gesichtern Eile und Stress. Keine Zeit für Karl-Marx-Hof, dem mächtigen Nachbarn, keine Zeit für Hohe Warte. Schon gar nicht für ein Vierterl Weiß beim Heurigen in Sievering, Nussdorf oder Grinzing.

Nur ein paar bleiben sitzen. Es rumpelt oft. Viele Gleise laufen durcheinander, raus aus der Stadt. Darüber Beton: Autobahn von unten. Endstation am Donauufer. Höchste Zeit zum Aussteigen.(APA/ Red.)

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